Auszubildende sitzen am Tisch und beratschlagen

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Für die Studie 2018 „Zum zukunftsbasierten und kompetenzbasierten Weiterbildungsmanagement in der Energiewirtschaft“ wurden im Mai 2018 insgesamt 300 Personalverantwortliche der Energiewirtschaft befragt. Differenzierungskriterien bei der Auswahl der Befragten waren vor allen Dingen die Unternehmensgröße und die Abdeckung möglichst vieler Bereiche der Energiewirtschaft. Letztendlich nahmen 68 Personalverantwortliche an der Online-Umfrage teil, was ein durchaus repräsentatives Abbild der Energiewirtschaft widerspiegelt.

Über 44 % der Befragten arbeiten in einem Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern; 12% in Betrieben mit 500-999 Beschäftigten. 35% der Befragten stammen aus Unternehmen mit 1.000 - 4.999 Mitarbeitern und 9 % aus Konzernen mit mehr als 5.000 Beschäftigten. 50 % der befragten Unternehmen sind klassische Energieversorgungsunternehmen oder Stadtwerke, 35 % Netzbetreiber. 23 % der gesamten Befragten gaben zudem an, im Bereich erneuerbare Energien tätig zu sein. Im Bereich Consulting waren es nur knapp 6 % der befragten Unternehmen.

Mit Blick auf die Veränderungen in der Unternehmens- und Geschäftspolitik von Stadtwerken und Energieversorgern und dem zwangsläufigen Perspektivwechsel in der Weiterbildung und dem Kompetenzmanagement gibt die Studie Antworten auf folgende Fragen:

  • Bilden wir eigentlich die Belegschaft noch zeitgerecht aus?
  • Welche Kompetenzen sind bei Mitarbeitern und Führungskräften gefragt, um die neuen Arbeitswelten und Geschäftsmodelle erfolgreich zu gestalten?
  • Und: Welche Weiterbildungstrends und -formate gilt es dabei zu berücksichtigen?

Zentrale Ergebnisse der Weiterbildungsstudie

Die Studie führte zu folgenden zentralen Ergebnissen:

  • Weiterbildung hat einen hohen Stellenwert auf allen Unternehmensebenen und die Bedeutung von Weiterbildung wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
  • Über 60 % der Befragten halten ihr Personal für die digitale Transformation ungenügend qualifiziert und planen daher Weiterbildungsmaßnahmen.
  • Aufgrund von mangelnden (digitalen) Kompetenzen müssen bei 64 % der befragten Unternehmen neue Energieprojekte und Geschäftsmodelle verschoben werden.
  • Welche Kompetenzen sind künftig gefragt? Bei Mitarbeitern sind es Kooperationsfähigkeit, Veränderungs- und Lernbereitschaft. Führungskräfte brauchen Selbstreflexion, Veränderungsdynamik sowie unternehmerisches Denken.
  • Die Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs erfolgt primär durch Mitarbeitergespräche und durch die Führungskraft, Kompetenzchecks werden kaum eingesetzt.
  • Der Erfolg von Weiterbildungsmaßnahmen wird meist anhand der Zufriedenheit der Teilnehmer gemessen und nicht anhand des Wissenszuwachses.
  • Seminare, Workshops und Trainings sind die beliebtesten Bildungsformate. Neue digitale Lernformate kommen selten zum Einsatz: 55 % der Befragten setzen dies gelegentlich ein, 20 % der Unternehmen so gut wie nie.
  • Lediglich ein Drittel der Befragten sieht im Coaching einen hohen Stellenwert und bescheinigt den Führungskräften das nötige Coaching Know-how.
  • Mehr als 60 % der befragten Unternehmen haben weder die personellen Ressourcen noch die Ideen, um Innovationen voranzutreiben.
  • Die wichtigsten Trends für die Arbeitswelt von morgen: Big Data, Ideen- und Innovationsmanagement, der Wunsch nach Selbstverwirklichung, flexible Arbeitszeitmodelle und der Wandel der Arbeitsweise und des Arbeitsumfeldes.

Neue Anforderungen an Führungskräfte und die Mitarbeiter

Führungskräfte rücken nunmehr näher an die Mitarbeiter heran. Nicht nur das Führungsverständnis muss neu definiert werden, sondern es wird auch ein neuer Mitarbeitertyp nachgefragt. Der „einfache Arbeiter“ gehört ebenso zum Auslaufmodell wie der klassische Chef. Selbstreflexion, Veränderungsdynamik und unternehmerisches Denken waren die signifikanten Führungskompetenzen, die von den Studienteilnehmern genannt wurden. Selbstreflexion ist der zentrale Bestandteil von Coachingprozessen.

Dies lässt sich am besten mit folgender Metapher erläutern: Selbstreflexion lässt sich als eine verschlossene Tür und Coaching als den passenden Schlüssel dazu bezeichnen. Hinter dieser Tür verbirgt sich ein Repertoire an alternativen Möglichkeiten des Handelns und Denkens, auf welches man bisher noch nie zugegriffen hat. Folglich sollte die Führungskraft selbst über ein gewisses Maß an Coaching-Know-How verfügen. Führungskräfte müssen sich zudem als Moderatoren des Veränderungsprozesses begreifen; dies erfordert eine hohe soziale Kompetenz von Führungskräften, um die Mitarbeiter in diesen Prozess zu integrieren und die Entwicklung durchzusetzen.

Der Mitarbeiter wird zum Zukunftsgestalter: Mitarbeiter müssen lernen, in – zunehmend IT-gestützten – Prozessen zu denken. Sie werden noch mehr als heute zum Experten für den eigenen Arbeitsplatz und müssen dabei auch die Schnittstellen zu benachbarten Bereichen beherrschen. Kooperationsfähigkeit, Veränderungs- und Lernbereitschaft sind laut Studie nunmehr die wichtigsten Mitarbeiterkompetenzen.

Schlussfolgerungen/Handlungsempfehlungen

Auf Basis der Studie lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen bzw. Handlungsempfehlungen ableiten:

Strategisches Denken ist in der betrieblichen Weiterbildung noch nicht sehr ausgeprägt

Die Ermittlung des Kompetenzbedarfs beruht in der Energiewirtschaft noch auf traditionellen Verfahren und ist nicht zeitgemäß. Außerdem weist die betriebliche Weiterbildung Defizite bei der Übersetzung von Weiterbildungszielen in mittelfristig ausgerichtete Strategien auf. Für die Erreichung von Weiterbildungszielen ist eine geeignete Weiterbildungs­strategie zu entwickeln, in der die Schwerpunktausrichtung der betrieblichen Weiterbildung mit Blick auf die Zielgruppen, Formen, Methoden und Instrumente festzulegen ist. Die Studie zeigt, dass gerade hinsichtlich der Methoden und Instrumente vielfach Unsicherheit herrscht.

Um ein Beispiel zu geben: Die Studienteilnehmer benennen zwar die „Selbstreflexion“ als wichtigste Führungskompetenz; im Gegenzug wird aber das Coaching Know-How für Führungskräfte als weniger wichtig angesehen. Lediglich das Coaching als Weiterbildungsmaßnahme von Dienstleistern gegenüber Führungskräften wird als wichtige Maßnahme eingestuft. Die eben genannte Schlussfolgerung ist nicht stimmig: Coaching Know-how ist der Schlüssel zur Selbstreflexion, wie oben schon erläutert wurde. Führungskräfte in der Energiewirtschaft sollten deshalb über ein Grundverständnis an Coaching-Know-How verfügen.

Digitalisierung heißt vor allen Dingen Kulturwandel und Kompetenzentwicklung 4.0

Die digitale Transformation ist nicht (nur) eine Frage der Technik, sondern vielmehr der Kultur: die digitale Technik ist der große „Gleichmacher“; den Unterschied aber machen Menschen. Es gilt, bei den Energieversorgern eine Kultur für den aktiven Wandel zu entwickeln. Unabhängig davon, welche Kompetenzen das jeweilige Unternehmen im Hinblick auf die Durchsetzung seines Geschäftsmodells benötigt, erfordert die Digitalisierung ein Kompetenzprofil 4.0, das folgende „Basiskompetenzen“ impliziert:

  • fachübergreifende Kenntnisse sowie analytische Fähigkeiten und systematisch-methodisches Vorgehen;
  • Kooperations- als auch hohe Kommunikationsfähigkeiten;
  • Personale Kompetenzen, die den eigenverantwortlichen Umgang ermöglichen. Außerdem sind anpassungs- und Teamfähigkeit grundsätzlich wichtig, weil lebenslanges Lernen und die Notwendigkeit, sich auf Veränderungen einzulassen und zu bewältigen, für die Arbeitnehmer im Zeitalter der Digitalisierung immer wichtiger werden.

Digitale Weiterbildungsangebote befinden sich noch in den Kinderschuhen

 Traditionelle Angebote der internen und externen Weiterbildung dominieren nach wie vor das Weiterbildungsangebot. Die Studie zeigt: Nur große Unternehmen nutzen digitale Weiterbildungsinstrumente in deutlich höherem Maße als kleine und mittlere Unternehmen. Dabei wird es künftig von hoher Bedeutung sein, Wissensressourcen für spezifische Unternehmenszwecke gezielter verfügbar zu machen und in Innovation und Produktivität umzusetzen.

Der technologische Wandel und die breite Diffusion mobiler Kommunikationstechnologien eröffnen Gestaltungsmöglichkeiten für entsprechende innovative Kompetenzmanagementkonzepte. Diese zeichnen sich durch eine situative Anpassung von Lernform und -umfang, die Kombination von Online- und Offline-Lernen, die Beachtung individueller Lernpotenziale und die Adaptierbarkeit auf Entwicklungsbedarfe und Kompetenzprofile von Unternehmen und ihren Mitarbeitern aus. Und schließlich:  Die Mitarbeiter müssen in der Lage sein, schnell, nutzbar und nachhaltig für das Versorgungsunternehmen zu reagieren.

Personalabteilungen sind immer noch Begleiter statt Gestalter

Wie schon erwähnt wurde, ist die Implementierung der Industrie 4.0. ein kultureller Prozess; HR muss deshalb die begleitende Rolle verlassen und eine gestaltende Rolle übernehmen. Mehr denn je müssen die Personalentwickler in der Energiebranche die Rolle als „Weiterbildungsberater“ übernehmen. Es genügt definitiv nicht mehr, dass die Personalentwicklung lediglich den Weiterbildungskatalog vorhält und sich Mitarbeiter (in Absprache mit ihren Führungskräften) daran bedienen. Die Zeiten sind definitiv vorbei, in denen sich Weiterbildungsinvestitionen   weder in ihrer Qualität noch Sinnhaftigkeit nutzbringend bei den Versorgern abbilden.

In disruptiven Zeiten, mit der die Branche umgehen muss, ist Maßarbeit gefordert, die sich danach richtet, (1) was möglich ist, (2) was gerechtfertigt ist und vor allen Dingen, (3) was wirtschaftlich ist. Es ist Aufgabe der Personalentwickler nunmehr festzustellen, welches Lernformat sich für welchen Mitarbeiter bzw. Lerntyp sich am besten eignet.

Erfolgskontrolle von Weiterbildungsmaßnahmen ist kein Standard

Die Studie zeigt überdies ein kritisches Szenario: Die Erfolgskontrolle von Weiterbildung erfolgt meistens durch den Mitarbeiter. Auf Erfolgskontrollen wird in der Weiterbildung weitestgehend verzichtet, so dass es über die direkten Wirkungen der Aktivitäten keine Auskunft gibt. Es bedarf der Einsicht und entsprechender Maßnahmen, die betriebliche und individuelle Weiterbildung effizienter auszurichten.

Um den wirtschaftlichen Erfolg durch Weiterbildung zu steigern, kommen die Energieversorgungsunternehmen nicht umhin, ein strategisches Weiterbildungsmanagement und Bildungscontrolling zu etablieren. Es bedarf Klarheit darüber, welche Bereiche des Weiterbildungsmanagements wichtig sind bzw. welche Bereiche verbessert werden müssen.

Weiterbildung – ein entscheidender Wettbewerbsfaktor

Die Annahme der gemeinschaftlichen Studie, dass die Transformation der Energiewirtschaft und insbesondere der digitale Wandel nicht einem deterministischen Muster folgen, sondern gestaltet werden können und müssen, wurde bestätigt. Bei der Umsetzung von Industrie 4.0 bestehen vielfältige technisch-organisatorische Möglichkeiten, die durch die Wechselwirkungen zwischen Technik, Mensch und Organisation beeinflusst und durch Entscheidungen auf betrieblicher und arbeitspolitischer Ebene bestimmt werden.

Neue Geschäftsmodelle erfordern andere Mitarbeiter und Führungskräfte – kurzum, andere Menschen. Die Erschließung der digitalen Erfolgspotenziale erfordert deshalb die Erweiterung und Neuausrichtung der Qualifikationsprofile von Beschäftigten. Dabei geht es sowohl um die richtigen Inhalte der Qualifizierung in Zeiten des Wandels als auch um den Einsatz effizienter Vermittlungsformen in der Aus- und Weiterbildung. Weiterbildung ist nunmehr ein entscheidender Wettbewerbsfaktor.

Dr. iur. Ch. Nill-Theobald, Geschäftsführerin, TheobaldConsulting, Berlin, cnt@theobald-consulting.com

 

Christiane Nill-Theobald

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