Die Bayernwerk Netz hat KI-Sensoren auf einer Hochspannungsleitung in Oberfranken angebracht. Unter anderem helfen Kamerabilder beim sicheren Netzbetrieb.

Die Bayernwerk Netz hat KI-Sensoren auf einer Hochspannungsleitung in Oberfranken angebracht. Unter anderem helfen Kamerabilder beim sicheren Netzbetrieb. (Quelle: Bayernwerk)

Der Verteilnetzbetreiber Bayernwerk Netz investiert rund 35.000 Euro in eine neue Technologie für sein Hochspannungsnetz. Die neue KI-Technologie will das Unternehmen nutzen, um das Stromnetz sicherer und effizienter zu betreiben. Christian Poppe, zuständiger Projektleiter beim Bayernwerk, überwacht mit seinem Team den Leitungsabschnitt bei Kehlbach künftig anhand von Echtzeit-Daten. Sie sollen dabei helfen, das Netz optimal auszulasten und die Ablagerung von Eis an der Leitung zuverlässiger vorauszusagen. Der Verteilnetzbetreiber möchte möglichst viel lokal erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien im Netz aufnehmen und verteilen, denn immer mehr Anlagen zur Erzeugung von Ökostrom wollen einspeisen. Daher arbeitet das Bayernwerk an der Modernisierung und am Ausbau des Netzes. „Wir wollen aber auch die vorhandenen Leitungen bestmöglich ausnutzen. Im Pilotprojekt in Steinbach am Wald testen wir, ob wir die Leitung mithilfe der KI noch besser ausnutzen können“, sagt Christian Poppe.

Eis an der Leitung schneller erkennen

Im nördlichen Oberfranken stellt das Wetter im Winter eine Herausforderung für den Netzbetrieb dar. Bei Minusgraden setzen sich entlang des Leitungsabschnitts in der Gemeinde Steinbach am Wald besonders schnell Schnee und Eis an den Leiterseilen fest. „Für die Stromleitung kann zu viel Eis an den Seilen zum Problem werden, weil die Masten, die die Seile tagen, statisch nur für ein bestimmtes Gewicht ausgelegt sind. Schnee und Eis an den Leiterseilen erhöhen dieses Gewicht und müssen daher ab einer bestimmten Menge entfernt werden“, erklärt Thomas Schiml, Systemtechniker im Bereich Hochspannung bei der Bayernwerk Netz. Mit den beiden KI-Sensoren will das Bayernwerk-Team vorausschauend erkennen, wann mit Eis an der Leitung zu rechnen ist und Eingreifen erforderlich wird.

Bodenabstand muss stimmen

Zu allen Jahreszeiten will der Verteilnetzbetreiber mithilfe des Sensors außerdem die Auslastung der Leitung auf Echtzeit-Daten stützen, anstatt auf theoretische Berechnungen. Bisher berechnen Spezialisten beim Bayernwerk auf Grundlage von punktuellen Messungen, Norm-Werten und theoretischen Annahmen, wie stark sie die Leitungen auslasten. Dabei geht es vor allem darum, dass die Leiterseile einen bestimmten Abstand zum Boden einhalten müssen und nur für eine bestimmte Betriebstemperatur ausgelegt sind. Je mehr Strom über eine Leitung geführt wird, desto wärmer werden die Seile. Und je höher die Temperatur, desto mehr dehnen sich die Leiterseile aus und hängen Richtung Boden durch. „Momentan basieren unsere Berechnungen dafür auf den Angaben der Seilhersteller und auf sehr konservativen Annahmen. Wir gehen zum Beispiel immer davon aus, dass die Leiterseile das ganze Jahr lang voller Sonneneinstrahlung und Hitze ausgesetzt sind, was deren Durchhang zusätzlich verstärkt – theoretisch“, berichtet Thomas Schiml. So stellt das Bayernwerk sicher, dass die Mindestabstände zum Boden immer eingehalten werden.

Mehr Ökostrom aufgrund von Echtzeit-Daten

Wenn gerade keine Sonne auf die Leitung fällt und Wind sie zusätzlich abkühlt, bedeutet das, dass der Netzbetreiber die Auslastung erhöhen und mehr Strom im Netz aufnehmen kann, ohne die Boden-Abstandsnormen zu verletzen. Die beiden Sensoren des slowenischen Herstellers GridPulse liefern künftig laufend Informationen an das Bayernwerk. Dazu gehören sowohl Neigungswinkel und Temperatur des Seils als auch Spannung und Stromstärke. Das Gerät enthält außerdem eine Kamera, die Bilder von den Leiterseilen aufnimmt. Gleichzeitig bezieht die KI zum Beispiel vom Deutschen Wetterdienst Daten, wie Temperatur, Windstärke und -richtung, Sonneneinstrahlung oder Niederschlag. So lernt sie nach und nach, bei welcher Witterung welche Auslastung der Leitung möglich ist, und soll damit in Zukunft sogar Prognosen liefern. Die Daten und Bilder überträgt der Sensor direkt an die zuständigen Techniker beim Bayernwerk, die die Hochspannungsleitung digital überwachen können, ihre Auslastung steuern und bei Bedarf eingreifen. Wird die Last an Schnee und Eis für die Leitung zu groß, wird kurzzeitig die Temperatur der Leiterseile erhöht, sodass Schnee und Eis schmelzen und sich von der Leitung lösen. Das funktioniert durch Fernsteuerung aus der Netzleitstelle des Bayernwerks.

Pilotprojekt in Steinbach am Wald

Ein Jahr lang testet das Freileitungsteam des Bayernwerks jetzt die beiden neuen Sensoren in Steinbach am Wald. Einer wiegt rund 13 Kilogramm und ist etwa so groß wie eine herkömmliche Getränke-Kiste. „Für eine moderne Netzinfrastruktur und die Versorgungssicherheit nutzen wir die Möglichkeiten, die uns neue digitale Werkzeuge bieten und probieren smarte Technologien aus, die für uns den Netzbetrieb erleichtern und effizienter machen,“ sagt Projektleiter Christian Poppe. Das Bayernwerk beginnt nun mit dem Praxistest des neuen Sensors und will herausfinden, welches Potenzial die Technik für die Energiewende bietet. Danach soll entschieden werden, ob das Netz auch künftig und flächendeckend mit Hilfe der KI-Sensoren betrieben werden soll.

ew-Redaktion

Ähnliche Beiträge