Weiterentwicklung des Strommarktes

Portrait von Peter Reitz / Teilnehmer beim Strategiegespräch der et zum Green Deal

Peter Reitz, CEO European Energy Exchange AG (EEX), Leipzig (Quelle: European Energy Exchane AG)

Portrait von Kerstin Andreae / Teilnehmerin beim Strategiegespräch der et zum Green Deal

Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin, BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Berlin

„et“: Im Frühjahr wurde das EEG 20 Jahre alt. Es war für viele ein gutes bis sehr gutes Rennpferd. Hat es nun ausgedient oder soll es in Zukunft noch weiterlaufen?

Reitz: Im Moment sieht man am Gebotsverhalten der Akteure an der Energiebörse, dass es ganz ohne Förderung noch nicht geht. Wo ich mich aber wehre ist, dass man bei abgeschriebenen Anlagen, die jetzt aus der Förderung fallen, über Anschlussförderung spricht, denn hier funktioniert der Markt schon recht gut. Wenn man sich die Windenergie anschaut, sind weite Teile dieser Anlagen über Marktaggregatoren mit PPAs (Power Purchase Agreements) über 3-5 Jahre ausgestattet. Hier brauchen wir keinen politischen Eingriff, um Fördermechanismen zu verlängern, da muss man das Kind mal auch erwachsen werden lassen. Ein anderes Thema sind die Standorte, die über Repowering erfolgreich genutzt werden können. Da gibt es einige regulatorische Probleme zu bewältigen. Und dann wird es ein paar Anlagen geben, die sind einfach nicht mehr wirtschaftlich. Hier muss man akzeptieren, dass unwirtschaftliche und technologisch veraltete Anlagen auslaufen und ein neuer Investitionszyklus beginnen muss.

„Bei Wind Onshore gibt es 20 Jahre alte Anlagen, deren Standort von der Windhöffigkeit her nach wie vor gut und von den Anwohnern akzeptiert ist. Jetzt würde man dort gerne alte Anlagen durch neue und bessere ersetzen. Das ist in Deutschland aber nicht so einfach möglich: Wer eine alte Anlage durch eine neue ersetzen möchte, muss den gesamten Genehmigungsprozess von vorne durchlaufen. Unsere Mitgliedsunternehmen würden gerne in Repowering investieren, aber die Rahmenbedingungen hindern sie daran. Wir sehen hier dringenden Handlungsbedarf.“

Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin, BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Berlin

Andreae: Es geht nicht darum, das EEG nicht grundsätzlich abzuschaffen, sondern dort, wo es nötig ist, anzupassen und zu optimieren – zum Beispiel in Hinblick auf das System der Abgaben und Umlagen. Bei der aktuellen Novellierung wird ja das Thema Anschlussförderung zurzeit sehr kontrovers diskutiert. Ich bin gegen eine generelle Anschlussförderung für ausgeförderte Anlagen. Wichtig ist aber, dass das Repowering an bestehenden Standorten vereinfacht wird. Bei Wind Onshore gibt es 20 Jahre alte Anlagen, deren Standort von der Windhöffigkeit her nach wie vor gut und von den Anwohnern akzeptiert ist. Jetzt würde man dort gerne alte Anlagen durch neue und bessere ersetzen. Das ist in Deutschland aber nicht so einfach möglich: Wer eine alte Anlage durch eine neue ersetzen möchte, muss den gesamten Genehmigungsprozess von vorne durchlaufen. Unsere Mitgliedsunternehmen würden gerne in Repowering investieren, aber die Rahmenbedingungen hindern sie daran. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Weeser: Das EEG ist für mich bildlich gesprochen ein totgerittener Gaul, 20 Jahre nach seiner Einführung ist es Zeit für einen Paradigmenwechsel und einen Ausstieg aus der Dauersubvention. Die EEG-Novelle 2021 ist wenig ambitioniert und wenn ich mir anschaue, dass ein Ausstieg aus der Förderung erst für 2027 in Aussicht gestellt wird, das ist die übernächste Wahlperiode, dann ist das viel zu spät. Für ausgeförderte Anlagen gibt es marktwirtschaftliche Instrumente wie PPAs. Man sieht ja bei den Ausschreibungen, dass Großanlagen insbesondere bei der Photovoltaik ohne Förderungen auskommen. Ich bin zudem ebenfalls davon überzeugt, dass wir beim Repowering schneller vorankommen müssen, aber auch bei der Synchronisierung von EE- und Netzausbau. Last, but not least müssen wir europäisch denken, damit wir bei Engpässen mit den Nachbarländern so weit wie möglich kooperieren können.

Ragwitz: Der Green Deal bewirkt eine Transformation von einem Brennstoff- zu einem Kapital-intensiven System. Dabei ist die Frage der Finanzierungskosten zentral. Vor diesem Hintergrund wäre eine Abschaffung des EEG keine gute Idee, insbesondere deshalb, weil es immer mehr Pr,ojekte gibt, die gegenüber dem Börsenstrompreis nur mehr eine vergleichsweise geringe Förderung bekommen wie z.B. Nullangebote bei Ausschreibungen für Offshore Windkraft- oder marktbasierte Investitionen bei großen Photovoltaikprojekten zeigen.

Das EEG wandelt sich zunehmend von einem Förder- zu einem Finanzierungsinstrument. Das hängt natürlich vom Börsenstrompreis ab und der ist 2020 ein anderer als 2019. Wenn der CO2-Preis ein hinreichendes Ambitionsniveau abbildet, sind wir relativ schnell in der Situation, dass wir immer mehr Auktionen für erneuerbare Energien mit Null Förderkosten sehen werden. So bekommen wir die Erneuerbaren mit geringen Eigen- und Fremdkapitalkosten in den Markt. Es ist aber sehr wichtig, mit auktionsbasierten Instrumenten die Finanzierungskosten weiter zu senken.

Birnbaum: Wir müssen unbedingt die Genehmigungsverfahren vereinfachen und beschleunigen und da denke ich nicht nur ans Repowering, sondere auch an Netze und an neue Anlagen wie etwa Wasserstoffelektrolyse. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, wie wir Partizipation in ausreichendem Maße ermöglichen, um Akzeptanz zu haben und trotzdem von den aktuell umständlichen und langwierigen Verfahren wegkommen. Ich bin auch der Meinung, dass Altanlagen, die ihre Kapitalkosten verdient haben und nach 20 Jahren aus der Förderung fallen, nicht mehr weiter gefördert werden sollen – allerdings sollten wir ihnen den Weiterbetrieb auch nicht unnötig erschweren. Wir müssen uns vielmehr überlegen, wie wir intelligent neue Erneuerbare-Anlagen finanzieren, z.B. marktbasiert über PPAs, Grünstromzertifikate. Wir sollten aber auf jeden Fall von fester, nicht marktbasierter Förderung abrücken.

„et“: Auch wenn sog. Differenzkontrakte (CfD) beim Windenergie-auf-See-Gesetz mittlerweile vom Tisch sind: Was halten Sie grundsätzlich von diesem Instrument?

Andreae: Contracts for Difference reduzieren die Kosten für den Ausbau der Offshore-Windenergie, bezuschlagte Gebote werden mit größerer Wahrscheinlichkeit realisiert, der Wettbewerb wird gestärkt und die ohnehin beschränkte Akteursvielfalt bleibt erhalten. CfD sind zudem keine Einbahnstraße. Wenn sich die Preise in die eine Richtung entwickeln, bieten sie tatsächlich Unterstützung für den Bieter bzw. Betreiber. Wenn sich die Marktpreise aber in die andere Richtung entwickeln, fließt dem Staat Geld zurück. Großbritannien rechnet beispielsweise mit Rückzahlungen in Höhe von 2, 4 Mrd. GBP (2,68 Mrd. €) aus Projekten, die in der letzten Auktionsrunde bezuschlagt wurden. Ich verstehe CfD nicht als klassische Subventionierung, sondern als eine intelligente Hermesbürgschaft mit einer Absicherung für beide Seiten.

„Durch den Green Deal kommen sehr hohe finanzielle Mittel ins System, die hoffentlich zu einem Großteil für den Klimaschutz und die Energiewende eingesetzt werden. Da werden unabhängig von der Effizienz des Mitteleinsatzes auf jeden Fall Innovationen generiert, die eine Transformation des Systems beschleunigen. Wir sind auch auf der Infrastrukturseite tätig und sehen Technologien heraufkommen, die es uns erlauben, unser Geschäft ganz anders zu gestalten. Zum Beispiel Volatilität technisch und ökonomisch zu beherrschen, indem wir Flexibilitätsmärkte etablieren. Die Technologien sind vorhanden, die Frage ist, wie effizient und schnell schaffen wir die Umsetzung und mit welchen regulatorischen Mitteln?“

Dr.-Ing. Leonhard Birnbaum, Mitglied des Vorstands der E.ON SE, Essen

Birnbaum: Wenn ich kurz einwenden darf: Es ist bei Offshore-Windprojekten doch so, dass unter 1 Mrd. € Investition dort niemand antreten kann, da geht es sowieso nicht mehr um kleine Strukturen. Es ist meines Erachtens nicht Aufgabe der Regulierung, es jedem zu ermöglichen, ein 1-Mrd.-€-Projekt zu stemmen.

Reitz: Wenn wir uns insgesamt stärker hin zu marktbasierten Mechanismen beim Ausbau der Erneuerbaren bewegen wollen, sind CfD ein Schritt zurück, denn letztendlich geht es dabei nun mal um eine feste Förderung. Diese wird heute auch gar nicht mehr benötigt, am Markt sind alle notwenigen Instrumente vorhanden. Schauen wir uns bloß mal an, was in Spanien passiert. Dort werden alle großen Investitionen in Erneuerbare-Kapazitäten über PPA abgesichert und danach in ein Clearinghouse gegeben, sodass auch das Kreditausfallrisiko abgesichert ist. Bei uns sind Risikomanagementinstrumente zur Projektabsicherung am Markt vorhanden, man muss nur aufpassen, dass man diese nicht durch Förderungssysteme aushebelt.

Weeser: CfD sehe auch ich kritisch, weil damit kommt wieder eine Komponente in das System hinein, das nicht marktwirtschaftlich ist und am Ende auf den Steuerzahler oder die Stromkunden umgelegt wird. Wir müssen die einseitige Finanzierung der Energiewende über Umlagen und Abgaben auf Strom beenden, indem keine neuen Tatbestände mehr geschaffen und die Förderzusagen aus der Vergangenheit aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert werden.

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