Energiewende: Der Ausbau der Transportnetze in Deutschland muss wesentlich schneller vorankommen, um angesichts des Wegfalls gesicherter Erzeugungskapazitäten die Stromversorgung auch weiterhin zu gewährleisten

Der Ausbau der Transportnetze in Deutschland muss wesentlich schneller vorankommen, um angesichts des Wegfalls gesicherter Erzeugungskapazitäten die Stromversorgung auch weiterhin zu gewährleisten (Bildquelle: Adobe Stock)

Es gilt, die Anstrengungen beim Klimaschutz weiter zu intensivieren, insbesondere die zügige und konsequente Elektrifizierung des Verkehrs-, Wärme- und Industriesektors. Gleichzeitig muss die Politik bei den übrigen Dimensionen der Energiewende die richtigen Weichenstellungen vornehmen – nicht zuletzt, um die Energieversorgung in Deutschland weiterhin sicherzustellen.

Seit seiner Einführung im Jahr 2012 dokumentiert der Energiewende-Index (EWI) halbjährlich den Status der Energiewende in Deutschland. Fazit heute: Zentrale Ziele werden immer noch deutlich verfehlt. Die bisherigen Kurskorrekturen der Bundesregierung waren nicht weitreichend genug, um nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. Mittlerweile manifestieren sich die Probleme in allen drei Dimensionen des energiewirtschaftlichen Dreiecks – Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit.

Umwelt- und Klimaschutz im Hintertreffen

Beim Kernthema Umwelt- und Klimaschutz bleibt die Energiewende weit hinter ihren selbstgesteckten Zielen für 2020 zurück: Mit 866 Millionen Tonnen (Mt) CO2e lagen die Emissionen 2018 trotz einer Reduktion gegenüber dem Vorjahr um 4,5 % immer noch 116 Mt über dem anvisierten Ziel von 750 Mt CO2e. Am langfristigen Trend ändert die vorübergehende, primär witterungsbedingte Verbesserung aus dem letzten Jahr nichts: Laufen die Emissionseinsparungen im gleichen Tempo weiter wie im vergangenen Jahrzehnt, werden die CO2e-Ziele für 2020 erst acht Jahre später erreicht und die Ziele für 2030 sogar erst 2046. Der schleppende Fortschritt spiegelt sich auch im Energiewende-Index wider: Der CO2e-Ausstoß kam seit Beginn der Erhebung zu keinem Zeitpunkt auf 100 % Zielerreichung; aktuell liegt er bei 61 %. Die Indikatoren für Primärenergieverbrauch und Stromverbrauch weisen ebenfalls niedrige Werte von 57 % bzw. 39 % auf und machen damit eine Zielerreichung bis 2020 unrealistisch. Der Indikator Stromverbrauch verzeichnet bereits seit 2014 einen negativen Trend (Abb. 1). Hauptgrund hierfür ist, dass bisher fast ausschließlich der Stromsektor zu den CO2e-Einsparungen beiträgt. Emissionsreduzierend wirkten hier vor allem der Ausbau der erneuerbaren Energien, aber auch die Abschaltung älterer, konventioneller Kraftwerke sowie die Bepreisung von CO2 im Rahmen des europäischen Zertifikatehandels. Im ersten Halbjahr 2019 lagen die Emissionen im Stromsektor rund 15 % unter dem Vorjahreszeitraum, was laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vor allem auf die Rekorderzeugung aus erneuerbaren Energien, den gestiegenen CO2-Preis und die milde Witterung zurückzuführen ist. Beim Indikator Stromerzeugung aus Erneuerbaren ist das für 2020 anvisierte Ziel von 35 % Anteil am Bruttostromverbrauch bereits seit 2016 überschritten; aktuell zeigt der Indikator einen Zielerreichungsgrad von 144 %. Bisher ist es allerdings nicht gelungen, die Erfolge aus dem Stromsektor auf Verkehr, Wärme und Industrie zu übertragen: Im Verkehrssektor stiegen die Emissionen seit 2012 von 153 Mt auf 162 Mt CO2e (+6 %). Hier sorgte allein schon die Zunahme des Pkw-Verkehrs (+5 %) trotz geringerer Emissionen pro gefahrenem Kilometer (-3 %) unter dem Strich für eine negative Bilanz. In der Industrie erhöhte sich der CO2e-Ausstoß von 180 Mt auf 196 Mt (+9 %). Im Wärmesektor konnten die Emissionen lediglich um 10% von 130 Mt auf 117 Mt CO2e reduziert werden. Um den CO2e-Ausstoß substanziell zu senken, bedarf es neben weiteren Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz vor allem einer stärkeren Sektorkopplung – also einer umfassenden Elektrifizierung der Bereiche Verkehr, Wärme und Industrie. Nur so können auch diese Sektoren von der CO2e-freien Energieerzeugung durch Wind- und Solar- Anlagen profitieren. Im Energiewende-Index bleibt der Indikator Sektorkopplung jedoch mangels klar formulierter übergeordneter Ziele bislang ohne quantitative Bewertung.

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