Umverteilungseffekte

Aber auch ein kurzfristig vereinheitlichter CO2-Preis ist nach Einschätzung von Experten nicht zu empfehlen, denn die Preisniveaus, die im Strom-, Verkehrs- und Gebäudesektor zu signifikanten Emissionsminderungseffekten führen würden, sind unterschiedlich hoch. Während im Stromsektor ein CO2-Preis von 50 € pro t zu deutlichen Verschiebungen in der Erzeugungstruktur mit Folgewirkungen für die Börsenstrom-preise und die Versorgungssicherheit führen würde, müsste er im Verkehrssektor im deutlich dreistelligen Bereich liegen.

Umverteilungseffekte müssen – wie das Beispiel der „Gelbwesten-Bewegung“ Frankreich zeigt – von Anfang an bedacht werden. Insbesondere beim Benzin- und Dieselverbrauch, wo die Preiselastizität sehr gering ist, sind Haushalte mit geringem Einkommen und Berufspendler am härtesten betroffen. Im Bereich Beheizung wären nahezu alle privaten Haushalte von der Verteuerung fossiler Energieträger durch eine CO2-Bepreisung betroffen. So wird Erdgas in ca. 50 %, Heizöl in etwa 26 % und Fernwärme in 14 % der Haushalte eingesetzt [2]. Eine einfache pauschale Pro- Kopf-Rückverteilung, wie sie momentan diskutiert wird, reicht für eine Umstellung auf CO2-ärmere Alternativen nicht aus. Das heißt, bei einem rein finanziellen Ausgleich wird es kaum zu einer nachhaltigen Verhaltensänderung kommen.

Auch für einkommensstärkere Haushalte gilt, dass Technologien und die zugehörigen Infrastrukturen zunächst vorhanden sein müssen, um das Verhalten entscheidend zu beeinflussen und signifikante CO2-Einspareffekte zu erreichen. Die Anpassung von Infrastrukturen oder energetische Sanierungen brauchen jedoch einen erheblichen Zeitvorlauf.

Aber nicht nur private Haushalte, sondern auch Industrie und Gewerbe müssten zumindest teilweise eine Kompensation erhalten. Während eine Kraft- oder Heizstoff-Mehrbelastung um einige Cent das Nutzerverhalten wenig ändern wird, kann es der energieintensiven Industrie dagegen schon die internationale Wettbewerbsfähigkeit kosten.

Bei einer CO2-Steuer wäre unklar, wie stark Emissionen tatsächlich sinken, da einer reinen Steuer die Emissionshöchstgrenze (Cap) wie beim Emissionshandelssystem fehlt. Daher klingt die Idee, die Emissionsmengen über eine Erweiterung des bestehenden Emissionshandelssystems mit einer festen Minderungsvorgabe um den Verkehrs- und Wärmesektor zu begrenzen, sehr reizvoll. Doch auf Grund der Wirkungsmäch-tigkeit der verschiedenen CO2-Preisniveaus in den unterschiedlichen Sektoren, wären zusätzliche Instrumente und Maßnahmen erforderlich.

Nationale Lösungen sind für Märkte, die in den EU-Binnenmarkt integriert sind, grundsätzlich nicht sinnvoll. Und die Einführung von Grenzausgleichsmaßnahmen für CO2 ist problematisch, da Deutschland auf eine liberale Welthandelsordnung angewiesen ist. „Wettbewerbsnachteile einzelner Staaten können mittel- und langfristig nur verhindert werden, wenn Staaten kooperieren und einen effektiven Mechanismus finden“ [3].

Es erscheint sinnvoll, verschiedene Instrumente für unterschiedliche Bereiche zu kombinieren, so wie es beispielsweise Agora Energiewende in „15 Eckpunkte für das Klimaschutzgesetz“ vorschlägt [4]. Zentrale, richtungsweisende Fragen müssen geklärt werden, Technologien und Infrastrukturen vorhanden sein, bevor ein Instrument zur Lenkung eingesetzt wird. Nicht umgekehrt.

Quellen

[1] https://background.tagesspiegel.de/CO2-Preis-jenseits-der-Leerformel 

[2] IW – Moglichkeiten einer CO2-Bepreisung im Warmemarkt; von Ralph Henger und Thilo Schaefer; Mai 2018. https://www.iwkoeln.de/studien/gutachten/beitrag/ralph-henger-thilo-schaefer-moeglichkeiten-einer-co2-bepreisung-im-waermemarkt.html

[3] Eckpunkte einer CO₂-Preisreform. Gemeinsamer Vorschlag von Ottmar Edenhofer (PIK/MCC) und Christoph M. Schmidt (RWI) RWI Position #72, 1. Dezember 2018. http://www.rwi-essen.de/media/content/pages/publikationen/rwi-positionen/pos_072_eckpunkte_einerco2-preisreform.pdf

[4] www.agora-energiewende.de

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„et“-Redaktion
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