Das Gassystem ist Teil der Lösung

Abb. 1 zum Thema Sektorkopplung

Abb. 1: Saisonaler Gasbedarf gegenüber (nahezu) konstantem Strombedarf, 2017
(Quelle: Frontier Economics basierend auf der IEA-Statistik und der ENTSO-E Transparenzplattform)
Hinweis: Die Analyse umfasst Daten für Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, die Niederlande, Schweden, Schweiz und die Tschechische Republik. Das MaxMin-Verhältnis ist das Verhältnis zwischen dem Monat mit dem höchsten Bedarf (im Januar) und dem Monat mit dem geringsten Bedarf (August) an Gas bzw. Strom innerhalb eines Jahres.

Mehrere Studien zeigen jüngst, dass das bestehende Gassystem erheblich dazu beitragen kann, den drei oben genannten zentralen Herausforderungen zu günstigen Gesamtsystemkosten zu begegnen:

  • Produktion: CO2-arme Gase können direkt aus Primärquellen gewonnen werden wie zum Beispiel als Biogas. Jedoch ist das Potenzial dieser Gase ungewiss und könnte letztendlich durch die Verfügbarkeit von Biorohstoffen bzw. die öffentliche Akzeptanz begrenzt sein.  Ein weiterer Weg ist die Nutzung von fossilen Quellen in Verbindung mit Carbon Capture und der Nutzung und/oder Speicherung von CO2, wie z.B. die Gewinnung von Wasserstoff über Dampfreformation aus Erdgas. Allerdings sind auch hier sowohl die großtechnische Anwendung als auch die klimapolitische und soziale Akzeptanz noch nicht vollständig absehbar. Die eingeschränkte Akzeptanz für mittels Elektrolyse hergestellte synthetische Gase (auch "Power-to-Gas" oder PtG genannt), die mit erneuerbarem Strom erzeugt werden, scheinen demgegenüber geringer zu sein (wobei sich jedoch entsprechende Akzeptanzfragen ggf. bei gewissen Stromerzeugungstechnologien wie z.B. Windkraft stellen). PtG könnte unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. einem angemessenen CO2-Preis), langfristig [1] wettbewerbsfähig mit fossilem Erdgas werden [2].
  • Speicherung: Es gibt heute und perspektivisch keine sinnvollen wirtschaftlichen Alternativen zur großvolumigen, saisonalen Energiespeicherung durch chemische Energieträger und vor allem in Form von Gas. Angesichts der saisonalen Schwankungen des Wärmebedarfs in den meisten Ländern Europas ist dies von entscheidender Bedeutung. Gemäß einer Analyse von Frontier für acht europäische Länder [3] ist der Gasbedarf in der Winterspitze etwa dreimal so hoch wie im Sommer, während der Spitzenbedarf bei Strom nur 40 % höher ist als die Grundlast (Abb. 1). Um diese stark saisonale Nachfrage zu decken, wird Gas in unterirdischen Speicherformationen bevorratet. Die vorhandene Gasspeicherkapazität übersteigt die derzeitige Kapazität für Stromspeicherung etwa um den Faktor 1.000 [4]. Selbst im (unwahrscheinlichen und teuren) Szenario einer begrenzten Endverwendung von Gasen würde das Gassystem benötigt, um saisonale Flexibilität zu gewährleisten.
  • Gastransport: Zudem kann ein umfangreiches europäisches Gastransportsystem genutzt werden. Der Großteil der erneuerbaren Energien befindet sich nicht in der Nähe von Lastzentren, d.h. es sind leistungsfähige Energietransportnetze erforderlich, um Erzeugung und Bedarf zu vernetzen. Hierauf ist die (Erdgas-)Infrastruktur seit jeher ausgelegt:
  • Die bestehende Übertragungskapazität des Gasnetzes übersteigt die des Stromnetzes im In- und Ausland signifikant (Abb. 2).
  • Das Gassystem spielt zudem eine wichtige Rolle bei der Versorgung von Endverbrauchern. Fast die Hälfte der Endenergieverbraucher in der EU sind an das Gasnetz angeschlossen und im Durchschnitt wird rund viermal mehr Energie in Form von Gas verteilt als in Form von Strom.

Jüngste Studien von Frontier zeigen, dass sich die Einsparungen im Gesamtenergiesystem durch die weitere Nutzung der Gasnetze (im Vergleich zur Umstellung des Großteils der Endanwendungen auf erneuerbaren Strom) in Deutschland in 2050 auf mindestens 12 Mrd. € pro Jahr belaufen könnten [5]. Nähme man sieben weitere europäische Länder [6] hinzu, könnten die Einsparungen bei 30-49 Mrd. € liegen [7]. Dies entspräche einer Einsparung von rund 145-240 € pro Kopf und Jahr.

Wenn es gelingt, Gase zunehmend auf erneuerbare oder kohlenstoffarme Weise zu erzeugen, kommt dem Gassystem eine wichtige Rolle bei der Deckung des zukünftigen Energiebedarfs zu. Und mit der Entwicklung von Technologien wie PtG und Hybrid-Wärmepumpen [8] wird es auch zunehmend mit anderen Teilen des gesamten Energiesystems gekoppelt sein. Daher stammt auch der Begriff der „Sektorkopplung“ – ein Begriff, der auch das zunehmende Zusammenspiel zwischen Strom- und Gas-Verwendung beschreibt (Abb. 3).

2 / 4

Ähnliche Beiträge