Resilienz: Krisensituationen, wie Extremwetterereignisse stellen nicht nur für den Betrieb der Stromnetze, sondern auch für deren Sicherheit eine erhebliche Herausforderung dar

Krisensituationen, wie Extremwetterereignisse stellen nicht nur für den Betrieb der Stromnetze, sondern auch für deren Sicherheit eine erhebliche Herausforderung dar (Bildquelle: Pixabay)

Durch den von Treibhausgasen bedingten Klimawandel traten weltweit in den letzten zehn Jahren immer häufiger Extremwetterereignisse auf, die den Betrieb von Stromnetzen belasteten. Diese Beobachtung haben 90 % der befragten Stromversorger in Europa und sogar 95 % weltweit gemacht. Zudem erwarten 91 % der befragten europäischen Unternehmen, dass Extremwetterereignisse auch in den kommenden zehn Jahren deutlich zunehmen. Fast genauso viele (92 %) rechnen in diesem Zusammenhang mit einem erhöhten finanziellen Risiko für ihr Netzgeschäft. Das geht aus der diesjährigen „Digitally Enabled Grid“-Studie der Unternehmensberatung Accenture hervor.

Krisensituationen, wie Extremwetterereignisse stellen nicht nur für den Betrieb der Stromnetze, sondern auch für deren Sicherheit eine erhebliche Herausforderung dar, sind sich 73 % der europäischen Stromversorger einig. Die Resilienz des Netzes wird somit zu einer zentralen Aufgabe. Dessen Aufrechterhaltung wird langfristig zu einer erheblichen Erhöhung der Netzpreise für Kunden führen, erwarten dabei 92 % der Befragten. Gleichzeitig ist nur knapp ein Fünftel (18 %) der befragten Führungskräfte der Meinung, dass ihre Unternehmen sehr gut auf die Auswirkungen extremer Wetterereignisse vorbereitet sind. 12 % gaben sogar an, schlecht vorbereitet zu sein. Zu den größten Gefahren zählen laut Stromversorgern in Europa starke Winde (21 %), Überschwemmungen (15 %) sowie Eis und Schneestürme im Winter (13 %).

„Der Klimawandel führt dazu, dass extreme Wetterereignisse häufiger und intensiver auftreten. Von Hitzewellen und Waldbränden über Stürme bis hin zu Überflutungen – auch in Europa und Deutschland nehmen die Ereignisse zu und wirken sich auf das Stromnetz aus", fasst Tobias Gehlhaar, Geschäftsführer des Bereichs Energieversorgung bei Accenture zusammen. Das Orkantief Sabine Anfang des Jahres führte beispielsweise dazu, dass in Niederbayern mehrere Strommasten umstürzten und zeitweise zehntausende Bürger ohne Elektrizität auskommen mussten. 2018 war Deutschland laut des Klimarisiko-Index von Germanwatch sogar weltweit am drittstärksten von Extremwetterereignisse betroffen. „Eine zeitnahe und kosteneffiziente Optimierung der Netzstabilität ist unumgänglich. Digitale Technologien können hier einen entscheidenden Beitrag zu einer größeren Systemflexibilität leisten und damit Resilienz fördern“, folgert Tobias Gehlhaar.

Das Zusammenwirken von Mensch und Technologie ist der Schlüssel zu mehr Resilienz

Rund 92 % der befragten Stromversorger in Europa sind der Auffassung, dass der Auf- und Ausbau der Anpassungsfähigkeit des Netzes in den nächsten zehn Jahren für deren Resilienz entscheidend sein wird. Dies wird vor allem durch Netzwerk-Rekonfiguration, eingebettete Speicherung sowie das Redundanz- und Spannungsmanagement erreicht. Dabei sehen 89 % der Befragten die Systemflexibilität als den kosteneffektivsten Ansatz, um langfristig Ausfällen vorzubeugen.

„Auch die aktuelle COVID-19-Krise verdeutlicht gerade, wie wichtig es ist, uns mit der Resilienz unseres Stromnetzes zu befassen“, erläutert Tobias Gehlhaar. „Die derzeitige Situation wirft neue Fragen auf, wie wir etwa im Katastrophenfall die Reparaturmannschaften unterstützen und gleichzeitig die Sicherheitsmaßnahmen einhalten können. Welche Technologien und Maßnahmen helfen Unternehmen hier, die Gesundheit der Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zu schützen – Temperaturscanner, Abstandsgebot, Messungen in der Luft? Die Antworten darauf erfordern die Zusammenarbeit der gesamten Branche. Es gilt, die Vorteile großer Investitionen mit Strategien zur Netzmodernisierung zu verknüpfen, und politische Entscheidungsträger, Kunden und andere Interessengruppen von der Notwenigkeit und den Vorteilen zu überzeugen.“

Ein Großteil der europäischen Stromversorger (91 %) testet bereits innovative Lösungen für eine höhere Ausfallsicherheit von Netzen – darunter fortschrittliche Schutzsysteme, Vehicle-to-Grid-Technologie, automatisierte Self-Healing-Netze und Drohneninspektionen. Eine höhere Netzflexibilität zu ermöglichen, bleibt jedoch eine Herausforderung, wie die Studie zeigt. Einerseits waren 97 % der Befragten der Ansicht, dass ein aktives Management der dezentralen Erzeugung – einschließlich Solar-Photovoltaik, Windkraft und Energiespeicherung – der Schlüssel zur langfristigen Unterstützung der Netzstabilität ist. Andererseits gaben 77 % an, dass ein Mangel an Informationen über Standort, Größe, Spezifikation und Betriebszustand kleinerer Anlagen für dezentrale Energieressourcen die Stabilität in naher Zukunft beeinträchtigt. Zudem ergab die Studie, dass ein Mangel an branchenweiten Richtlinien und Standards die Maßnahmen der Versorgungsunternehmen, mehr Resilienz im Stromnetz aufzubauen, behindert.

Über die Studie

Die von Accenture jährlich durchgeführte „Digitally Enabled Grid“-Studie evaluiert die Auswirkungen und Möglichkeiten eines zunehmend digitalen Stromnetzes. Für die aktuellste und insgesamt sechste Ausgabe der Studie befragte Accenture 206 Führungskräfte auf dem C-Level und leitende Angestellte bei Stromversorgern in 28 Ländern: Argentinien, Australien, Belgien, Brasilien, Kanada, China (einschließlich Hongkong), Dänemark, Frankreich, Deutschland, Indien, Indonesien, Irland, Italien, Japan, Malaysia, den Niederlanden, Norwegen, den Philippinen, Polen, Portugal, Singapur, Spanien, Schweden, der Schweiz, Thailand, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten. Die Umfrage wurde von November 2019 bis Januar 2020 online durchgeführt.

et-Redaktion

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