Die „Goldene Gleichung der Energie- und Klimapolitik“

Abbildung 3 zum Thema Energie- und Klimapolitik: Energiebedingte CO2-Emissionen der Welt (Mio. t)

Abb. 3 Energiebedingte CO2-Emissionen der Welt (Mio. t)

Abbildung 4 zum Thema Energie- und Klimapolitik: Weltbevölkerung, wirtschaftliches Wachstum und CO2-Emissionen (1990 = 100)

Abb. 4 Weltbevölkerung, wirtschaftliches Wachstum und CO2-Emissionen (1990 = 100)

Hat man die Daten zur Weltbevölkerung, zur wirtschaftlichen Entwicklung, zum spezifischen Energieverbrauch und zur Kohlenstoffintensität zur Hand, kann man unmittelbar die globalen energiebedingten CO2-Emissionen berechnen. Grundlage dafür ist die „Goldene Gleichung der Energie- und Klimapolitik“:

CO2 = BIP/POP x PEV/BIP x CO2/PEV x POP

Dabei gilt:
CO2: Energiebedingte CO2-Emissionen in t
BIP/POP: Reales Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in US$2010
PEV/BIP: Spezifischer Energieverbrauch in toe/1.000 US$
CO2/PEV: Kohlenstoffintensität in t CO2/toe
BIP: Bruttoinlandsprodukt in Mio. US$2010
POP: Bevölkerung in Mio. Personen
PEV: Primärenergieverbrauch in Mio. toe.

Wer Interesse an der Entwicklung der verschiedenen Determinanten für die energiebedingten CO2-Emissionen hat, findet die entsprechenden Informationen für ausgewählte Stichjahre in Tab. 1. Man erkennt schnell, dass die wachstumstreibenden Kräfte für die CO2-Emissionen, d.h. Bevölkerung und Wirtschaftswachstum, sehr viel stärker waren als die gegenläufigen Faktoren, Verbesserungen beim spezifischen Energieverbrauch und Rückgang der Kohlenstoffintensität.

Tab. 1: Determinanten der globalen CO2-Entwicklung

JahrBIP/KopfSpez. EnergieverbrauchKohlenstoffintensitätBevölkerung
 (US$2010)(toe/1.000 US$2010)(t CO2/toe)(Mio. Einwohner)
19705.1970,2762,703.682
19806.4050,2542,554.435
19907.1860,2312,435.280
20008.1780,2012,356.111
20109.5280,1952,416.921
201710.6140,1772,377.518
1970/2017+ 113 %- 36 %- 12 %+ 104 %

Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich als Gesamtergebnis dieser gegenläufigen Entwicklungen ein deutlicher Anstieg der energiebedingten CO2-Emissionen ergeben hat (Abb. 3). Die Emissionen des Jahres 2017 liegen um mehr als 130 % über dem Niveau von 1970 und auch mehr als 40 % über den Werten des Jahres 2000. Es ist hier nicht der Raum diese Entwicklung im Einzelnen zu analysieren. Ein Hinweis, kann allerdings für eine erste Bewertung von Nutzen sein. In den letzten 50 Jahren gab es nur drei Phasen, in denen die weltweiten CO2-Emissonen absolut zurückgegangen sind: Nach den Ölpreissteigerungen 1973 und 1979 und den durch sie jeweils ausgelösten weltweiten Konjunktureinbrüchen. Ebenso rückläufig waren die Emissionen im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009. Ansonsten kannte die Entwicklung der CO2-Emissionen in den vergangenen 50 Jahren nur eine Richtung: Es ging immer weiter nach oben!

Die Welt im Jahr 2050

Offenheit der Zukunft ist eine fundamentale Gegebenheit. Gleichwohl gibt es Abschätzungen, wie die Welt im Jahr 2050 aussehen wird. So wissen wir, dass Prognosen zum Wachstum der Weltbevölkerung relativ verlässlich sind. Und es gibt Erwartungen, wie die Welt in 2050 aussehen soll. Hier spielen politische Vorgaben eine wichtige Rolle, etwa zur Wirtschafts-entwicklung oder zu der notwendigen Reduktion von Klimagasen. Das sind keine Prognosen. Man kann an solche Vorgaben glauben oder auch nicht. In jedem Falle bilden sie aber die Grundlage für die politische Debatte und verdienen insofern Beachtung.

Nun lohnt es sich, die Systemzusammenhänge etwas näher zu analysieren. Orientierung bietet die „Goldene Gleichung“ zur Berechnung der CO2-Emissionen. Sie eignet sich in besonderer Weise, um Voraussetzungen und Konsequenzen einer bestimmten Entwicklung von CO2-Emissionen abzuschätzen (diese Eigenschaft bietet eine gewisse Rechtfertigung für das Attribut „Golden“). Betrachten wir also die Welt im Jahr 2050 und gehen Schritt für Schritt die einzelnen Variablen der Gleichung durch:

  • CO2-Emissionen: Eine Orientierung ergibt sich aus dem Pariser Übereinkommen von 2015, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichtet haben, die Erderwärmung deutlich unter 2°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten. Berechnungen ergeben, dass dieses Ziel nur dann eingehalten werden kann, wenn die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern bis spätestens 2070 auf Null reduziert werden [3]. Für unsere Beispielrechnung brauchen wir ein CO2-Limit für 2050. Im Zuge einer einfachen Rückrechnung erscheint es gerechtfertigt, bis 2050 eine Reduktion der energiebedingten CO2-Emissionen um rd. 80% gegenüber 2017 zu unterstellen. In 2017 betrugen die weltweiten CO2-Emissionen 33,4 Mrd. t. Damit ergibt für 2050 ein maximales Emissionsbudget von 6,7 Mrd. t. Bei Beachtung des jüngsten IPCC-Berichts „Global Warming of 1,5°C“ müsste man eine anspruchsvollere Vorgabe machen [4]. Darauf soll allerdings hier der besseren Übersichtlichkeit halber verzichtet werden.
     
  • Wirtschaftliche Entwicklung: Auch zur wirtschaftlichen Entwicklung sind plausible Annahmen möglich. Ein erster Orientierungspunkt liefert die Agenda 2030, die von den Staats- und Regierungschefs aus aller Welt im September 2015 verabschiedet wurde [5]. Viele der dort festgelegten 17 Nachhaltigkeitsziele lassen sich mit dem politischen Ziel eines weiteren wirtschaftlichen Wachstums verbinden. Wichtig ist insbesondere das Ziel „Nummer 8“, das fordert: „Promote sustained, inclusive and sustainable economic growth, full and productive employment and decent work for all“. Für die am schwächsten entwickelten Länder der Welt wurde das Ziel eines BIP-Wachstums bis 2030 von 7 % p.a. vorgegeben. Nun nennt die Agenda 2030 keine Zahl zum langfristig erhofften/erwarteten wirtschaftlichen Wachstum. Wir müssen uns in der Beispielrechnung mit einer Schätzung behelfen. Es ist plausibel zu unterstellen, dass das weltweite reale BIP pro Kopf bis zum Jahr 2050 (mindestens) mit der gleichen Rate wachsen sollte wie in den letzten 30 Jahren (1,75 % p.a.). Damit ergibt sich für das Jahr 2050 ein BIP pro Kopf von 18.840 US$2010.
     
  • Bevölkerung: Die Vereinten Nationen erwarten einen weiteren, wenn auch abgeschwächten Zuwachs der Weltbevölkerung. Die Schätzungen für 2050 nennen eine Bandbreite zwischen 9,4 und 10,2 Mrd. Menschen. In unserer Beispielrechnung wollen wir den Mittelwert dieser Erwartungen, also eine Bevölkerungszahl für 2050 von 9,8 Mrd. Menschen unterstellen [6].

Jetzt sind drei Variablen der „Goldenen Gleichung“ für 2050 gesetzt, die CO2-Emissionen, das reale BIP pro Kopf und die Bevölkerung. Überträgt man diese Werte in eine Graphik, erhält man ein bemerkenswertes Bild (Abb. 4). Deutlich erkennbar ist ein gewaltiger Entwicklungs-bruch zwischen „gestern“ und „morgen“. Für „gestern“ galt noch das Gesetz eines weitgehend parallelen Verlaufs von Bevölkerung, wirtschaftlicher Entwicklung und CO2-Emissionen. Für die Zeit „morgen“ wird unterstellt, dass sich die CO2-Emissionen gegenläufig zur Bevölkerungsentwicklung und der wirtschaftlichen Entwicklung entwickeln. 

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