Symbolbild zum Thema Corona-Krise und Energiepolitik

Über energie- und gesamtwirtschaftliche Konsequenzen schockartiger Entwicklungen wie der Corona-Krise zu spekulieren ist schwierig. Politische Entscheidungen brauchen aber Anhaltspunkte (Bild: Adobe Stock)

Auf der Agenda der Bundesregierung steht die Umsetzung des Klimaschutzprogramms. Ziel dieses Programms ist es sicherzustellen, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 reduziert. Die damit verbundene Debatte bewegt sich allerdings heute ganz im Schatten der Corona-Krise. Analysen für 2020 deuten darauf hin, dass mit einem massiven wirtschaftlichen Einbruch zu rechnen ist. Das wird sich im Energieverbrauch und den CO2-Emissionen niederschlagen. Erste Abschätzungen lassen erkennen, dass Deutschland seinem Klimaziel 2030 näherkommt als bisher gedacht. Damit gewinnt man Zeit und schafft Spielräume, die man nutzen kann, um die heutige Energiepolitik auf den Prüfstand zu stellen und über einen Neustart der Energiewende nachzudenken.

2019 war Klimaschutz ein großes Thema. Man erinnere sich: Jugendliche engagierten sich bei den Demonstrationen Fridays for Future; unser Land erlebte Hitze- und Trockenheits-rekorde; einige Städte und Gemeinden riefen den „Klimanotstand“ aus. Die Bundesregierung reagierte. Sie traf wichtige Entscheidungen zum Schutz der Erdatmosphäre. So wurde der Ausstieg aus der Kohle beschlossen und ein Klimaschutzprogramm vorgelegt. Anlass für diese neue Beweglichkeit war sicherlich auch das Bemühen der Politik, nach so manchen unerfüllten Versprechungen in der Vergangenheit [1], Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. So schwört die Bundesregierung nunmehr „hoch und heilig“, sie werde alle Maßnahmen ergreifen, damit Deutschland das nächste Klimaziel sicher erreichen wird, d.h. die Emissionen von Treibhausgasen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu reduzieren.

Dann, welch ein Zeitenwechsel! Anfang des Jahres 2020 rückte ein anderes Thema in den Vordergrund: Der Kampf gegen das Coronavirus. Erste Berichte über dieses Virus gab es im Januar 2020 aus der chinesischen Millionenstadt Wuhan. Am 11.03.2020 sprach die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von einer Pandemie. Am 12.03.2020 verständigten sich Bund und Länder auf Leitlinien zur Beschränkung sozialer Kontakte. Sie wurden am 22.03.2020 verschärft und liefen auf umfassende Einschränkungen des öffentlichen Lebens in Deutschland hinaus. In dieser Situation rechnen Wissenschaftler für 2020 mit einem massiven wirtschaftlichen Einbruch. Manche sprechen sogar von der Möglichkeit der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Vermutlich werden es manche erstaunlich finden, wenn in diesem Beitrag vorgeschlagen wird, den jetzt anstehenden Entscheidungen in der Energiepolitik eine „Rechenaufgabe“ voranzustellen. Warum jetzt rechnen? Das hat damit zu tun, dass sich die Bundesregierung vor einigen Jahren entschieden hat, ihre Energie- und Klimapolitik auf einem System von quantitativen Zielen und Unterzielen aufzubauen. Damit kommt die Mathematik ins Spiel. Mit ihrer Hilfe wird entschieden, ob die Politik beim Umbau der Energieversorgung auf dem „rechten Weg“ ist oder ob sie nachsteuern muss. So stellt sich die Frage: Was bedeutet die Corona-Krise eigentlich für die Erreichbarkeit des von der Bundesregierung heute politisch so herausgehobenen Klimaziels 2030? Dazu versucht dieser Text eine erste Orientierung.

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