Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil zur zur Änderung von Preisen und Preisgleitklauseln gesprochen

Wenn ein Fernwärmeversorger seine Kunden informiert, dass er seine Preise bzw. Preisänderungsklauseln ändert, verstößt dies laut BGH nicht gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Quelle: loufre auf Pixabay)

Am 23. April 2020 verhandelte der BGH über das Recht zur Änderung von Preisen bzw. Preisänderungsklauseln im Wege der öffentlichen Bekanntgabe. Präziser formuliert: Handelt ein Fernwärmeversorgungsunternehmen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unlauter, wenn es seine Kunden in Kundenanschreiben darüber informiert, dass es seine Preise bzw. Preisänderungsklauseln auf Grundlage des § 4 AVBFernwärmeV ändert? Nein, so lautete die Antwort des für Wettbewerbsfragen zuständigen 1. Zivilsenats des BGH. Das aufsehenerregende Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 21. März 2019 wurde damit aufgehoben. Der klagende Verbraucherschutzverband vzbv hat also eine Niederlage eingesteckt.

Keine Irreführung durch Äußerung von Rechtsansichten

Doch mit diesem Urteil ist noch längst nicht alles geklärt. Die eigentliche Frage, ob Fernwärmeversorgungsunternehmen ein Recht zur Änderung der Preise bzw. Preisänderungsklauseln im Wege der öffentlichen Bekanntgabe haben, entschied der BGH nämlich nicht. Dies beruht darauf, dass es angesichts der wettbewerbsrechtlichen Vorschrift (§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG), auf die sich der vzbv berief, nur darum ging, ob das Fernwärmeversorgungsunternehmen seine Kunden durch Angabe falscher Tatsachen in die Irre geführt oder lediglich eine Rechtsansicht geäußert hat. Über Rechtsansichten kann man bekanntlich trefflich streiten. Solange eine rechtliche Frage noch nicht abschließend geklärt ist, darf jedermann sich auf seine Deutung der Rechtsvorschriften berufen. Ob § 4 AVBFernwärmeV ein Recht zur Anpassung der Preise bzw. Preisänderungsklausel an veränderte Umstände gewährt, wurde aber bislang noch nicht vom BGH entschieden. Dem wollte auch der angerufene 1. Zivilsenat des BGH nicht vorgreifen. Er verwies in der mündlichen Verhandlung mit Nachdruck darauf, dass komplexe Rechtsfragen nicht im Wettbewerbsprozess, sondern von den Fachgerichten geklärt werden sollen. 

Mit anderen Worten: Der für das Kauf- und damit auch für Energie- und Fernwärmerecht zuständige 8. Zivilsenat hat darüber zu entscheiden. Dazu besteht womöglich schon bald Gelegenheit. Denn vor diesem Senat sind derzeit Revisionsverfahren anhängig, bei denen zumindest in einem Fall der Rechtstreit auch von der Frage der Berechtigung zur Änderung gem. § 4 AVBFernwärmeV abhängt. Der Termin für die mündliche Verhandlung steht allerdings noch nicht fest.

Empfehlungen für die Fernwärmebranche

Für die Fernwärmeversorgungsunternehmen stellt sich mehr denn je die Frage, wie sie angesichts sich ändernder Erzeugungs- oder Beschaffungssituation ihre Preise bzw. Preisänderungsklausel anpassen dürfen. Soweit einvernehmliche Änderungen mit zumindest einzelnen Kunden oder Änderungskündigungen bei demnächst kündbaren Verträgen möglich sind, sollten Fernwärmeversorgungsunternehmen diesen Weg gehen, da er angesichts der Mitwirkung des Kunden für größere Rechtssicherheit sorgt. Für die Mehrzahl der Verträge dürfte dieser Weg aber kaum praktikabel sein. Vor diesem Hintergrund ist ein schnelles und praktikables Instrument zur Änderung aus Sicht der Praxis unentbehrlich.

Nach Auffassung des AGFW ist eine Änderung der Preisgleitklausel im Wege des § 4 AVBFernwärmeV nach wie vor tragfähig, wenn sie preisneutral erfolgt. Das heißt, die neue Preisgleitklausel startet mit dem Preis, der sich aus der letztmaligen Berechnung der ursprünglichen Preisgleitklausel ergibt. Jedes Fernwärmeversorgungsunternehmen sollte sich aber bewusst sein, dass bis zur endgültigen Entscheidung des BGH in der eigentlichen Frage des § 4 AVBFernwärmeV ein unvermeidbares rechtliches Risiko besteht. Zumindest wurde durch das Urteil des BGH vom 23. April 2020 entschieden, dass die Frage nicht über den Umweg des UWG, also durch etwaige Abmahnungen durch Verbraucherschutzverbände, geklärt werden kann. Es ist aber nach wie vor möglich, dass einzelne Kunden die Anpassung der Preisänderungsklauseln beanstanden. Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich, bei der unternehmerischen Entscheidung über die Vorgehensweise juristische Expertise zu Rate zu ziehen.

Dr. Norman Fricke, AGFW

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