Der AGFW informiert darüber, welche Auswirkungen die Mehrwertsteuersenkung auf Wärmelieferverträge hat

Über die Auswirkungen der Mehrwertsteuersenkung auf Wärmelieferverträge informiert der AGFW (Quelle: Bruno/Germany auf Pixabay)

Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes auf 16 % hat gem. § 29 UStG unmittelbare Auswirkungen auf die im Fernwärmeversorgungsvertrag vereinbarten Preise. Auf Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmung können die Partner langfristiger Verträge bei sich ändernden Mehrwertsteuersätzen wechselseitig den Ausgleich der Minder- bzw. Mehrbelastung verlangen. Das bedeutet im Ergebnis, dass im Fernwärmeversorgungsvertrag der jeweils gültige Mehrwertsteuersatz anzusetzen ist, ohne dass es hierzu einer besonderen vertraglichen Vereinbarung bedarf.

Abgrenzung der Wärmemengen in der Jahresabrechnung nach Gradtagszahlen

Es entspricht der steuerrechtlichen Praxis, dass bei Änderungen der Mehrwertsteuer im laufenden Abrechnungszeitraum der für den Abrechnungszeitraum ermittelte Verbrauch auf die Zeit vor und nach dem Zeitpunkt der Änderung des Steuersatzes aufzuteilen ist. Etwaige Verbrauchsunterschiede sind zu gewichten. Dies hat das Bundesfinanzministerium zuletzt anlässlich der vorherigen Änderung des Mehrwertsteuersatzes zum Jahreswechsel 2006/2007 verdeutlicht (BMF, Schreiben vom 11. August 2006, IV A 5 – S 7210 – 23/06).

Damit korrespondiert § 24 Abs. 3 S. 2 AVBFernwärmeV. Danach sind bei Änderungen des Mehrwertsteuersatzes, die der Abrechnung zugrundeliegenden Preise zeitanteilig zu berechnen. Jahreszeitbedingte Verbrauchsschwankungen sind auf Grundlage von Erfahrungswerten angemessen zu berücksichtigen. Anerkannt ist die Heizgradtagzahl-Methode. Eine Zwischenablesung ist folglich nicht erforderlich.

Keine Anpassung der Abschläge erforderlich

Ändern sich die Preise im Abrechnungszeitraum, können die Abschläge nach § 25 Abs. 2 AVBFernwärmeV entsprechend des Prozentsatzes der Preisänderung angepasst werden. Dies gilt dem Grunde nach auch für Änderungen des Mehrwertsteuersatzes. Es ist anerkannt, dass keine Pflicht zur Anpassung bei geringfügigen Änderungen besteht, da der verwaltungstechnische Aufwand der Umstellung in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.

Die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes um drei Prozentpunkte ist jedenfalls in relativer Hinsicht geringfügig. Fernwärmeversorgungsunternehmen brauchen daher im Regelfall nichts zu tun. Allenfalls dann, wenn sich wegen großer Verbrauchsmengen spürbare Entlastungen in absoluter Höhe ergeben würden, mögen die Vertragspartner über die Abschlagshöhe verhandeln.

Information über die Preisänderungen durch öffentliche Bekanntgabe

Nach § 1 Abs. 4 AVBFernwärmeV hat das Fernwärmeversorgungsunternehmen seine Preise in geeigneter Weise öffentlich bekanntzugeben. Die Regelung besagt nichts dazu, ob dies Netto- oder Bruttopreise betrifft. Allerdings müssen Fernwärmeversorgungsunternehmen gegenüber Verbrauchern gem. § 3 PAngV die Mehrwertsteuer ausweisen, wenn sie in Vertragsangeboten oder in ihrer Werbung Preise angeben. Bei dem weiten Verständnis dieser Norm fällt auch die öffentliche Bekanntgabe im Sinne des § 1 Abs. 4 AVBFernwärmeV darunter. Das bedeutet, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen, die nicht nur Unternehmenskunden, sondern auch Verbraucher (Privatkunden) versorgen, die wegen der Änderung der Mehrwertsteuer geänderten Preise bekanntgeben müssen.

Eine Ausnahme von der Pflicht zur Information über die Preissenkung gibt es auf Grundlage des § 9 Abs. 2 PAngV: Danach kann von der Information abgesehen werden, wenn es sich um einen Pauschalrabatt für einen begrenzten Zeitraum handelt. In diesem Falle genügt eine globale Information über die Preissenkung in der Rechnung. Das BMF hat in einem Schreiben vom 10. Juni 2020 klargestellt, dass dies auch für die beabsichtigte halbjährige Absenkung der Mehrwertsteuer gilt. Damit könnten diejenigen Fernwärmeversorgungsunternehmen, die ihre Preise nicht im Zeitraum zwischen 1. Juli und 31. Dezember 2020 ändern – etwa weil die Preise auf Grundlage der vereinbarten Preisänderungsklausel nur einmal jährlich angepasst werden –, von einer gesonderten öffentlichen Bekanntgabe absehen. Allerdings empfiehlt der AGFW diese Vorgehensweise nicht: Denn § 9 Abs. 2 PAngV bezieht sich nur auf § 1 und § 2 PAngV, nicht aber auf den für Fernwärme geltenden § 3 PAngV.

Nach allgemeinen Grundsätzen gilt die Pflicht zur öffentlichen Bekanntgabe nur für standardisierte Preise. Anerkanntes Medium der öffentlichen Bekanntgabe ist eine Anzeige in der Tageszeitung. Soweit die Preise auch im Internet veröffentlicht werden, sollten sie selbstverständlich auch dort angepasst werden.

Die öffentliche Bekanntgabe sollte spätestens dann erfolgen, wenn der neue Mehrwertsteuersatz gilt, also zum 1. Juli 2020. Ankündigungsfristen bestehen nicht. Ebenso wenig müssen die Kunden durch Anschreiben informiert werden. Schließlich bestehen auch keine etwaigen Sonderkündigungsrechte. Insoweit stellt sich der Rechtsrahmen anders dar als in der Strom- und Gasversorgung. Dort ist noch unklar, ob die Informationspflichten und Sonderkündigungsrechte des § 41 Abs. 3 EnWG greifen.

Dr. Norman Fricke, Michael Wolf, AGFW

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