Abbildung zum Thema Stromversorung, Windenergie / Stromverbrauch durch die Bundesnetzagentur

Abb.: Realisierte Stromerzeugung sowie realisierter Stromverbrauch in Deutschland im Zeitraum 03.11.2020 bis 13.11.2020 (Stundenwerte) (Quelle: Bundesnetzagentur/Smard.de)

Der Beitrag der erneuerbaren Energien zur Energie- und Stromversorgung [1] wird durch drei Faktoren bestimmt: Den Witterungsverlauf, den Anlagenzubau sowie als pandemiebedingten Sonderfaktor den allgemeinen Rückgang des Stromverbrauchs. Nach bisher vorliegenden Schätzungen wird der inländische Stromverbrauch 2020 um etwa 5 % sinken, wodurch sich der Anteil der erneuerbaren Energiequellen der Bruttostromerzeugung infolge des gesetzlichen Einspeisevorrangs auf bis zu 47 % erhöhen könnte, ein Zuwachs um 6 % gegenüber dem Vorjahr. Deutliche Rückgänge wird es dagegen beim Einsatz von Stein- und Braunkohle sowie der Kernenergie kommen, da Verbrauchsrückgang und Ausbau der erneuerbaren Energien vornehmlich zu Lasten ihres Anteils an der Stromerzeugung gehen.

Der Anlagenzubau zeigt bei den Erneuerbaren aktuell einen unterschiedlichen Verlauf. Bei der Photovoltaik (PV) kommt es zu einem kräftigen Zubau. Der Zubau von Photovoltaik-Anlagen steigt in den ersten zehn Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nochmals an und liegt mit 3.464 MW an neu installierter Leistung etwa 12 % über dem Wert des Vorjahres (3.082 MW). Insgesamt erreicht die Gesamt-Leistung der installierten Photovoltaikanlagen über 52 GW, dem Wert des im Sommer abgeschafften Förderdeckels für PV-Anlagen. Die Stromproduktion der PV-Anlagen verzeichnete in den sonnenreichen Monaten März, April, Mai und September Zuwächse von jeweils mehr als 20 % gegenüber den jeweiligen Vorjahresmonaten. Insgesamt dürfte sich durch den kräftigen Anlagenzubau und die hohe Zahl von Sonnenstunden die Stromerzeugung aus PV-Anlagen in diesem Jahr um rund 11 % erhöhen [2].

Windkraft 2020: Tiefstwert beim Anlagenzubau und extrem schwankende Erzeugung

Völlig gegensätzlich stellt sich das Bild bei der Windenergie dar. Die Windenergiebranche rechnet für 2020 mit einem neuen Tiefstwert beim Anlagenzubau. Nach Ablauf von zehn Monaten gibt es einen Zubau von neuen Anlagen an Land von 763 MW und bei Anlagen auf See in Höhe von etwas mehr als 200 MW. Zum Vergleich: allein im 4. Quartal des Jahres 2015 wurden nur an Land Windenergieanlagen mit einer installierten Leistung von 1.850 MW errichtet. Damit fällt der Anlagenzubau im Jahr 2020 wie bereits in den beiden Vorjahren als wichtige Säule des Zuwachses der Windstromerzeugung in Deutschland weitgehend aus. Die gesamte installierte Leistung der Windanlagen an Land wird sich damit nur geringfügig auf gut 54 GW erhöhen, bei den Anlagen auf See dürfte der Wert am Jahresende bei knapp 8 GW liegen

Wenn es dennoch in diesem Jahr zu einer Erhöhung der Stromerzeugung im hohen einstelligen Bereich bei der Windstromerzeugung an Land sowie zu einem wohl leicht zweistelligen Zuwachswert bei den Windanlagen auf See kommt, so ist dies allein auf die diesjährigen Windverhältnisse zurückzuführen. Allerdings waren diese im Jahresverlauf nicht stetig, sondern vielmehr extrem schwankend. Die Windkraftanlagen an Land produzierten in den Monaten Januar, März, April, Mai und Juni sogar weniger als 2019. Im 2. Quartal brachten die Monate Juli und August zwar Zuwächse im niedrigen zweistelligen Bereich, im September brach die Windstromerzeugung an Land jedoch förmlich ein (Minus 34,4 % gegenüber dem Vorjahresmonat).

Während die Onshore-Windenergieanlagen im zweiten Quartal insgesamt 18,3 Mrd. kWh Strom erzeugten, so erreichte die Produktion im dritten Quartal nur 15,3 Mrd. kWh und damit insgesamt nicht das Vorjahresniveau 16,7 TWh. Der diesjährige Zuwachs der Windstromerzeugung an Land konzentriert sich nahezu vollständig auf die ersten drei Monate. Nach einem leichten Zuwachs im Januar um rund 2 % gegenüber dem Vorjahresmonat schnellte die Produktion im stürmischen Februar steil nach oben. Es kam mit 17,6 Mrd. kWh praktisch zu einer Verdopplung der Stromproduktion im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das entspricht knapp einem Viertel der Gesamtproduktion der ersten neun Monate.

Bei den Offshore-Windanlagen ergibt sich überraschenderweise ein nur wenig abweichendes Bild, was die These von der sog. diskontinuierlichen Stromeinspeisung der Windstromerzeugung auf See zumindest für 2020 fraglich erscheinen lässt. Im Jahr 2019 hat sich durch Zubauten die Leistung der Anlagen um gut 17 % auf rund 7,5 GW erhöht. Im Januar kamen weitere 130 MW hinzu. Anders als bei den Windenergieanlagen an Land kam es daher bei den Offshore-Anlagen bereits im Januar zu einer deutlichen Erhöhung der Produktion (plus 48 % gegenüber dem Vorjahresmonat), mit einem Plus von 54,5 % blieb der Anstieg auf See im Februar dagegen deutlich hinter dem auf Land zurück. Immerhin erreichte die Produktion in den ersten drei Monaten fast die Hälfte (48 %) der bisherigen Gesamterzeugung. Das zweite Quartal auf See ähnelte dem an Land. Einem Anstieg im April folgten Rückgänge im Mai, Juni und auch im Juli. Auch auf See kam es im September zu einem starken Rückgang der Stromproduktion, wenn auch mit knapp 17 % nur etwa halb so stark wie an Land.

Eine derartig extrem schwankende Windstromerzeugung an Land und auf See, wie sie sich für 2020 abzeichnet, lässt sich in keiner Weise durch eine gezielte Bedarfslenkung auffangen. Weder private Haushalte noch Industrie und Gewerbe sind in der Lage, ihr Verbrauchsverhalten an solch extreme Angebots- und Einspeiseverläufe anzupassen. Ferner steigt der Bedarf an Regelenergie zur Stabilisierung der Netze steil an.

Zudem verbergen sich hinter den Monatswerten Tages- und Stundenschwankungen von zum Teil extremer Volatilität. So erreichte am 11.02.2020 die Windstromerzeugung zwischen Mitternacht und 01.00 h an Land eine Höhe von 34.260 MWh und die auf See eine Höhe von 6.062 MWh. Zusammen deckte Windstrom damit rund 76 % des gesamten inländischen Strombedarfs in diesem Zeitraum. Um 11.00 h desselben Tages lag der Anteil des Windstroms auf Grund der höheren Netzlast bei rund 58 %. Infolge der konstanten Windverhältnisse über den gesamten Tag erreichte die Windstromerzeugung am 11.02. Jahreshöchstwerte. Am 16.02., einem verbrauchsschwachen Sonntag, konnte der Windstrom in der lastschwachen Nacht sogar über 78 % des Gesamtbedarfs an Strom in Deutschland decken.

Ein völlig gegensätzliches Bild bot dagegen der 13.07.2020. Um 20.00 h kam es zu einer Einspeisung von 510 MW Windstrom an Land sowie 870 MW auf See. Bei einer Netzlast von 54.338 MW konnten die Windstromanlagen damit lediglich 2,5 % des Gesamtbedarfs decken. Kumuliert erreichte die gesamte Windstromerzeugung im Juli immerhin 5,5 Mrd. kWh und damit knapp 12 % mehr als im selben Monat des Vorjahres. Über den Beitrag zur Versorgungssicherheit sagte dieser Wert allerdings nichts aus. Als besonders kritisch gelten Zeiträume mit Schwachwinden und hoher Netzlast. Am 19.10.2020 um 19.00 h konnte die Windstromerzeugung nur knapp 7 % des Bedarfs von 68.055 MW decken. Gleichzeitig waren Braunkohlenkraftwerke mit einer Leistung von 16.635 MW am Netz, um einen wichtigen Beitrag zur sicheren Stromversorgung zu leisten.

Das Jahr 2020 offenbart erneut Stärken und Schwächen der Windstromerzeugung an Land und auf See auf besonders deutliche Weise. Bei schwachen Ausbauentwicklungen ist die Stromerzeugung aus Windenergieanlagen ausschließlich vom Witterungsverlauf abhängig. Eine entkoppelte oder sich ausgleichende Erzeugung der Onshore- und Offshore-Anlagen ist kaum erkennbar und die Windstromerzeugung verläuft zu selten konform zur Netzlast, um einen nachhaltigen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten zu können. In Zeiten hoher Netzlast bleiben selbst bei hoher und besonders bei geringer Windstromerzeugung konventionelle Kraftwerke unverzichtbar.

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