Berücksichtigung regionaler Potenziale und Erneuerbaren-Ziele durch regionalisierte Ausschreibungen?

Räumliche Verteilung der Nutzung von Windenergie und Photovoltaik vor und nach Einführung des Ausschreibungssystems

Abb. 1: Räumliche Verteilung der Nutzung von Windenergie und Photovoltaik vor und nach Einführung des Ausschreibungssystems

Als eher irreführend erweist sich das Argument, dass es regionalisierter Ausschreibungen bedarf, um die verfügbaren Flächenpotenziale in Süddeutschland zu nutzen. Es stimmt zwar: Sehr wahrscheinlich müssen auch Flächen in Süddeutschland in größerem Umfang bebaut werden, um die Energiewendeziele letztlich zu erreichen. Voraussetzung dafür ist jedoch zunächst, dass im Süden planerisch substanziell Flächen für die Windenergienutzung bereitgestellt werden. Dass dies nicht immer der Fall ist, zeigt das Beispiel Bayern (Stichwort 10H-Regelung). Insofern Flächen verfügbar sind, kann es dort in Zukunft auch mit dem gegenwärtigen Ausschreibungsregime zu einem Ausbau der Windenergie kommen. Damit ist jedenfalls zu rechnen, wenn die deutschlandweiten Ausschreibungsmengen adäquat fortgeschrieben und erhört werden und geeignete Standorte im Norden Deutschlands zunehmend knapp werden. Gunstlagen werden dann zuerst, Ungunstlagen zu höheren Preisen später genutzt.

Wird hingegen (zu Recht) beklagt, dass der deutschlandweite Ausbau der Windenergie nicht im notwendigen Maße erfolgt, muss eine Diskussion über die verlässliche Entwicklung und Höhe der Ausschreibungsmengen (und ggf. auch die Höchstpreise sowie die Leistungsfähigkeit des Instruments selbst) geführt werden, eine weitere Regionalisierung der Ausschreibungen hilft hier nicht weiter. Gegebenenfalls könnte jedoch eine Anpassung des Referenzertragsmodells geprüft werden. Ein maßgeblicher Anteil der Standorte im Süden Deutschlands weist nämlich Winderträge von unter 70 % des Referenzertrags auf. Für diese Standorte sieht das Referenzertragsmodell gegenwärtig keine zusätzlichen Anpassungen der Gebotswerte mehr vor.

Einwenden mag man, dass ohne regionalisierte Ausschreibungen einzelne Bundesländer gerade im Süden Deutschlands ihre selbst gesetzten Erneuerbaren-Ziele nicht erreichen können. Dann stellt sich jedoch die Frage, warum die von den Ländern gesetzten Ziele überhaupt maßgeblich für die bundesweite Verteilung der Windenergie sein sollten. Natürlich können die Länderziele durchaus legitime regionale Kosten- und Nutzenerwägungen des Windenergieausbaus widerspiegeln (etwa Überlegungen hinsichtlich regionaler Wertschöpfung, regionaler Schutzinteressen von Mensch und Umwelt, die nur regional angemessen bewertet werden können, Präferenzen für regionalen Klimaschutz).

Diese stehen aber potenziell in Konkurrenz zueinander und zu Erwägungen, die über die Ländergrenzen hinausgehen. So spielt eine unter Windhöffigkeit oder Netzintegration bundesweit optimierte räumliche Verteilung der Windenergie bei der Festlegung der Länderziele wohl eine eher untergeordnete Rolle. Gerade diese Kriterien müssen aber auch maßgeblich sein für die Ausgestaltung bundesweiter energiepolitischer Maßnahmen, wie die EEG-Ausschreibungen. Gewisse Reibungen zwischen den bundesweiten EEG-Ausschreibungen und der Länderpolitik sind damit unvermeidbar – sind sie doch schlicht Ergebnis von parallelen politischen Abwägungen auf unterschiedlichen räumlichen Skalen (Bundesebene vs. Landesebene). Die Forderung, dass die Bundespolitik die Erreichung von Länderausbauzielen für Windenergie in vollem Umfang gewährleisten muss, kann vor diesem Hintergrund ökonomisch jedenfalls nicht begründet werden.

Mehr Akzeptanz durch regionalisierte Ausschreibungen für die Windenergie?

Darüber hinaus kann in Frage gestellt werden, ob mit einer regionalisierten Ausschreibung der Akzeptanz des Windenergieausbaus unbedingt ein Dienst erwiesen wird. Zwar kann sie zu einer regional gleichmäßigeren Verteilung von lokalen Kosten und Nutzen des Windenergieausbaus führen. Insoweit das als gerechter verstanden wird, kann sich die Akzeptanz der Energiewende insgesamt tatsächlich erhöhen (es sind aber auch andere Gerechtigkeitsvorstellungen denkbar).

Allerdings führt der Ausbau der Windenergie an windschwächeren Standorten im Süden Deutschlands notwendigerweise auch dazu, dass insgesamt mehr Anlagen benötigt werden, um die Energiewendeziele zu erreichen; Akzeptanzprobleme können sich dann auch verstärken. Außerdem zeigen wissenschaftliche Studien, dass die Akzeptanz von Windenergieanlagen nicht nur von deren räumlicher Verteilung abhängt, sondern maßgeblich von den Partizipationsmöglichkeiten im Planungs- und Genehmigungsverfahren oder der finanziellen Beteiligung und Kompensation der lokalen Bevölkerung. Akzeptanz braucht also zuvorderst lokale, nicht regionale Lösungen [14].

Risiken und Nebenwirkungen regionalisierter Ausschreibungen

Wie zielführend eine regionalisierte Ausschreibung tatsächlich ist, bleibt damit unsicher. Die möglicherweise begrenzten Nutzen müssen mit (ebenfalls kritisch zu prüfenden) möglichen Nachteilen abgewogen werden. Das gilt umso mehr, als beide maßgeblich von der letztlichen Ausgestaltung der Regionalisierung abhängen.

Die Wirkungen einer regionalisierten Ausschreibung werden insbesondere durch zwei Parameter bestimmt. Zunächst müssen Regionalzonen bestimmt werden (Anzahl und genauer Verlauf der Grenzen). Zudem muss festgelegt werden, auf welche Weise (Preis- oder Mengendifferenzierung) und wie stark zwischen den Zonen differenziert werden soll. Eine Schwierigkeit besteht dabei darin, dass die vorgebrachten Argumente für eine Regionalisierung (Netzintegration, Nutzung regionaler Potenziale, Erreichung der Länderziele, Akzeptanz) teils unterschiedliche Ausgestaltungen hinsichtlich dieser Parameter erfordern können. Die gleichzeitige Erreichung aller möglichen Ziele mittels eines Instruments wird daher kaum je möglich sein. Zudem ist zu erwarten, dass die Steuerungsparameter nicht allein unter Kosten- und Nutzenerwägungen ausgestaltet werden.

Eine Regionalisierung der Ausschreibungen eröffnet Politik und Wirtschaft immer auch Verhandlungsräume zur Durchsetzung ihrer jeweiligen regionalen Partikularinteressen. Was dann letztlich von den erhofften Vorteilen einer Regionalisierung übrig bleibt, ist unklar. Auch die Auswirkungen einer Regionalisierung auf Stromgestehungskosten und EEG-Umlage wären dann möglicherweise nicht mehr so gering, wie behauptet wird.

Fazit: Regionale Steuerung des Windenergieausbaus breit denken

Grundsätzlich gilt: Es bedarf mehr räumlicher Koordination beim Ausbau der Windenergie, wie auch beim Ausbau anderer Erzeugungstechnologien. Jedoch sollte man nicht reflexartig darauf verfallen, alle Koordinationsbedarfe allein durch Nachjustierungen im EEG-Förderregime lösen zu wollen. Wichtig wäre zunächst eine Verständigung darauf, welche Ziele mit dem EEG primär adressiert werden sollen – und welche nicht. Das zur Verfügung stehende Instrumentarium zur Erreichung der unterschiedlichen Ziele ist viel breiter und reicht von Anpassungen bei der regionalen Standortplanung und -genehmigung bis hin zur Weiterentwicklung von Strommarktdesign und Netzregulierung. Hier braucht es einen intelligenten und abgestimmten Instrumentenmix.

Beim EEG selbst besteht Handlungsbedarf vor allem bei den gesetzlich festgelegten Gesamt-Ausschreibungsmengen. Diese reichen nach heutigem Kenntnisstand bei Weitem nicht aus, sollen die langfristigen Energiewendeziele der Bundesregierung erreicht werden. Erst wenn diese Politikoptionen ausgeschöpft sind, sollte kritisch geprüft werden, ob eine weitergehende Regionalisierung noch zusätzliche Vorteile bringt. Dazu müsste auch gezeigt werden, warum es nicht ausreicht, bereits bestehende regionale Steuerungskomponenten im EEG (Netzausbaugebiet, Referenzertragsmodell) zu ertüchtigen.

Insgesamt betrachtet sollte klar sein, dass regionalisierte Ausschreibungen manche der zugrundeliegenden Koordinationsbedarfe gar nicht (z. B. Defizite bei der Flächenausweisung) oder nur sehr ungenau (z. B. Netzengpässe) adressieren können.

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