Abb.: Im Rahmen des Szenarienvergleichs des World Energy Councils untersuchte Szenarien

Abb.: Im Rahmen des Szenarienvergleichs des World Energy Councils untersuchte Szenarien (Bildquelle: Weltenergierat – Deutschland)

Grundsätzlich unterscheiden sich Studien darin, ob es sich bei ihrem Ergebnis um eine Prognose oder um eine Vorgabe (Zielszenario) handelt. Sofern man allerdings versucht, die Vielzahl von Studien und Szenarien zu vergleichen, stellt man fest, dass sie zu sehr unterschiedlichen Aussagen kommen oder sehr unterschiedliche Entwicklungen prognostizieren oder unterstellen [1].

Missverständnisse fangen schon mit der Frage an, welche Zeithorizonte oder Regionen betrachtet wurden oder ob es eine objektive Arbeit oder eine Auftragsstudie einer Interessengruppe war. Auch die Frage, ob ein bestimmtes Ergebnis prognostiziert worden ist oder aber als Vorgabe unterstellt worden ist, unterscheidet die Studien grundsätzlich:

„Wenn eine Studie zum Beispiel das Ziel hat, aufzuzeigen, welche (zur Not auch unrealistischen) Maßnahmen zur Erreichung einer 95%igen CO2-Reduktion erforderlich wären, kann sie vom Ende her anfangen und eine 95%ige CO2-Reduktion als Arbeitshypothese unterstellen. Das Ziel der Studie war also, Transparenz herzustellen und damit eine Diskussion in Gang zu bringen, ob erforderliche Maßnahmen für ein abstraktes Ziel überhaupt auf gesellschaftliche Akzeptanz stoßen. Solange aber der grundsätzlich andere Studienansatz übersehen wird, kann es zur Folge haben, dass dann eine Schlagzeile lautet, die Studie habe wissenschaftlich belegt, dass das 95 %-Ziel erreichbar ist – alle Kritiker seien widerlegt“ [2].

Der World Energy Council unterscheidet drei Ansätze: normative Szenarien, Projektionen und plausible Szenarien:

  • Normative Szenarien unterstellen eine bestimmte Entwicklung in der Zukunft. Von diesem zukünftigen Ergebnis wird zurückgerechnet und dargestellt, welche Maßnahmen zur Zielerreichung erforderlich wären. Ziel ist meist, konkrete Überlegungen in den politischen Entscheidungsprozess einfließen zu lassen, um die erforderlichen Beschlüsse diskutieren oder eher abstrakte Ziele hinterfragen zu können, wie im obigen CO2-Beispiel.
  • Bei Projektionen oder Outlooks stehen quantitative Erwägungen für konkrete mittelfristige Planungen im Vordergrund, wobei die momentane Entwicklung (business as usual) fortgeschrieben und z. B. für Sensitivitätsanalysen verwendet wird.
  • In plausiblen Szenarien werden plausible alternative Zukunftspfade qualitativ beschrieben und durch Modellierung quantitativ unterstützt. Ein Vorteil gegenüber den vorgenannten Ansätzen ist es, dass äußere Einflüsse wie bestimmte globale Trends oder Entwicklungen einbezogen und meist verschiedene Entwicklungspfade in verschiedenen Szenarien aufgezeigt werden (s. Abb.).

Der Szenarienvergleich des World Energy Councils lässt die unterschiedlichen Ansätze deutlich werden. Während einige Analysen den globalen Klimaschutz als primäres Ziel im Vordergrund sehen und relativ geringe Emissionen bei gleichzeitig geringerem Wachstum unterstellen (WEC US, IEEJ Advanced Tech, Statoil Reference), gehen andere von einer höheren Priorität der wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber der Senkung von Emissionen aus (dies gilt für die meisten Outlooks). Manche Szenarien erwarten aber auch eine schlechte Entwicklung der Weltwirtschaft und dennoch steigende Emissionen (WEC HR, Statoil Rivalry, IEEJ Reference, etc.). Demgegenüber sind normative Szenarien (IRENA, Ener Green, IEA SD, Statoil Renewal) optimistischer und erachten eine positive wirtschaftliche Entwicklung trotz drastischer Maßnahmen zur Emissionsminderung für möglich.

Trotz des steilen Anstiegs der erneuerbaren Energien haben fossile Energieträger, insbesondere Gas, auch in normativen Szenarien weiterhin eine hohe Bedeutung. Kernkraft spielt eine wichtige Rolle zur Senkung der CO2-Emissionen bei gleichzeitiger Sicherung der Systemstabilität. Aber auch Carbon Capture & Storage (CCS) wird als wesentlicher Faktor gesehen. In diesen Szenarien wird durch internationale Vereinbarungen erfolgreich eine Kombination von Marktinterventionen, internationaler Koordination und regionaler Integration erreicht (s. Tab.).

Tab.: Aussageschwerpunkte unterschiedlicher Denkansätze

Nachfrage nach ... Plausible Szenarien Projektionen Normative Szenarien
Energie eher höher eher höher eher geringer
Kohle unterschiedliche
Entwicklungen
konstant Sofortiger, drastischer
Rückgang
Öl stabil stabil niedriger
Gas unterschiedliche
Erwartungen
starkes Wachstum Scheitelpunkt vor
2040 erreicht
Kernenergie steigend steigend steigend
Erneuerbare
Energien
Solar u. Windkraft
wachsend, aber
höhere Streuung bei
der Wachstumsrate
Solar u. Windkraft
wachsend
Solar u. Windkraft
stärker wachsend

Zu geringe oder keine Beachtung fanden in fast allen Szenarien wichtige Entwicklungen, die teilweise außerhalb der Energiewirtschaft stattfinden. So wird unter anderem die demographische Entwicklung mit ihren Auswirkungen auf den Energie- und Ressourcenverbrauch ausgeblendet.

Breiterer und ausgewogener Ansatz

Der World Energy Council stellte seine vergleichende Analyse auch vor dem Hintergrund an, dass die eigenen drei plausiblen Szenarien (Unfinished Symphony, Modern Jazz und Hard Rock) überarbeitet wurden. Dem World Energy Council ist es als unabhängiger Organisation mit führenden Stakeholdern aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Verbänden als Mitgliedern möglich, einen breiteren und ausgewogeneren Ansatz zu verfolgen, als es anderen Organisationen möglich ist.

Grundsätzlich sollte bei Studien und Untersuchungen eine klare Unterscheidung zwischen Projektionen, normativen und plausiblen Szenarien stattfinden und die Komplexität umfassender aufgegriffen werden, um ein besseres Verständnis und eine realitätsnähere Abbildung der Entwicklungen zu gewährleisten.

Quellen

[1] Weltenergierat Deutschland: Energie für Deutschland – Fakten, Perspektiven und Positionen im globalen Kontext 2019, S. 43-49.

[2] AaO., S. 43.

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et-Redaktion

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