Die westliche Abhängigkeit von Rohstoffländern

Abbildung 4 zum Thema deutsche Rohstoffversorgungssicherheit - Abb. 4: Rohstoffmix bei Lithium-Ionen-Batterien

Abb. 4: Rohstoffmix bei Lithium-Ionen-Batterien (Quelle: GIS 2019)

Je stärker die westlichen Staaten künftig abhängig werden von politisch instabilen Rohstoff­förderländern in Afrika, Asien und Lateinamerika, umso mehr wird sich zudem die westliche Auf­merk­samkeit auf eine ethische, soziale und umweltpolitisch nachhaltige Rohstoffförderung und somit auf die problematischen Standards in diesen Ländern verstärken. Zwar gibt es auch hierbei eine Vielzahl internationaler Standards (wie die Zertifizierungs­systeme der „OECD Due Diligence Gui­dance“ oder die freiwillige „Extractive Industries Transparency Initiative/EITI“), die zunehmend von westlichen Ländern und Unternehmen eingefordert und beachtet werden. Doch stehen sie in einer immer stärker werdenden Konkurrenz zu politisch autokratischen Ländern (wie Chinas Staatsunternehmen), die sie aus den Rohstoffmärkten verdrängen und so deren Rohstoffversorgungssicherheit gefährden, ohne dass vergleichbare westliche Sozial- und Umweltstandards eingeführt und beachtet werden.

Zudem bringt der stark ansteigende Rohstoffbedarf zahlreiche umwelt- und klimapolitische Herausforderungen mit sich, da von der Exploration und Produktion bis hin zur Verarbeitung der Rohstoffe für die neuen Technologien die CO2-Emissionen (wie z.B. bei der Batterieproduktion) ebenfalls ansteigen werden. Der Einsatz von erneuerbaren Energien (EE)- und anderer moderner Technologien zur Emissionsminderung hat erst begonnen. Diese wird jedoch bisher von der steigenden weltweiten Rohstoffnachfrage der materialintensiveren neuen Hightech-Industrien weit übertroffen, die wiederum von wenig energieeffizienten Rohstoffförderländern mit dort steigendem fossilen Energieverbrauch und Emissionen abhängig sind. 

Die deutlich größere materialintensive Verwendung von KR, vor der die Weltbank ausdrücklich in einer Studie von 2017 gewarnt hatte, wurde auch durch einen Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEP) im selben Jahr bestätigt. Demnach würden bis 2050 bei dem anvisierten 2°C-Ziel der globalen Klimaschutzpolitik die Low Carbon-Technologien rund 600 Mio. t mehr an metallischen Rohstoffen benötigen als bei einem 6°C-Ziel, obwohl gleichzeitig 200 Mrd. m3 weniger Wasser und fast 150.000 km2 weniger Land weltweit benötigt würden. Auch die folgenden Beispiele zeigen den global steigenden Rohstoffbedarf auf:

  • Ein Handy enthält mehr als 40-70 unterschiedliche Rohstoffe (wie SE, Kobalt, Gallium und Platinum).
  • In der EU produzierte in 2012 jeder Bürger jährlich rund 17 kg an Elektroschrott, der auf 24 kg bis 2020 anwachsen wird.
  • Jedes Hybrid- und Elektroauto benötigt rund 1-3 kg an Magneten basierend auf rund 33 % aus SE-Oxiden.
  • Ein klassischer Benzin- und Dieselmotor enthält etwa 20 kg Kupfer. Ein Hybridauto benötigt bereits 40-60 kg und ein reines Elektroauto mehr als 80 kg Kupfer.
  • Während in 2018 rund 23 % der permanentmagnetisch angetriebenen Directive-Drive-Windturbinen SE-Magnete nutzen, wird dieser Anteil bis 2030 auf 72 % ansteigen. Während dabei die Verwendung der SE Dysprosium (13-29 kg/MW pro Anlage) sich eher verringern dürfte, wird die Verwendung der SE Neodym (194-201 kg/MW) stark ansteigen.
  • Die globale Expansion von Wind- und Solaranlagen benötigt bis zu 5mal so viel Kupfer wie konventionelle Technologen basierend auf fossilen Brennstoffen. Die gesamte Erzeugung von Strom durch EE soll sogar 30-40mal so Kupfer-intensiv sein wie jene mit Kohle- und Gaskraftwerken.

Doch während bei Elektroautos (Abb. 4) mit ihren Batterien oder bei Windkraft- sowie Solaranlagen der zukünftige Bedarf an KR prognostiziert werden kann, ist dies bei den zahlreich unterschiedlichen und häufig noch in der Entwicklung befindlichen Technologien der Digitalisierung, Robotik und KI kaum vergleichbar möglich. Dies erschwert nicht nur die Analyse möglicher zukünftiger Versorgungsrisiken, sondern auch die rechtzeitige Erschließung neuer Minen mit einer Vorlaufzeit von weltweit durchschnittlich mehr als sieben Jahren, bevor diese ihre Produktion aufnehmen können.

Während einerseits die traditionellen geopolitischen Lieferrisiken bei Öl- und Gasressourcen durch den Ausbau der EE abnehmen, verstärken sich die noch vielfach unterschätzten Versorgungsrisiken bei KR. Bei einigen dieser KR (wie bei schweren SE) liegen diese sogar deutlich höher als bei Öl- und Gasressourcen. Während die Märkte dieser Spezialmetalle vergleichsweise eher klein sind und die Gewinnung zumeist als Beiprodukt im Zuge der Minenförderung von anderen Industriemetallen (wie Aluminium, Kupfer oder Zink) erfolgt, reagieren die Märkte auf kurz- und mittelfristige Nachfragesprünge weniger flexibel und daher für akute Rohstofflieferengpässe und volatile Preisentwicklungen wesentlich anfälliger.

Zudem besteht bei der Förderung der „Batterierohstoffe“ (wie Lithium, Kobalt und schweren SE) sowie ihren Zwischenprodukten eine hohe Angebotskonzentration. Auch diese erfolgt oft in Ländern mit erhöhten politischen Lieferrisiken wie die folgenden Beispiele zeigen:

  • Seltene Erden: Während die Förderung der SE von 2010 bis 2016 eher stagnierte und nur leicht anstieg, nahm die weltweite Produktion von 2017 auf 2018 mit fast 29 % innerhalb eines Jahres von 132.000 t auf 170.000 t zu. Das faktische Fördermonopol Chinas bei SE von 97 % in 2010 nahm auf 80-85 % in 2017 und 71 % in 2018 ab, nachdem sowohl die US-Mountain Pass-Mine wieder ihren Förderbetrieb in 2018 aufgenommen und auch die australische Mount Weld-Mine mit ihrer Produktion begonnen hat. Allerdings schließt die offizielle Förderung der SE in China mit 120.000 t in 2018 nicht die illegale Förderung mit ein. Insgesamt wird die gesamte legale und illegale Förderung der SE in China in 2018 auf bis zu 180.000 t geschätzt. Gleichzeitig verarbeitet China 90 % der weltweit geförderten SE zu Zwischen- oder Endprodukten. Zudem haben sich viele diskutierte oder geplante neue Minenprojekte außerhalb Chinas als nicht profitabel genug erwiesen. So sollen weniger als fünf Projekte von rund 400 Start-up Projekten von SE zwischen 2012 bis 2018 realisiert worden sein.
     
  • Lithium: Nach Prognosen von Experten benötigt der Bau von 140 Mio. Elektroautos bis 2030 jährlich zusätzlich rund 3 Mio.t Kupfer, 1,3 Mio.t. Nickel und über 263.000 t Kobalt. Die weltweite Lithium-Nach­frage könnte auf bis zu 785.000 t bis 2030 ansteigen, die schon kurzfristig eine Unterversorgung von 26.000 t zur Fol­ge haben könnte. Unterdessen hat die chinesische Kontrolle über die weltweite Lithium-Batterie­pro­duk­tion von 50 % in 2013 auf 60 % im April 2019 zugenommen.
     
  • Kobalt: Die weltweite Nachfrage nach Kobalt bei der Elektromobilität dürfte von 46.000 t in 2016 auf 76.000 t in 2020 und mehr als 90.000 t in 2030 zunehmen. Insgesamt könnte sich die weltweite Nachfrage nach Kobalt auch aufgrund anderer Technologien von 100.000 t in 2017 auf rund 300.000 t bis 2030 erhöhen. Die globale Kobaltversorgung gilt als besonders problematisch, da diese zu fast 60 % aus der politisch instabilen Demokratischen Republik Kongo (DRK) erfolgt, die von gewalttätigen Konflikten, politischer Instabilität, schlechtem Regierungshandeln und ausufernder Korruption geplagt ist. Während neue Anstrengungen zur Erschließung von Kobaltminen außerhalb der DRC forciert werden, so sind derartige Projekte noch Jahre von einer Realisierung entfernt. Eine schnellere Umsetzung von neuen Minenprojekten scheitert häufig auch an den internationalen Forderungen nach mehr Transparenz und einer nachhaltigen Förderung unter Beachtung ethischer und umweltpolitischer Standards. Gleichzeitig kontrollieren chinesische Unternehmen derzeit auch 80 % der globalen Kobalt-Raffinadeproduktion.
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