Stromsektor als Motor der Dekarbonisierung

Abbildung 2 zur Thematik Elektrifizierung durch Dekarbonisierung

Abb. 2 Umwelt- und Klimaschutz, Wertung H1 2018 und H2 2018

Durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die Abschaltung älterer konventioneller Kraftwerke hat der deutsche Stromsektor seine CO2e-Emissionen seit 1990 überproportional zu anderen Sektoren senken können, nämlich um 29,2 %. Über alle Sektoren hinweg reduzierten sich die Treibhausgasemissionen lediglich um 25,9 %. Hauptursächlich für die gute Emissionsbilanz des Stromsektors war der Ausbau der Erneuerbaren, unterstützt durch den EU-Emissionshandel. Hinzu kommt, dass die Kosten für die Erzeugung aus Erneuerbaren seit 2010 massiv gefallen sind (Onshore Wind: -58 %, Offshore Wind: -38 %, Solar PV: -83 %). Damit ist der technologische und ökonomische Weg für eine emissionsarme Erzeugung des Energieträgers Strom geebnet.

Dieser Trend wird sich aus zwei Gründen fortsetzen. Zum einen wegen der weiter fallenden Kosten der Erneuerbaren: Einschlägige Institutionen wie Bloomberg New Energy Finance und auch die für eher konservative Abschätzungen bekannte International Energy Agency rechnen bis 2040 mit etwa 2 bis 4 % pro Jahr. Zum anderen aufgrund ambitionierter Ziele für den weiteren Ausbau der Erneuerbaren: Bis 2050 sollen sie 80 % der deutschen Stromversorgung decken – im Gegenzug zum Ausstieg aus der Kohleverstromung. Eine vergleichbare Perspektive auf die künftige Emissionsfreiheit von Öl und Gas, den zentralen Energieträgern im Verkehrs- und Gebäudesektor, gibt es derzeit nicht.

Elektrifizierung weiterer Sektoren als Chance

Aufgrund seiner besseren Emissionsbilanz ist der Stromsektor nicht nur zum Fokusthema der Energiewende geworden – er könnte auch zur treibenden Kraft für eine stärkere CO2e-Reduktion in anderen Sektoren werden. Die Analysen, die McKinsey im Rahmen der Eurelectric-Studie „Decarbonisation pathways“ durchgeführt hat, zeigen, wie hoch das Dekarbonisierungspotenzial durch Elektrifizierung ist. Ausgangsfrage der Untersuchung war, wie der Stromsektor die Dekarbonisierung in Europa unterstützen kann. In drei Elektrifizierungsszenarien, die für das Jahr 2050 im EU-Raum entworfen wurden, geht die Studie in den wichtigsten energieverbrauchenden Sektoren Transport/Verkehr, Gebäude/Wärme und Industrie von einer Dekarbonisierung von 80, 90 und 95 % aus.

Dies setzt allerdings eine drastisch höhere Elektrifizierungsrate des Energieverbrauchs in allen Sektoren voraus. Diese beträgt derzeit (Stand 2017) gerade einmal 22 % – 2 % im Verkehrssektor, 33 % im Gebäudesektor und 34 % im Industriesektor – hier schlummert noch erhebliches Potenzial. Um die CO2e-Emissionen bis 2050 um 95 % zu senken, müsste sich die Elektrifizierung auf 60 % erhöhen, gepaart mit einer weiteren Steigerung der Energieeffizienz und indirekten Effekten aus der Elektrifizierung. Eine Reduzierung des CO2e-Ausstoßes um 80 % erfordert immer noch eine Steigerung der Elektrifizierungsrate auf 38 %. Getrieben würde die Entwicklung der Analyse zufolge in erster Linie vom Verkehrssektor, der im Zuge wachsender E-Mobilität den größten Beitrag liefern würde(Abb. 4).

Eine stärkere Elektrifizierung der einzelnen Wirtschaftszweige verbessert nicht nur die Emissionsbilanzen in den Sektoren selbst; sie senkt auch den CO2e-Ausstoß insgesamt. Daher liegt den von Eurelectric entworfenen Szenarien eine ambitionierte Annahme zur Steigerung der Energieeffizienz von 2,0 % bis 2,8 % pro Jahr zugrunde. Ein Drittel davon ist getrieben von der höheren Effizienz der elektrischen Anlagen. Zum Beispiel benötigen elektrische Antriebe von E-Autos im Vergleich zu konventionellen lediglich ein Drittel bis ein Viertel der Energie. Zusätzlich profitieren alle von den weiter sinkenden Emissionen der Stromerzeugung.

Beide Effekte können auf die Dauer zu deutlichen CO2e-Einsparungen führen. So verursacht ein E-Auto, das mit dem durchschnittlichen europäischen Strommix 2018 geladen wird, ca. 50 g CO2e-Emissionen pro gefahrenem Kilometer (km). Der durchschnittliche CO2e -Ausstoß von EU-Neuwagen hingegen betrug 2017 noch 118,5 g pro km. Jeder elektrisch angetriebene Neuwagen hat nach dieser Rechnung bereits heute ca. 60 % weniger Emissionen als ein neuer Verbrenner – und seine Emissionsbilanz verbessert sich im Laufe der Fahrzeugnutzung durch die fortschreitende Dekarbonisierung der Stromerzeugung kontinuierlich weiter.

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