Bild zum Thema: Grundlinien rationaler Klimapolitik

Von Tatenlosigkeit der vergangenen Jahre kann angesichts der vielen, in die Energiewende investierten Milliarden keine Rede sein. Kritikwürdig ist indes die Erfolglosigkeit dieser Politik (Bild: Adobe Stock)

Handeln unter Unsicherheit – Risikobereitschaft als politische Kategorie

Eine rationale Klimapolitik fußt – genau wie eine rationale Wirtschaftspolitik – auf Daten und wissenschaftlichen Modellen, die naturgemäß unvollkommen sind und daher fortlaufend überprüft werden müssen. Das gilt insbesondere dann, wenn politische Eingriffe (oder ihre Verhinderung) maßgeblich mit Simulationsrechnungen begründet werden. Es wäre fahrlässig, gerade in einem so wichtigen Feld wie der Klimapolitik die Kultur des Widerspruchs einzuengen, von der sowohl die Wissenschaft als auch die Demokratie leben.

Gerade wenn man Politik auf wissenschaftliche Evidenz stützen möchte, sollte methodische Kritik nicht abgelehnt, sondern begrüßt werden – nur so lässt sich die Ergebnisoffenheit des Diskurses wahren, aus der die Wissenschaft letztlich ihre Autorität zieht. Oder, um es mit dem US-amerikanischen Soziologen Robert Merton zu sagen: Wissenschaft ist organisierte Skepsis.

Daraus folgt nicht, dass politische Tatenlosigkeit allein mit wissenschaftlichem Zweifel begründet werden kann – dann kämen wir nie zum Handeln. Es darf aber nicht übersehen werden, dass menschliches Tun zwangsläufig spekulativ ist, denn es basiert auf unvollkommenem Wissen und betrifft eine unsichere Zukunft. Die Beurteilung von Handlungsoptionen hängt damit immer auch von der Wahrscheinlichkeit ab, mit der ein Erfolg des Handelns erwartet wird. Die damit verbundene gesellschaftliche Risikobereitschaft muss im politischen Raum geklärt werden, die Wissenschaft kann solche Fragen nicht objektiv entscheiden.

Es tut der Debatte nicht gut, wenn politische Präferenzen die Deutungshoheit über wissenschaftliche Erkenntnisse reklamieren und so Erkenntnisse durch Bekenntnisse ersetzt werden. Denn gute Absichten allein reichen nicht aus. Damit sie auch zu guten Ergebnissen führen, ist insbesondere kritisch zu hinterfragen, ob bestimmte Klimaschutzmaßnahmen tatsächlich dem Vorhaben dienen, den nachfolgenden Generationen ein Leben in Würde zu ermöglichen, oder ob sie vielmehr darauf abzielen, der gegenwärtigen Generation ein reines Gewissen zu verschaffen.

Das Weltklima kann nur in dem Maße zum Ziel wirtschaftlichen Handelns werden, wie der Mensch die weitere Erderwärmung aufzuhalten in der Lage ist. Andernfalls ist das Klima Teil der Umweltbedingungen, an die wir uns wohl oder übel anpassen müssen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Mensch für die bereits eingetretene Erwärmung verantwortlich ist, sondern darauf, ob er eine zukünftige Erwärmung verhindern kann. Das eine impliziert nicht das andere.

Die Bedingung ist, dass die Menschen Wege finden, die Mittel, die ihnen prinzipiell zur Verfügung stehen, auch tatsächlich einzusetzen. Der Kölner Ökonom Axel Ockenfels hat dies zu Recht als das größte Koordinationsproblem der Menschheitsgeschichte bezeichnet. Ob es gelöst werden kann, ist nicht ausgemacht.

Vermeidungs- und Anpassungskosten in den Blick nehmen

Eine verantwortungsvolle Klimapolitik darf ihren Ausgangspunkt daher nicht erst bei Maßnahmen zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen nehmen, weil dies den Handlungsspielraum zu sehr einschränkt. Vielmehr besteht die grundsätzliche Alternative darin, den Temperaturanstieg aufzuhalten oder sich an höhere Temperaturen anzupassen. Der Begriff der „Klimarettung“ ist insofern irreführend, als er den Eindruck entstehen lässt, es gehe um eine Alles-oder-nichts-Entscheidung, mit der das Klima – und mit ihm die Menschheit – entweder gerettet wird oder untergeht.

Tatsächlich gibt es ein Kontinuum von Möglichkeiten, wie Klimapolitik gestaltet werden kann. Jeder Zielpunkt im Temperaturspektrum geht dabei mit einer spezifischen Kombination aus Vermeidung und Anpassung einher. Die Kosten der Vermeidung und der Anpassung – gemeint sind in beiden Fällen Nettogrößen, also abzüglich möglicher positiver Nebeneffekte – müssen dementsprechend gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen werden. Denn auch in der Klimapolitik kann jeder Euro nur einmal ausgegeben werden. Somit ist jede Entscheidung für eine Vermeidungsmaßnahme immer auch eine Entscheidung gegen eine Anpassungsmaßnahme und umgekehrt. Liefe etwa eine bestimmte Vermeidungsstrategie erkennbar ins Leere, wäre ihre Befürwortung widersinnig.

Die Bewertung der verschiedenen Kostenkomponenten ist äußerst schwierig. Das aber macht sie nicht weniger wichtig. Gerade weil beide Varianten stark in das Wirtschaftsgeschehen eingreifen, sind sie so schwer zu beziffern. Die optimale Klimapolitik kann daher auch nicht allein naturwissenschaftlich begründet werden, sondern muss Alternativen bewerten – und bewerten kann nur der Mensch.

Weil die jeweiligen Kosten für das Abwägen zwischen Anpassung und Vermeidung zentral sind, sollten in beiden Fällen die jeweils günstigsten Maßnahmen für einen Vergleich zum Zuge kommen. Wählt man etwa für die Vermeidungsstrategie unnötig aufwendige Mittel, verschiebt sich das Kalkül unweigerlich in Richtung Anpassungsstrategie.

Bepreisung von Emissionen über Steuern oder Zertifikate

Die Hauptschwierigkeit besteht darin, dass niemand die günstigsten Vermeidungswege kennt. Diese müssen daher erst über Marktprozesse entdeckt werden. Die dringend benötigten Informations- und Anreizaufgaben übernehmen dabei Preissignale für sämtliche Aktivitäten, die das Klima beeinflussen.

Im Falle von CO2-Emissionen kann ein solcher Mechanismus grundsätzlich sowohl über eine Steuer als auch über Zertifikate erreicht werden. Weil weder der Steuersatz noch die Zertifikatemenge unveränderlich sind, kommt in beiden Verfahren das Abwägen zwischen Anpassung und Vermeidung zum Ausdruck. Die Steuerlösung versucht die Grenzvermeidungskosten abzuschätzen, also den marginalen Wohlstandsverzicht, den man für eine verträgliche Gesamtemission zu tragen bereit ist. Die Zertifikatelösung definiert hingegen die akzeptable Gesamtemission und überlässt die Bepreisung dem Markt.

Je mehr man von einer naturwissenschaftlich definierbaren Obergrenze für den anthropogenen Ausstoß von CO2 überzeugt ist, desto stärker sollte man zur Zertifikatelösung greifen. Diese sorgt dafür, dass die Emissionsziele umgesetzt werden, und zwar „koste es, was es wolle“. Genau hier liegt der Knackpunkt: ambitionierte Klimaziele könnten schnell sehr teuer werden, erhebliche Preisschwankungen auslösen und Deutschland in eine selbsterzeugte Anpassungsrezession stürzen, deren Dauer und politische Konsequenzen niemand vorhersagen kann.

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