Klimapolitik der großen Koalition: Umstrittenes Klimapaket mit großer Geschwindigkeit und einer Vielzahl von Gesetzen durchs Kabinett und in den Bundestag.

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Da tut Zuspruch von außen gut. Das umso mehr, wenn er von so wichtiger Stelle wie dem Internationalen Währungsfonds (IWF) kommt. Dessen neue Direktorin, Kristalina Georgieva, nutzte die Herbsttagung von IWF und Weltbank, für eine kleine Lobrede. Das deutsche Klimaprogramm sei ein „bedeutsamer Schub“. Doch der Zusatz „für Investitionen“ vergiftet das Lob dann wieder ein wenig. Denn Georgieva geht es nicht ums Klima, sondern um die öffentlichen Investitionen Deutschlands. Die fallen dem IWF und anderen seit Jahren viel zu gering aus. Es sei „sehr positiv“, dass Länder wie Deutschland mit fiskalischen Spielräumen neue Maßnahmen ergriffen, „um die Wirtschaft zu stimulieren“, sagte Georgivea. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte sich zuvor in Washington von der internationalen Bedrängung, mehr Geld auszugeben, mit dem Hinweis zu befreien versucht, Deutschland werde bis 2030 an die 150 Milliarden Euro in den Klimaschutz investieren, davon 54 Milliarden in den nächsten fünf Jahren.

Fest des Ordnungsrechts

Den Rahmen für dieses Fest des Ordnungsrechts erarbeitet die gut geölte Berliner Ministerialbürokratie. Rechtskundige hatten aus den klimapolitischen Beschlüssen der Koalition herausgearbeitet, dass mehr als fünf Dutzend Gesetze und Verordnungen neu gefasst oder geändert, auf jeden Fall vom Bundestag und (die meisten vom) Bundesrat beschlossen werden müssten. Ein markantes Zeichen für den hundsmiserablen Zustand im zweiten Jahr der dritten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bleibt indes, dass dem Kabinett (ohne die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD) die Kraft und das Obligo für wichtige Beschlüsse fehlt. Selbst wenn es nur um die Selbstvergewisserung geht, dass jene Klimagesetze, die bis Ende Oktober im Kabinett beraten wurden, bis Ende des Jahres beschlossen sein sollen. Schon bisher war ein verkürztes Verfahren geplant, Gesetze sollen parallel in Bundestag und Bundesrat eingebracht werden.

Bis Mitte Oktober hatte die Ministerrunde schon wichtige Teile des Klimapakets beschlossen. Dazu gehörten finanzwirksame Dinge wie höhere Steuern auf Flugtickets. Die werden, mehrfach nachgeschärft, auf kurzen Distanzen um 13,03 Euro, auf den längeren um 33,01 Euro und 59,43 Euro teurer. Das bringt dem Fiskus 740 Millionen Euro, zunächst war nur von 500 Millionen Euro die Rede. Das als umweltfreundlich geltende Bahnfahren soll ein Zehntel billiger werden, weil auf Bahntickets nur noch der verminderte Umsatzsteuersatz von 7 Prozent erhoben wird. Die Pendlerpauschale soll um 5 Cent auf 35 Cent je Kilometer, die Zuschüsse und steuerlichen Abschreibungen für klimafreundliches Renovieren steigen.

In einem weiteren Gesetzentwurf über ein nationales Emissionshandelssystem für Brennstoffemissionen wird erstmals in Deutschland eine Abgabe auf den Kohlendioxidausstoß im Verkehrs- und Gebäudesektor eingeführt. 2021 soll eine Abgabe von zehn Euro auf die Tonne CO2 erhoben werden, das würde Benzin und Diesel um die drei Cent pro Liter teurer machen. Bis zum Jahre 2025 soll sie auf 35 Euro klettern. Hernach soll der Handel freigegeben, aber auf 60 Euro die Tonne gedeckelt werden. Ganz nach dem Motto, die Wähler zwar zu waschen, ihnen aber den Pelz nicht nass zu machen, gibt es viel klimapolitisches Zuckerbrot und wenig Peitsche. Selbst für das vollmundig angekündigte Verbot des Betriebs von Ölheizungen ab dem Jahre 2026 sieht der eilends vorgelegte Gesetzentwurf „zur Vereinheitlichung des Energiesparrechts für Gebäude“ großzügige Ausnahmen vor.

Trotz vielfältiger Kritik – nicht nur jener, den Berliner Straßenverkehr über Tage lahmlegenden Aktivisten der „Extinction Rebellion“ –, hatte das Kabinett zuvor das Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. Darin wird die Minderung des Kohlendioxidausstoßes um 55 Prozent bis 2030 gegenüber 1990 festgeschrieben. Den Sektoren Verkehr, Gebäude, Industrie, Energie und Landwirtschaft werden dafür jährliche Obergrenzen ihrer Emissionen zugeordnet. Die jeweiligen Fachministerien müssen darüber wachen, dass die Ziele eingehalten werden. Auch sie erhalten in Gestalt einer „Unabhängigen Expertenkommission“ einen Klimaaufpasser, der kontrolliert, ob die notwendigen Fortschritte gemacht werden. Ein 173 Seiten umfassendes Klimaschutzprogramm beschreibt zudem, mit welchen Methoden und Mitteln das 2030-Ziel erreicht werden soll.

Stromkosten: Preiszug fährt in die bekannte Richtung

Viel war in den Monaten vor dem Beschluss über die neuen Regen der Klimapolitik die Rede davon, dass Elektrizität billiger, die vielen Umlagen gesenkt oder anders finanziert werden müssten. Das wird jetzt auch in Aussicht gestellt – für später. Aktuell fährt der Preiszug jedoch erst einmal in die bekannte Richtung, nach oben. Die Netzumlage steigt für das Übertragungsnetz um bis zu 15 Prozent (vor allem im Westen), die Umlage zur Finanzierung der Grünstromerzeugung bundesweit um 5,5 Prozent. Das haben die Netzbetreiber im Benehmen mit Bundesregierung und Bundesnetzagentur Mitte Oktober bekannt gegeben. Demnach steigt die EEG-Umlage ab Januar 2020 um 0,35 Cent je Kilowattstunde auf dann 6,756 Cent. Sie liegt damit wieder auf dem historisch hohen Niveau der Jahre 2017 und 2018. Mit 33,6 Milliarden Euro erreicht der Zahlungsanspruch der Betreiber von Grünstrom-Anlagen ein neues Rekordniveau. Bei kalkulierten Einnahmen aus dem Börsenverkauf von neun Milliarden Euro bleiben bei den Stromverbrauchern knapp 25 Milliarden Euro hängen. Der Weg zur vielgepriesenen Elektrifizierung von Wirtschaft und Gesellschaft bleibt mit Stolpersteinen übersät.

Andreas Mihm mit dem Bericht aus Berlin zur deutschen Klimapolitik in der aktuellen "et“

Zur „et“ 11/2019

„et-Redaktion

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