Was sich beim Energiewende-Index ändert

Abb. 1 zum Thema Energiewende 2030: Umwelt- und Klimaschutz, Wertung H1 2019 und H2 2019

Abb. 1: Umwelt- und Klimaschutz, Wertung H1 2019 und H2 2019

Um das Erreichen der neu formulierten Ziele bis 2030 zu verfolgen, wurden fünf der bislang untersuchten 15 Indikatoren des Energiewende-Index ausgetauscht – drei im Bereich Umwelt- und Klimaschutz sowie je einer in den Bereichen Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit. Außerdem wurden in einigen Indikatoren Berechnungsgrundlagen angepasst.

Die grundsätzliche Betrachtung der drei Dimensionen des energiewirtschaftlichen Dreiecks, in denen der Erfolg der Energiewende gemessen wird, bleibt erhalten: Umwelt- und Klimaschutz, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit. Für jeden der 15 Indikatoren werden Zielwerte für 2030 abgeleitet. Diese basieren auf den Zielen der Bundesregierung – sofern explizit formuliert. Einige Bereiche sind jedoch nicht mit konkreten politischen Zielen hinterlegt, wie z.B. die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und die Vermeidung von Stromausfällen. Hier gelten historisch abgeleitete Zielwerte – etwa der Status quo zu Beginn der Energiewende, um mögliche Verschlechterungen zu messen. Um den Fortschritt eines Indikators auch ohne definierten Zielpfad bewerten zu können, werden zwischen Start- und Zielwert linear ansteigende „Etappenziele“ gesetzt. Vorhandene Zielwerte für 2020 werden als Zwischenschritt für die Interpolation der jährlichen Etappenziele herangezogen.

Drei neue Indikatoren für Umwelt- und Klimaschutz

Der neue Indikator EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch ermittelt, wie stark erneuerbare Energien über alle Sektoren hinweg – nicht nur im Stromsektor – zur Energiewende beitragen. Damit ist der Indikator zugleich ein wichtiger Gradmesser der Sektorkopplung. Der Bruttoendenergieverbrauch erfasst sämtliche Energielieferungen an die Sektoren Industrie, Verkehr, Haushalte und Gewerbe sowie Handel und Dienstleistungen. Dies schließt die Erzeugung von Wärme und Strom der Energiewirtschaft für den Eigenverbrauch ein, sowie auch etwaige Leitungs- und Transportverluste durch Verteilung und Übertragung. Als Ziel für 2030 hat die Bundesregierung einen EE-Anteil von 30 % vorgegeben. Der neue Indikator ist eine sinnvolle Ergänzung zu dem bereits existierenden Indikator Primärenergieverbrauch, der vorrangig ermittelt, ob die Effizienzmaßnahmen zur Reduktion des Verbrauchs greifen, während der neue Indikator EE-Anteil am Bruttoendenergieverbrauch zusätzlich die Durchdringung mit erneuerbaren Energien erfasst.

Mit dem Indikator Sektorkopplung Verkehr wird erstmals der Fortschritt bei der Elektrifizierung im Verkehrssektor gemessen; als Messgröße dienen die im Klimakonzept vorgegebenen Ziele von mindestens sieben Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030. Grundlage für die Messung der Zielerreichung ist der jeweils aktuelle Bestand an Elektrofahrzeugen, Plug-in-Hybriden und Fahrzeugen mit Brennstoffzellantrieb in Deutschland.

Der neue Indikator Sektorkopplung Wärme gibt Aufschluss über die Durchdringung des Wärmesektors mit erneuerbaren Energien. Basierend auf dem Zielpfad der Bundesregierung für den Anteil erneuerbarer Energien im Wärmesektor liegt der zu erreichende Zielwert des Indikators bei 27 % bis 2030.

Je ein neuer Indikator für Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit

Mit der Einführung eines übergreifenden CO2-Preises rücken erstmals die Kosten aller Energieträger in den Blickpunkt. Mit dem neuen Indikator Gesamtenergiekosten Haushalte wird dem Rechnung getragen und nicht nur die Preisentwicklung von Strom, sondern auch von Gas, Heizöl, Kraft- und anderen Brennstoffen erfasst. Dabei wird gemessen, ob der Anteil der Energiekosten am Gesamtwarenkorb eines Haushalts während der Energiewende gestiegen ist. Zwar ist dadurch der Effekt sinkender Energiepreise für Öl, Gas und Kohle enthalten, die im Wesentlichen nicht von der Energiewende in Deutschland abhängig sind, aber dennoch entspricht diese Sichtweise dem angestrebten Gesamtblick auf die Energiekosten. Das Ziel entspricht dem Ausgangswert zu Beginn der Energiewende in 2009, also keine Verteuerung der realen Gesamtenergiekosten.

Der Indikator Verfügbare Kapazität für Import aus Nachbarländern misst erstmals die gesicherte Kapazität in Deutschlands angrenzenden Märkten, die zur Sicherung der hiesigen Versorgung im Bedarfsfall zur Verfügung stünde. Damit wird der wachsenden Bedeutung des europäischen Verbunds für das zentrale Thema Versorgungssicherheit Rechnung getragen. Die Kennzahl folgt einer ähnlichen Methodik wie für die Berechnung der Reservemarge durch die deutschen Übertragungsnetzbetreiber: Um importfähige Kapazitäten zu ermitteln, wird die gesicherte vorhandene Kapazität in den Nachbarländern (Niederlande, Belgien, Frankreich, Schweiz, Österreich, Tschechien, Polen, Dänemark, Norwegen) mit der Spitzenlast dort verglichen. Die verbleibende Kraftwerkskapazität stünde Deutschland dann in einer Engpasssituation maximal zur Verfügung – vorausgesetzt, die vorhandene Interkonnektorkapazität reicht aus. Diese kumulierte Berechnung unterstellt allerdings, dass keine Netzengpässe zwischen Deutschlands Nachbarländern existieren. Z.B. könnte verfügbare Kapazität in Frankreich auch über die Schweiz nach Deutschland importiert werden, insofern die Kapazität des deutsch-französischen Interkonnektors bereits ausgeschöpft ist.

Die tatsächlich verfügbare Engpasskapazität wird dann ins Verhältnis zur deutschen Spitzenlast gesetzt und kann als „Import-Reservemarge“ interpretiert werden. Ein positiver Wert gilt als 100 %-Zielerreichung und bedeutet, dass ausländische Kapazität in einer Engpasssituation zur Stabilisierung der deutschen Stromversorgung beitragen kann. Negative Werte führen zu einer Zielerreichung unter 100 % und bedeuten, dass die Nachbarländer ihrerseits auf Importe angewiesen sind und in Zeiten von Knappheit die deutsche Stromversorgung nicht zuverlässig stabilisieren könnten. Die Zielerreichung fällt auf 0 %, wenn die „Import-Reservemarge“ bei -25 % liegt; analog wird bei +25 % eine Zielerreichung von 200 % erreicht – dies entspräche in etwa der vollständigen Ausschöpfung der aktuellen Interkonnektorkapazität.

Der Import-Indikator ist immer in Kombination mit dem Indikator Gesicherte Reservemarge in Deutschland zu betrachten. Gemeinsam zeigen sie, ob in Deutschland ausreichend gesicherte Kapazität zur Verfügung steht, um Lastspitzen abzudecken. Z.B. könnte eine geringe Zielerfüllung von 70 % bei der Gesicherten Reservemarge durch eine Übererfüllung von 130 % in der Verfügbaren Kapazität für Import aus Nachbarländern vollständig ausgeglichen werden, um in Summe wieder auf 100 % Zielerreichung zu kommen.

Hiermit wird naturgemäß eine Extremsituation betrachtet, da ein gleichzeitiges Auftreten von Spitzenlast und Dunkelflaute unterstellt und somit entsprechend der Berechnungslogik der Netzbetreiber nur gesicherte und nur zu einem geringen Teil erneuerbare Kapazität eingerechnet wird. Somit wird zwar die Wahrscheinlichkeit von Kraftwerksverfügbarkeiten und EE-Einspeisung berücksichtigt, jedoch nicht deren exakte zeitliche Korrelation. Aufgrund der Nutzung von Ist-Daten erlaubt dieses Vorgehen jedoch einen klaren Blick auf den Status Quo und setzt nicht auf annahmegestützten Prognosen auf, wie z.B. die vermehrt verwendete wahrscheinlichkeitsbasierte Kennzahl Loss of Load Expectation (LOLE).

Anpassung und Fortführung von zehn Indikatoren

Der Status von zehn Indikatoren des bisherigen Energiewende-Index wird auch künftig weiter betrachtet, vier davon mit angepassten Zielen, um die neuen politischen Vorgaben für 2030 und Methodikänderungen zu reflektieren:

  • Das Ziel für den Indikator EE-Anteil am Bruttostromverbrauch wird auf 65 % angehoben.
  • Für den Indikator CO2e-Ausstoß lautet das neue Reduktionsziel -55 % (gegenüber 1990).
  • Der Primärenergieverbrauch soll bis 2050 um 50 % gegenüber 2008 gesenkt werden, während bis 2020 eine Reduktion um 20 % vorgegeben wurde. Bei linearer Interpolation vom 2020-Zwischenziel ist bis 2030 eine Senkung des Verbrauchs um 30 % gegenüber 2008 erforderlich.
  • Auf Grund der veränderten Berechnungslogik der Reservemarge wurde das Ziel für den Indikator Gesicherte Reservemarge angepasst. Zukünftig gilt das Ziel zu 100 % erreicht, wenn die gesicherte installierte Kapazität in Deutschland der Spitzenlast entspricht. Hierbei wird davon ausgegangen, dass erneuerbare Energien aufgrund von wetterbedingten Schwankungen bei der Erzeugung nur zu einem geringem Teil zur gesicherten Kapazität beitragen können. Somit wird Windkraft nur mit 3 % der installierten Leistung eingerechnet und Solaranlagen werden gar nicht berücksichtigt – also ein Abschlag von 100 % zugrunde gelegt.

Für die verbliebenen sechs Indikatoren (Ausfall Stromversorgung, Kosten Netzeingriffe, Haushaltsstrompreis, Industriestrompreis, Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien, Ausbau Transportnetze) bleiben Berechnungslogik und Zielsetzung unverändert. Das bedeutet, dass für jene Indikatoren, die nicht mit konkreten politischen Zielen hinterlegt sind, weiterhin 2008 bzw. 2009 als Referenzjahr herangezogen wird (beispielsweise bei der Abweichung des Haushaltsstrompreises vom europäischen Durchschnitt). Der Grund: Dies waren die letzten Jahre vor der Ankündigung der Bundesregierung, das deutschen Energiesystem umzubauen und dem wenig später verkündeten Ausstieg aus der Kernkraft nach der Katastrophe von Fukushima. Mit der Fortschreibung dieser Indikatoren wahrt der Index seine Konsistenz und stellt die Vergleichbarkeit von Informationen über die gesamte Zeitspanne der Energiewende hinweg sicher.

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