Fokussiertes Geschäftsmodell

Ein klares, fokussiertes Geschäftsmodell ist die Grundlage für einen tragfähigen und zukunftssicheren B2B-Vertrieb. Die Hauptaufgabe besteht oft darin, das komplexe und über Jahre hinweg historisch gewachsene Konstrukt einer Frischzellenkur zu unterziehen. Denn komplex ist so ein Geschäftsmodell vor allem deshalb, weil zu viele verschiedene Kundensegmente mit zu vielen Produkten bzw. Varianten davon angesprochen werden. Erstklassige und vor allem wettbewerbsfähige Kostenstrukturen sind damit nicht möglich. Die Bemühungen zur Vereinfachung des Geschäftsmodells sollten sich deshalb auf Folgendes konzentrieren:

  • Fokussierung auf profitable Kunden: Kundensegmente können in Bezug auf ihren Beitrag zum Unternehmensergebnis erheblich variieren. Das ist bekannt. Die Herausforderung liegt jedoch darin, die Kosten der Leistungserbringung verursachungsgerecht auf- und zuzuschlüsseln. In solchen Fällen ist aufwendige Kleinstarbeit nötig, um Transparenz und damit auch eine belastbare Entscheidungsgrundlage zu liefern. Diesen Aufwand sollten Energieversorger nicht scheuen. Denn wer in einem Markt mit niedrigen Margen operiert, sollte genau wissen, wo er seine Ressourcen sowohl personell als auch finanziell hinlenkt – nämlich idealerweise dorthin, wo sie den größten Ertrag erwarten lassen.
  • Reduzierung der Anzahl der Produkte: Die Angebotsportfolios vieler Energieversorger sind mit Angeboten übersät, deren Wirtschaftlichkeit nicht überzeugend ist. Man schleppt Komplexität mit, ohne dass es dafür eine angemessene Zahlungsbereitschaft im Markt gibt. Unsere Analyse bei einem größeren Stadtwerk zeigte, dass nur eine Handvoll Produkte für mehr als 70 % der Kunden ausreichend waren. Wohingegen die Vertriebs- und Gemeinkosten bei den restlichen Produkten ein Vielfaches ausmachten und somit sofortiges Einsparpotenzial bei geringem Marktrisiko versprachen.
  • Von Offline über Online zu „No-Line“: Die Umsetzung einer Omni-Kanal-Strategie ist im erfolgreichen B2B-Vertrieb nicht mehr wegzudenken. Denn heute steht nicht länger das Produkt, sondern der Kunde im Vordergrund. Im Zuge der Digitalisierung hat dieser die Freiheit, den Kommunikationsweg und den Betreuungskanal selbst zu bestimmen und beides jederzeit zu wechseln. Die proaktiven Ansprachekanäle müssen darauf reagieren und im richtigen Kostenverhältnis zu den Produkten stehen – Produkte mit niedrigen Margen eher online; solche mit hohen Margen über die direkte Ansprache bzw. den Key Account Manager. Ergänzt wird die Omni-Kanal-Strategie idealerweise von digitalen Vertriebstools wie Leadmanagement und CRM. Ziel dieser Anpassung muss es sein, für die im Fokus stehenden Kunden eine vernünftige Anzahl an Informations- und Vertriebskanälen zu entwickeln, die nach innen eine effiziente und proaktive Bearbeitung der jeweiligen Zielgruppen sicherstellt und nach außen dem Kunden die sprichwörtliche positive und konsistente Erfahrung – neudeutsch „Customer Experience“ – gewährleistet. Auffallend ist, dass viele B2B-Vertriebe in der Energiewirtschaft noch sehr traditionell aufgestellt sind. Die Grenzen zwischen Off- und Online verschwimmen aber zunehmend, deshalb sprechen wir von „No-Line“. Eine Omni-Kanal-Strategie ist deshalb unerlässlich, da sie mit langfristigen Kostenvorteilen und größerer Kundenzufriedenheit einhergeht.

Straffe Organisationsstruktur

In einem unserer Projekte war der B2B-Vertrieb in vier Bereiche organisiert: zwei Vertriebsbereiche, den Energiehandel mit dem Absatzportfoliomanagement und die operative Optimierung inklusive dem Bilanzkreismanagement. Jeder Bereich umfasste bis zu vier Führungsebenen: Bereichs-, Abteilungs-, Gruppen- und Teamleiter. Es war naheliegend, dass durch ein Aufbrechen der Silos die Effizienz deutlich gesteigert werden konnte.

Der gewählte Ansatz war radikal. Die neue Aufbau- und Ablauforganisation sollte mit 50 Prozent der gegenwärtigen Personalkapazität ein vergleichbares Geschäftsvolumen durchschleusen können. Führungskräfte und Berater schlossen sich tagelang ein und orientierten sich dabei an Methoden, die dem sogenannten „Design-Thinking“ zuzurechnen sind. Dabei wird im Kern radikal von außen nach innen gedacht, also vom Kunden kommend. Schon früh im Erarbeitungsprozess wurde klar, wo die alte Struktur überholt und Rollen, Verantwortlichkeiten und Prozesse neu zu organisieren waren. In der neuen Organisation wurden deshalb gezielt netzwerkbasierte Elemente zur Flexibilisierung von Organisationsstrukturen verwendet. So wurde beispielsweise darauf geachtet, dass Teams autonom und mit klar definierten Zielen arbeiten; sie arbeiten selbstorganisiert und multidisziplinär, verfolgen ein klar definiertes Ziel (z. B. Automatisierung des Angebotsprozesses, Produktentwicklung), aber haben vollkommene Autonomie in der Entscheidung, wie sie dieses Ziel erreichen. Flache Hierarchien und die Gewährleistung von Transparenz in Verbindung mit einem offenen Informationsfluss rundeten die Designprinzipien für die neue Organisation ab.

Als Ergebnis entstanden zwei Bereiche: Energievertrieb und -handel einerseits und Support mit Vertriebssteuerung und Vertragsmanagement andererseits. Operative Optimierung und Bilanzkreismanagement sind aufgrund Unbundling-rechtlicher Vorgaben keinem der beiden Bereiche zugeordnet, sondern als eigene Abteilung aufgestellt. Unter dieser Ebene, die wir als „General-Management“ bezeichnen, finden sich die oben erwähnten autonomen Teams mit klar definierten Zielen. Führung wird dabei nicht rein als Kontrolle verstanden, sondern als die Verpflichtung, Teams effektiv zu coachen.

Die Bestandsaufnahme machte jedoch auch deutlich, dass in den einzelnen Vertriebsbereichen und -teams viele Reportings zur Steuerung des Geschäfts händisch in Excel geführt wurden. Das kostet viel Zeit, ist fehleranfällig und lenkt den Direktvertrieb von seiner eigentlichen Arbeit ab, nämlich dem Verkaufen. Dieser Missstand wurde mit der neuen Abteilung „Vertriebssteuerung“ behoben, die auch das Leadmanagement macht. Bei der Neuorganisation wurde u.a. darauf geachtet, dass das Prinzip der „Checks and Balances“ gewahrt bleibt, weshalb die Vertriebssteuerung künftig nicht im Bereich Vertrieb ressortieren sollte.

Das Ziel des Leadmanagements ist es, den Vertrieb darin zu unterstützen, immer die richtigen Kunden mit dem passenden Angebot zur richtigen Zeit anzusprechen. In einer digitalisierten Welt geht es um Geschwindigkeit und Personalisierung. Denn: Je effektiver die Kundenansprache ist, desto höher sind die Abschlussquoten. Gemeinsam mit unserem Kunden haben wir einen datengetriebenen Ansatz zur Prognose individueller Kundenbedürfnisse von Bestands- und potentiellen Neukunden entwickelt. Wir folgen dabei dem „Schlüssel-Schloss-Prinzip“: So wird regelmäßig analysiert, mit welchen Kundengruppen und Produkten der Vertrieb erfolgreich ist, um zu verstehen, welche Merkmale diese Kunden verbinden („Schlüssel“). Anschließend gleicht das Vertriebsteam diese Kundenmerkmale mit der Leaddatenbank ab, um Leads zu identifizieren, die wie Zwillinge der wertvollsten Kunden aussehen („Schloss“). Die Leaddatenbank speist sich aus Bestandskunden und externen Kontakten und wird regelmäßig aktualisiert. Sind die Leads identifiziert, führt der Vertrieb sie nach bestimmten Kriterien wie beispielsweise dem Kundenwert über den jeweils geeigneten Kanal einer Bearbeitung zu. Das reicht von der persönlichen Ansprache über Online-Portale bis hin zu externen Partnern, die an das System angeschlossen werden können.

Komplementär dazu können Peer-Pricing-Tools ein sehr wirkungsvolles Instrument zur besseren Preisdurchsetzung darstellen. In vielen B2B-Vertrieben arbeiten die Key-Account-Manager weitgehend nur mit den Daten der eigenen Kunden. Auf Informationen und das Wissen, das ihre Kollegen durch Kundenkontakte und Verhandlungen sammeln, können diese oft nicht systematisch zugreifen. Somit entsteht kein Anreiz, sich in vergleichbaren Angebotssituationen („Peer-Situation“) an diesen zu orientieren, um ein besseres Verhandlungsergebnis zu erzielen. Das Simon-Kucher-Tool PeerPricingTM zeigt, in welchen Kunden-, Produkt-, Branchen- und Verbrauchskombinationen Kollegen eine besonders gute Preisqualität bei Vertragsabschlüssen erzielt haben. Damit nutzt es die Schwarmintelligenz und liefert eine klare Orientierung für anstehende Vertragsverhandlungen. Unser Kunde hat mit diesem System bereits wenige Monate nach Einführung den geplanten Zielrohertrag deutlich gesteigert.

Ein weiterer Schritt zur Verbesserung der effektiven Marktbearbeitung ist die Bündelung von Tätigkeiten rund um Verkaufsanbahnung, -vorbereitung und -steuerung, Produktentwicklung und -management sowie Marketing in einer Organisationseinheit.

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