Statistische Effekte des Kernenergieausstiegs

Abb. 2 Rechnerische Einsparung an Primärenergie durch den Kernenergieausstieg (PJ)

Die Bundesregierung hat in ihrem Energiekonzept 2010 versprochen, den PEV bis 2020 gegenüber 2008 um 20 % zu vermindern.

Die aktuellen Zahlen belegen, dass man von diesem Ziel weit entfernt ist. Zwei Jahre vor dem Ziel lag der PEV nur rund 10 % unter der Vorgabe (PEV in 2008: 14.380 PJ und 2018: 12.900 PJ). Bei einer Bewertung dieser Entwicklung gilt es auch noch zu beachten, dass der Energieverbrauch in 2018 außerordentlich niedrig ausgefallen ist. So ging der Verbrauch gegenüber dem Vorjahr um rd. 5 % zurück. Ob und in welchem Umfang hier Sondereinflüsse eine Rolle gespielt haben, wird zurzeit noch analysiert. Die AG Energiebilanzen weist in diesem Zusammenhang vor allem auf gestiegene Energiepreise und die milde Witterung in 2018 hin [3].

Manche beklagen, dass es der Bundesregierung nicht gelungen ist, die eigenen Vorgaben auf dem Feld der Energieeinsparung auch nur halbwegs zu erfüllen. Die Klage kann aber schnell noch sehr viel lauter werden, sobald verstanden wird, dass der Rückgang des Energieverbrauchs 2008/2018 auch etwas mit dem Ausstieg aus der Kernenergie zu tun hat. Das Bundeskabinett hatte ja in 2011 nach den Unfällen an den Nuklearanlagen in Fukushima entschieden, möglichst schnell auf die Kernenergie zu verzichten. Im Zuge der Atomgesetznovelle vom 31.07.2011 erlosch die Betriebsgenehmigung für acht Kernkraftwerke.

Ende 2015 wurde ein weiteres Kernkraftwerk stillgelegt (Grafenrheinfeld/Main). Bis spätestens 2022 sollen alle Reaktoren in Deutschland vom Netz genommen werden.

Als Ersatz für die Kernenergie sollten die erneuerbaren Energien dienen. Wenn man einmal unterstellt, dass die gesamte Energieerzeugung von Wasserkraft, Windkraft und Photovoltaik ab 2010 genutzt wurde, um den rückläufigen Einsatz der Kernenergie zu ersetzen, impliziert das eine Reduktion des PEV. Diese Reduktion ist ein sich geradezu mechanisch ergebendes Nebenprodukt des Kernenergieausstiegs. Wie kann man das verstehen? Mit dem Ersatz der Kernenergie durch erneuerbare Energien entfallen die hohen Umwandlungsverluste bei der Kernenergie, ohne dass neue Umwandlungsverluste durch die wachsenden erneuerbaren Energien hinzukommen; sie werden ja bei dem heutigen System statistisch gar nicht erfasst. Ergebnis: Der PEV fällt rechnerisch niedriger aus. Diese Reduktion darf nicht als Ergebnis einer gezielten Energieeinsparpolitik verstanden werden. Sie kommt auch nicht dadurch zustande, dass weniger Strom verbraucht wird. Nicht allen Akteuren in der politischen Debatte dürfte dieser Effekt bekannt sein, obwohl die AG Energiebilanzen bereits 2012 entsprechende Analysen und Berechnungen angestellt hat [4].

Von zentraler Bedeutung ist die Größenordnung, um die es hier geht. Wenn man die Verluste ermittelt, die in 2018 durch die Substitution der Kernenergie durch erneuerbare Energien entfallen und diesen Wert zur Festlegung eines „bereinigten PEV“ nutzt, kommt man zu dem folgenden Ergebnis: Der „bereinigte PEV“ wäre 446 PJ höher als der Verbrauch, der in der Statistik ausgewiesen wird. Das entspricht 3,5 % des Energieverbrauchs 2018 oder in etwa dem heutigen PEV Schleswig-Holsteins. Anders gesagt: Rund ein Drittel des in der Bilanz ausgewiesenen Rückgangs des PEV von 2008 bis 2018 um rd. 10 % entfällt auf einen rein statistischen Effekt (Abb. 2).

Diese Kenntnis führt übrigens noch zu einer weiteren Einsicht. Auf dem Weg Deutschlands in das Zeitalter der erneuerbaren Energien wird der anstehende Ersatz von thermischen Kraftwerken durch Wind und PV zu weiteren künstlichen Primärenergieeinsparungen führen. Bei Wirkungsgraden für Kohle von 45 % und Erdgas 60 % werden die Effekte allerdings deutlich geringer ausfallen als bei der Kernenergie mit dem unterstellten Wirkungsgrad von 33 %.

 

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