Kein rein regulierter Kohleausstieg

et: Anderes Stichwort: schrittweiser Kohleausstieg, für den ein gesellschaftlicher Konsens entwickelt wurde. Gleichzeitig will man am ganz großen Rad drehen und diskutiert über CO2-Bepreisung.

Löschel: Wichtig ist: Der Ausstieg aus der Kohle sollte nicht rein ordnungsrechtlich erfolgen. In jedem Fall ist sicherzustellen, dass die Emissionsminderung europaweit auch tatsächlich effektiv wird und es keine Verschiebungen innerhalb der Stromnachbarn gibt. Zwar ist es so, dass die eingesparten Emissionen zum Teil durch die Marktstabilitätsreserve des europäischen Emissionshandelssystems aufgefangen werden, aber wohl nicht vollständig und schon gar nicht in der mittleren Perspektive. Sie müssen also neutralisiert werden. Der geplante Ausstieg sollte marktlich unterstützt werden, damit er wirksam wird. Der ETS ist eine zentrale Stellschraube für den deutschen Kohleausstieg. Mit höheren Preisen im ETS um die 50 €/CO2 bräuchten wir keinen administrierten Kohleausstieg mehr, dieser würde weitestgehend allein marktgetrieben stattfinden. Da nicht klar ist, ob der EU ETS diese Preise im nächsten Jahrzehnt erzielen wird, ist ein nationaler Mindestpreis im ETS eine Option für den Kohleausstieg. Das ist auch wichtig, um nicht bloß eine Verschiebung von einem Kohlekraftwerk zum andern zu erreichen. Oder dann hin zum Gas. Ein CO2-Preisgetriebener Ausstieg aus der Kohle hätte zudem bezüglich der Versorgungssicherheit Vorteile, weil sich emissionsärmere und moderne Kraftwerke bei Knappheiten trotz steigender CO2-Preise länger im Markt halten können. Man muss also auch hier Versorgungssicherheitsfragen mitberücksichtigen, die bei einem regulierten Ausstieg mit einem fixen Ausstiegsfahrplan gegen Ende der 2020er Jahre Probleme bereiten könnten.

„Es ist ein wichtiger Punkt für das Gelingen der Energiewende, dass man Strompreise günstiger gestaltet. Dabei geht es weniger um die Großhandelspreise, sondern insbesondere um Entgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen auf Energie. Eine Energiepreisreform ist auch vor dem Hintergrund unabdinglich. Wir haben im Monitoring vorgeschlagen, die Umlagen auf Elektrizität durch einen CO2-bezogenen Zuschlag auf fossile Energieträger aufkommensneutral zu ersetzen. Mit einem CO2-Preis von etwa 50 €/t CO2 in allen Sektoren könnten alle zusätzlichen Belastungen auf den Strom weggenommen werden, d.h. der Strompreis wird entlastet und es gibt eine massive Umlenkungswirkung von 25 Mrd. € im Jahr zu Lasten der fossilen Energieträger in Bereichen wie Gebäude und Verkehr, in denen wir massiv Emissionen reduzieren müssen. Das würde die Anreizsysteme in der Energiewirtschaft grundlegend verändern.“

Prof. Dr. Andreas Löschel, Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“; Inhaber des Lehrstuhls für Mikroökonomik, insbesondere Energie- und Ressourcenökonomik, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

CO2-Bepreisung: Von der Steuer zum erweiterten Emissionshandel

et: Wie soll es nun mit der Lenkung der Energiewende weitergehen? CO2-Steuer oder Ausweitung des EU-ETS auf Nicht-ETS-Bereiche?

Löschel: Diese beiden Optionen müssen sich gar nicht diametral gegenüberstehen. Denn sowohl die CO2-Steuer als auch der Emissionshandel setzen an derselben Stelle an und deshalb ist es auch relativ einfach möglich, ein Steuersystem später in einen Emissionshandel zu überführen. Die Ausweitung des EU-ETS ist eine wichtige Perspektive. Dieses Unterfangen dürfte sich aber länger hinziehen, wenn man die Geschichte des bestehenden Systems betrachtet. Schließlich braucht man das Einvernehmen der anderen Mitgliedstaaten, die nicht darüber begeistert sein dürften, die deutschen Nicht-ETS-Sektoren in den Emissionshandel aufzunehmen, um die deutschen Klimaziele zu erfüllen. Denn das würde dort durchaus Belastungen bei der energieintensiven Energie hervorrufen. Deshalb scheint es ratsam, kurzfristig erst einmal national über eine CO2-Steuer nachzudenken, um entsprechende Lenkungswirkung zu entfalten. Und gleichzeitig damit zu beginnen, mit den Partnern die Ausweitung des Emissionshandels anzugehen. Die vielen Detailfragen sollten gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten gelöst werden.

et: Was wäre angesichts dessen politisch jetzt angesagt?

Löschel: Eine Kohlenstoffsteuer, die graduell in einen Emissionshandel überführt wird, könnte ein pragmatischer Kompromiss sein. In Australien wurde das im Jahr 2012 genauso angepackt. Die Lösung damals war ein „Fixpreis- Emissionshandelssystem”. Die Unternehmen konnten zunächst Zertifikate ohne Mengenbeschränkung direkt von der Regierung zu einem vorherbestimmten Preis kaufen. Dies wirkt wie eine CO2-Steuer. Das System war aber so flexibel konstruiert, dass es ohne gesetzliche Änderungen in einen Emissionshandel überführt werden konnte. Dazu musste man nur vom Zertifikateverkauf zu einem fixen Preis zur Versteigerung einer fixen Menge von Zertifikaten übergehen. Damit ist man „down under“ fließend zum Emissionshandel gewechselt.

et: Herr Löschel, vielen Dank für das Interview.

Weitere Informationen zum Monitoring der Energiewende hier.

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„et“-Redaktion
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