Symbolbild zum Thema: Leistungsgebundene Infrastruktur für Wasserstoff

Mit Fortschreiten der Energiewende wird Wasserstoff zunehmend bedeutsam (Bild: Adobe Stock)

Technischer Hintergrund

Wasserstoff wird seit Jahrzehnten in zahlreichen Industrieprozessen verwendet [1], etwa für die Herstellung von Ammoniak für Stickstoffdünger oder die Raffinierung von Erdölprodukten. Ein Nischendasein führt Wasserstoff (noch) als Energieträger. In Zukunft soll vor allem aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff fossile Energieträger in zentralen Wirtschaftsbereichen wie im Mobilitätssektor und in der Wärmeversorgung substituieren [2].

Im gasförmigen Zustand verfügt Wasserstoff stets über dieselbe Zusammensetzung (H2). Um die Herkunft des Wasserstoffs und den angewandten Gewinnungsprozess zu kennzeichnen, hat sich eine „Wasserstoff-Farbenlehre“ herausgebildet [3]. Grauer Wasserstoff wird aus fossilen Brennstoffen gewonnen, grüner Wasserstoff entsteht treibhausgasneutral aus Biomasse und erneuerbaren Energien. Als blauer Wasserstoff wird der aus fossilen Brennstoffen gewonnene Wasserstoff bezeichnet, dessen Kohlenstoffdioxid bei der Entstehung abgeschieden und entweder dauerhaft gespeichert (sog. Carbon Capture and Storage, „CCS“) oder durch Einlagerung in chemische Substanzen (sog. Carbon Capture and Usage, „CCU“) wiederverwendet wird. Unter türkisen Wasserstoff wird schließ- lich der über die thermische Spaltung von Methan generierte Wasserstoff subsumiert.

Mit Fortschreiten der Energiewende wird Wasserstoff angesichts seiner Speicher- und Transportfähigkeit zunehmend bedeutsam. Mithilfe von Sektorkopplung und Power-to-Gas-Verfahren [4] kann zukünftig erneuerbare Energie in Wasserstoff umgewandelt und durch die bestehenden Fernleitungs- und Verteilernetze trans- portiert oder in hieran angeschlossenen Untergrundspeichern saisonal gespeichert werden. Ein Großteil der bestehenden Erd- gasnetzinfrastruktur ist zur Durchleitung von Wasserstoff geeignet. Aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften von Wasserstoff und Erdgas sind allerdings Umrüstung und Ertüchtigungen der Erdgasnetze erforderlich [5].

Politischer Hintergrund

Auf europäischer Ebene findet eine lebhafte Debatte über die Förderung und künftige Einbindung von Wasserstoff in den Energiebinnenmarkt statt. Bereits im September 2018 haben Vertreter aus Politik und Wirtschaft den Zusammenschluss zu einer europäischen Wasserstoffinitiative („Hydrogen Initiative“) [6] verkündet, die erste Grundzüge einer europäischen Wasserstoffstrategie erkennen lässt. Im Januar 2020 billigte das EU-Parlament [7] den von der EU- Kommission Ende 2019 vorgestellten „Grünen Deal“ [8]. Kernstück des Grünen Deals ist ein europäisches Klimagesetz [9], das die Klimaneutralität bis 2050 als verbindliche Zielvorgabe festlegen soll.

Im März 2020 veröffentlichte die EU-Kommission zudem eine „Neue Industriestrategie für Europa“ [10] mit dem Ziel, die europäische Industrie beim Übergang zur Klimaneutralität und zur Digitalisierung zu unterstützen. Bestandteil dieser Strategie ist eine „intelligente Sektorenintegration“, bei der „sauberem“ Wasserstoff eine zentrale Rolle zukommen soll [11].

Im Zuge der politischen Entwicklungen auf europäischer Ebene gab die Bundesregierung im Oktober 2019 das Klimaschutzprogramm 2030 bekannt, dessen Bestandteil eine „Nationale Wasserstoffstrategie“ ist [12]. Hauptziel des Klimaschutzprogramms ist, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % gegenüber dem Jahr 1990 zu senken. In Anbetracht der sektorübergreifenden Zusammenhänge misst die Bundesregierung insbesondere dem „grünen“ Wasserstoff eine zentrale Bedeutung beim „Umbau der Wirtschaft“ zu [13]. Im Entwurf einer „Nationalen Wasserstoffstrategie“ [14] werden die notwendigen Schritte beschrieben, um die Vorreiterrolle deutscher Unternehmen im Bereich der Wasserstofftechnologien aus- zubauen, neue Wertschöpfungsketten für die deutsche Wirtschaft zu schaffen und zur Erreichung der Klimaziele beizutragen [15]. Kernstück der Nationalen Wasserstoffstrategie ist ein 35 Maßnahmen um- fassender Aktionsplan, mit dem bis 2023 der Markthochlauf für einen funktionierenden „Heimatmarkt“ angestoßen werden soll [16].

Mit Blick auf die Erzeugung von Wasserstoff sieht der Aktionsplan eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien vor. Dabei werden u.a. Möglichkeiten für neue Geschäfts- und Kooperationsmodelle von Betreibern von Elektrolyseuren mit Strom- und Gasnetzbetreibern betrachtet [17]. Um die Potenziale von Wasserstoff optimal zu nutzen, ist aus Sicht der Bundesregierung darüber hinaus die Transport- und Verteilungsinfrastruktur in Deutschland weiterzuentwickeln und auszubauen [18]. Es könnten sowohl Teile der vorhandenen Gasinfrastruktur für Wasserstoff genutzt, als auch neue Netze zum ausschließlichen Wasserstofftransport errichtet werden. Einen weiteren Bestandteil des Aktionsplans bildet die – nicht näher ausgeführte – Anpassung des nationalen Rechtsrahmens für eine verbesserte Koordination von Strom-, Gas- und Wärmeinfrastruktur [19].

Die konkrete Umsetzung dieser politischen Zielsetzungen ist mit mehreren rechtlichen Fragen verbunden. Im Vordergrund der Diskussion steht aktuell die Frage, inwieweit Fernleitungsnetzbetreiber unter dem Regulierungsrahmen des EnWG berechtigt sind, Wasserstoff in reiner Form und nicht nur als rudimentären Anteil von Gasgemischen durch ihre Netze zu transportieren. Dies setzt Umrüstungsmaßnahmen vor- aus, die eine Umstellung von Erdgasnetzen in reine Wasserstoffnetze gestatten. Die Bundesnetzagentur erachtet die Errichtung von reinen, dem EnWG unterfallenden regulierten Wasserstoff-Fernleitungsnetzen in Anlehnung an den Wortlaut von § 3 Nr. 5 EnWG als unzulässig [20].

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