Diskussionsstand in Deutschland

Grafik zum Thema: Bepreisung von CO2 - Energiesparvergleich für ausgewählte Staaten

Energiesparvergleich für ausgewählte Staaten

In Deutschland findet gegenwärtig ein Wettstreit um das „richtige“ Konzept zur CO2-Bepreisung statt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) hatte drei Gutachten zu dieser Frage vergeben, die in der ersten Juli-Hälfte 2019 vorgelegt wurden [12]. Ferner haben der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) und der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi ) Konzepte zur CO2-Bepreisung in Deutschland vorgestellt [13].

Nachfolgend werden exemplarisch die Konzepte der beiden letztgenannten Gutachten skizziert, die – ebenso wie die drei Gutachten im Auftrag des BMU – als Grundlagen für die im Herbst 2019 angekündigten politischen Entscheidungen zu diesem Thema dienen.

Gutachten des SVR

Der SVR schlägt vor, die Klimapolitik mittels einer Bepreisung von CO2 als zentralem Instrument neu auszurichten. Dazu hat er ein konkret ausgestaltetes Konzept vorgelegt. Dieses sieht vor, dass der EU ETS spätestens bis zum Jahr 2030 in allen Mitgliedstaaten auf die Sektoren Verkehr und Gebäude ausgeweitet und somit ein über alle Sektoren einheitlicher CO2-Preis etabliert wird. Als Übergangslösung auf dem Weg zu diesem integrierten System ist – so der SVR – in den bisher nicht vom EU ETS erfassten Sektoren Verkehr und Gebäude ein separater CO2-Preis zu etablieren.

Dafür werden zwei Ansätze vorgeschlagen: ein separates Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude oder eine CO2-Steuer auf die in diesen Sektoren eingesetzten Heizund Kraftstoffe. Ausschließliches Ziel einer CO2-Bepreisung in Deutschland sollte nach Auffassung des SVR sein, Emissionen effizient zu reduzieren und nicht, zusätzliche Steuereinnahmen zu generieren. Deshalb wird – zur Gewährleistung der Akzeptanz durch die Bevölkerung – eine Rückverteilung der staatlichen Einnahmen in pauschaler Form pro Einwohner oder über eine Senkung der Stromsteuer für notwendig gehalten.

Insgesamt setzen die Vorschläge des SVR stark auf globale Koordination und marktwirtschaftliche Instrumente. „Nicht sinnvoll ist es“, so der SVR, „über die europäisch vereinbarten Ziele hinaus weitere nationale oder gar sektorale Ziele anzustreben.“ Deutschland sollte als Vorbild wirken und zeigen, „dass die vereinbarten klimapolitischen Ziele auf volkswirtschaftlich effiziente Weise und ohne größere gesellschaftliche Verwerfungen zu erreichen sind.“

Gutachten des BMWi-Beirats

Auch der Wissenschaftliche Beirat beim BMWi setzt auf eine Bepreisung von CO2 verbunden mit einer Abschaffung der bisherigen (impliziten) CO2-Steuern und Umlagen, konkret durch die Abschaffung der EEG-Umlage und der Stromsteuer. Als entscheidendes Instrument zur Realisierung dieses Vorhabens spricht sich der Beirat für die Einführung eines Zertifikatehandels mit Preiskorridor in allen Sektoren aus, also auch Gebäude und Verkehr. Aufgrund der stark unterschiedlichen Ausgangsbedingungen können sich die Preiskorridore in den verschiedenen Emissionsmärkten anfänglich unterscheiden, sollten aber – so die Wissenschaftler – mittelfristig konvergieren. „Dann sollten alle Sektoren in einem einheitlichen europäischen Emissionsmarkt zusammengeführt werden, auf dem sich ein einheitlicher Preis pro t CO2 ergibt.“

Eine entsprechende Reform führt dazu, dass sich die Strompreise vermindern, während die Belastung von leichtem Heizöl und Erdgas deutlich steigt. Die Preise für Benzin und Diesel gleichen sich auf einem moderat erhöhten Niveau an. „Diese Preisentwicklungen induzieren im Sektor Gebäude Investitionen in Wärmepumpen und Gebäudeisolierung und im Bereich Verkehr in Elektromobilität.“ Direkte Staatseingriffe, sektorspezifische Regulierung und staatliches Mikromanagement der CO2-Emissionen (wie z.B. die Flottenregulierung der Automobilhersteller, ein staatlich verordneter Ausstieg aus der Kohleverstromung und die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien) sollten nach Auffassung der Wissenschaftler nach der Einführung einer wirksamen CO2-Bepreisung durch den vorgeschlagenen Emissionshandel entfallen.

Zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und zur Vermeidung von Carbon Leakage schlagen die Gutachter die Einführung eines Grenzausgleichs vor, solange Länder außerhalb der EU keine vergleichbare CO2-Bepreisung vornehmen. Langfristig kann Klimaschutz nur gelingen, so das Resümee in dem Gutachten des Beirats, „wenn es internationale Kooperation und einen international einheitlichen Mindestpreis für CO2 gibt.“

Die vom SVR und vom Wissenschaftlichen Beirat beim BMWi vorgelegten Konzepte dienen – ebenso wie die drei vom BMU beauftragten Gutachten – zur Vorbereitung des sog. Klimakabinetts, das voraussichtlich im September 2019 über die Einführung einer CO2-Bepreisung in den nicht vom EU ETS erfassten Sektoren entscheiden wird.

Bei der Diskussion über eine zusätzliche Belastung ist ein Vergleich der Verbraucherpreise für Energie in Deutschland und in den in dieser Synopse berücksichtigten Staaten von Interesse. Dabei zeigt sich, dass gegenwärtig die Preise für Kraftstoffe, insbesondere für Dieselkraftstoff, in Deutschland relativ günstig sind. Dies gilt auch für leichtes Heizöl und für Erdgas. Demgegenüber sind die Strompreise in Deutschland im Vergleich zum Durchschnitt der fünf in diese Übersicht einbezogenen Staaten um rund zwei Drittel höher (siehe Tab.).

Fazit/Schlussfolgerungen

Marktwirtschaftliche Instrumente und das Setzen auf internationale Kooperation sind die entscheidenden Schlüssel für kosteneffizienten und wirksamen Klimaschutz. Mit dieser Intention befürworten die Wissenschaftler des SVR und des Beirats des BMWi eine Ausdehnung des CO2-Emissionshandels auf die Sektoren Gebäude und Verkehr. Eine Einbeziehung dieser Sektoren in das bestehende EU ETS würde allerdings – angesichts der geringen Preiselastizität der Nachfrage insbesondere im Verkehrssektor – vermutlich zu sehr hohen CO2-Zertifikate-Preisen führen. Konsequenz wäre u.a. ein massiver Anstieg der Großhandelspreise für Strom, der insbesondere die energieintensive Industrie treffen würde. Die gleichzeitig befürwortete Abschaffung der Stromsteuer und der EEG-Umlage würde für diese im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen keine wirksame Entlastung bringen, da sie von der Stromsteuer und der EEG-Umlage sehr weitgehend befreit sind.

Der vom Beirat ins Spiel gebrachte Grenzausgleich, dem Importe aus Drittländern, in denen keine vergleichbare CO2-Bepreisung erfolgt, unterworfen werden sollen, ist kritisch zu sehen. Dies gilt angesichts der Schwierigkeiten, sachgerechte Berechnungsgrundlagen für den Grenzausgleich in jedem Einzelfall zu bestimmen und des damit zudem verbundenen gewaltigen bürokratischen Aufwandes sowie des handelspolitischen Konfliktpotenzials, auf das der Beirat auch selbst hinweist. Vor diesem Hintergrund erscheint ein separates Emissionshandelssystem für die Sektoren Gebäude und Verkehr oder eine CO2-Besteuerung der in diesen Sektoren eingesetzten Brenn- bzw. Kraftstoffe als der praktikablere Weg, solange es nicht gelingt, sich auf eine international vergleichbare Bepreisung von CO2 zu verständigen. Eine CO2-Bepreisung in Höhe von 29 €/t – entsprechend dem gegenwärtigen Zertifikatepreis im EU ETS – würde in Deutschland ein Aufkommen von etwa 10 Mrd. € pro Jahr erbringen. Dies würde sich in einem Aufschlag auf die Öl- und Erdgaspreise auswirken, der bei den Tankstellen- und Heizölpreisen 8 bis 9 Cent/Liter und bei Erdgas etwa 0,7 Cent/ kWh (jeweils einschließlich Mehrwertsteuereffekt) ausmachen würde.

Die damit erzielten Einnahmen könnten dazu dienen, die Stromsteuer von gegenwärtig 20 €/ MWh auf den EU-weit gültigen Mindestsatz von 1 €/MWh abzusenken (das Aufkommen aus der Stromsteuer beträgt rund 7 Mrd. € pro Jahr) und zusätzlich in einem ersten Schritt die EEG-Umlage zu reduzieren. Dadurch würde zugleich die Sektorenkopplung begünstigt, also die Nutzung von künftig überwiegend erneuerbar erzeugtem Strom im Wärmemarkt und im Verkehr.

Auch im Falle weiterer Erhöhungsschritte müsste zur Sicherung der Akzeptanz Aufkommensneutralität gewährleistet werden. Dies könnte z.B. durch eine weitere Reduzierung der EEG-Umlage geschehen. In Betracht kommen auch die steuerliche Begünstigung bzw. direkte Zuschüsse für die energetische Gebäudesanierung, die Bereitstellung von Mitteln zum Ausbau der Ladeinfrastruktur und zum Kauf von Elektro-Fahrzeugen, die Förderung der Technologie Power-to-X (PtX), also die Herstellung synthetischer Kraft- und Heizstoffe mittels Strom aus erneuerbaren Energien und eine Verbesserung der Bedingungen für die Nutzung des ÖPNV – bis hin zur schrittweisen Ermöglichung einer kostenfreien Nutzung des ÖPNV.

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