Kontrolle von Fernwärmepreisen

Der BGH hat sich mit der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle von Fernwärmepreisen und dem kartellrechtlichen Verbot der Preisspaltung befasst (Quelle: Lalmch auf Pixabay)

In der Sache (Beschluss vom 9. Juli 2019, Az. KZR 110/18) ging es um ein Fernwärmeversorgungsunternehmen, das in einer sachsen-anhaltinischen Kleinstadt mehrere Wohnungsunternehmen mit Wärme versorgt. Für einen Teil des Versorgungsgebiets wurde durch eine kommunale Fernwärmesatzung ein Anschluss- und Benutzungszwang festgelegt. In diesem Satzungsgebiet bezieht ein Wohnungsunternehmen Fernwärme. Außerhalb des Satzungsgebiets hat ein zweites Wohnungsunternehmen sein Gebäude auf Fernwärme umgerüstet. Die Erschließung des Gebäudes wurde durch die KWKG-Wärmenetzförderung nach § 18 KWKG unterstützt.

Einen Teil dieser Förderung leitete das Fernwärmeversorgungsunternehmen an das Wohnungsunternehmen weiter, indem der Grundpreis für einen bestimmten, vertraglich vereinbarten Zeitraum abgesenkt wurde. Das erste Wohnungsunternehmen erhielt hingegen keine solche Vergünstigung. Es beanstandete deshalb erstens die Preisgestaltung als missbräuchlich überhöht und bezog sich dabei auf eine vermeintliche Umsatzrendite von 43 % im Jahr 2013. Das Fernwärmeversorgungsunternehmen verteidigte sich insbesondere mit dem Hinweis, dass seine Preise im Vergleich zu anderen Versorgern in Sachsen-Anhalt nicht auffällig überhöht sind. Hilfsweise verlangte das Wohnungsunternehmen, dass dem Fernwärmeversorgungsunternehmen verboten wird, dem anderen Wohnungsunternehmen einen Rabatt einzuräumen, der nicht durch die KWKG-Förderung gerechtfertigt ist.

In der Vorinstanz hatte das OLG Naumburg mit Urteil vom 4. Oktober 2018 entschieden, dass die Vorwürfe unberechtigt sind. Es befasste sich allerdings weniger in der Sache mit den Vorwürfen, sondern beschränkte sich formell darauf, dass das Wohnungsunternehmen die kartellrechtlichen Verstöße nicht ausreichend untermauert habe. Dies rief nun den BGH auf den Plan. Er entschied hinsichtlich des Vorwurfs des Preismissbrauchs, dass sich Fernwärmeversorger nicht mit dem bloßen Vergleich der Preise anderer Fernwärmeversorger rechtfertigen können. Vielmehr könne ein Preismissbrauch im Wege der Kostenkontrolle nachgewiesen werden. Daher verwies es den Fall zurück an das OLG Naumburg. Hinsichtlich der Preisspaltung entschied der BGH, dass nicht der Kunde, sondern das Fernwärmeversorgungsunternehmen die Gründe dafür darlegen müsse, warum der Rabatt auf den Grundpreis gerechtfertigt ist. Auch dem müsse das OLG Naumburg nunmehr erneut nachgehen.

Ob marktbeherrschende Unternehmen ihre Stellung durch überhöhte Preise missbrauchen, ist nach der für alle Branchen geltenden Regel des § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB festzustellen. Danach wird im ersten Ansatz nach dem Vergleichsmarktprinzip untersucht, welche Preise die Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb vereinbaren würden. In der kartellrechtlichen Praxis hat sich die Auffassung eingebürgert, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen immer marktbeherrschend sind – gleich, ob eine Fernwärmesatzung besteht oder nicht, weil Kunden wegen der damit verbundenen Kosten nicht auf ein anderes Heizsystem umrüsten würden. Ob dies tatsächlich zutrifft, ist eine andere Geschichte: Viele renommierte Kartellrechtler verweisen mit Fug und Recht auf den Wettbewerb der Heizsysteme. Gleichwohl vergleichen die Kartellbehörden in der Regel die Preise eines in Verdacht geratenen Fernwärmeversorgungsunternehmens mit den Preisen anderer Fernwärmeversorger. Zugleich stößt das Vergleichsmarktprinzip nach der Logik der Kartellbehörden an seine Grenzen: In der Annahme, dass alle in Vergleich genommenen Unternehmen überhöhte Preise nehmen könnten, könnten die schwarzen Schafe nicht identifiziert werden, weil letztlich alle Schafe schwarz seien. Deshalb gerät zunehmend die Kostenkontrolle in Mode, bei der die Differenz zwischen Kosten und Erlösen auf ihre Angemessenheit untersucht wird. Diese Methode wurde zuletzt von den Kartellbehörden und -gerichten bei der Kontrolle von Wasserpreisen vorangetrieben. Es ist zu befürchten, dass Fernwärmepreise in Zukunft zunehmend auf diese Weise unter die Lupe genommen werden. 

Nach Auffassung des AGFW sind auch noch andere Methoden in den Blick zu nehmen. Erstens müssen sich die Fernwärmeversorgungsunternehmen sehr wohl im Wettbewerb der Heizsysteme bewähren. Denn nehmen sie Preise, die deutlich über dem Preisniveau anderer Technologien liegen, werden potenzielle Neukunden sich gegen den Anschluss an die Fernwärme entscheiden und Bestandskunden früher oder später auf Alternativen umsteigen.

Dies würde langfristig den Exodus der Kunden bedeuten. Daher ist der Preisvergleich der Fernwärme mit anderen Heizsystemen unter Vollkostenbedingungen ein probates Mittel zur Einordung der Fernwärmepreise. Zweitens erkennen auch die Kartellbehörden an, dass potenzielle Neukunden, die die Umrüstung auf Fernwärme erwägen, ihre Entscheidung im Wettbewerb der Heizsysteme treffen. Der Preis, den die Neukunden im Wettbewerb zahlen, ist daher folgerichtig der nach dem Vergleichsmarktprinzip anzuwendende Referenzpreis für die kartellrechtliche Beurteilung der Preise. Werden Fernwärmeversorger mit kartellrechtlichen Preismissbrauchsvorwürfen konfrontiert, empfiehlt es sich, auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen. 

Eine kartellrechtlich unzulässige Preisspaltung nach § 19 Abs. 2 Nr. 3 GWB liegt vor, wenn die Preispolitik eines Unternehmens in sich widersprüchlich, willkürlich oder sonst nicht sachlich zu rechtfertigen ist. Dies bedeutet zum einen, dass nicht jede Preisdifferenzierung schlechthin unzulässig ist. Beruht sie auf einem sachlichen Grund, ist sie gerechtfertigt. Zum anderen muss das Unternehmen, das die Preisspaltung vornimmt, diesen Grund nachvollziehbar darlegen. Dieses Fehlen hat der BGH im vorliegenden Fall zu Recht moniert. Es ist daher im erneuten Prozess vor dem OLG Naumburg festzustellen, ob der Rabatt berechtigt war.

Nach Auffassung des AGFW ist dies der Fall. Denn Fernwärmeversorgungsunternehmen müssen, abgesehen von Sonderfällen, die Neukunden im Wettbewerb der Heizsysteme gewinnen. Erscheint dem umworbenen Kunden der standardmäßig angebotene Preis aus welchen Gründen auch immer als zu hoch, besteht die Gefahr, dass sich der Interessent nicht anschließt. Deshalb ist ein Preisnachlass nach unternehmerischem Kalkül bis zu dem Maß sinnvoll, bis zu dem durch den Kunden noch Deckungsbeiträge erwirtschaftet werden können. Dieses Vorgehen benachteiligt nicht etwa die übrigen Kunden, sondern begünstigt sie vielmehr, da auf diese Weise die hohen Fixkosten auf mehr Schultern verteilt werden können. Vor diesem Hintergrund kann es wirtschaftlich sinnvoll sein, dass Fernwärmeversorgungsunternehmen die ihnen zustehende KWKG-Förderung an die Kunden durch zeitweise gewährte Rabatte weiterreichen. Dies gilt umso mehr, als gem. § 19 Abs. 3 KWKG die Förderung für den Hausanschluss an den Kunden auszuzahlen ist, wenn dieser einen Hausanschlusskostenbeitrag gezahlt hat. Wenn die Auszahlung der Hausanschlusskostenförderung gesetzlich verpflichtend ist, kann also die freiwillige Auszahlung der Wärmenetzförderung für das dem Hausanschluss vorgelagerte Verteilnetz nicht kartellrechtlich unzulässig sein. 

Was übrigens die eingangs erwähnten angeblichen 43 % Umsatzrendite betrifft, ist festzuhalten, dass dies keineswegs den Tatsachen entspricht. So hatte das Fernwärmeversorgungsunternehmen vorgetragen, dass diese Behauptung des Wohnungsunternehmens nicht zutrifft. Das OLG Naumburg hatte diesen Vorwurf nur deshalb als wahr unterstellt, weil es davon ausging, dass in sehr kalten Wintern wie im Jahre 2013 eine überdurchschnittlich hohe Wärmemenge abgesetzt werden konnte. Dies vermochte wiederum der BGH nicht glauben, weil er annahm, dass bei einem größeren Wärmeabsatz auch mehr Brennstoffe eingesetzt werden müssen. Bemerkenswert ist außerdem, dass sowohl das OLG Naumburg als auch der BGH die turnusmäßigen Preisabfragen in Sachsen-Anhalt mit der Sektoruntersuchung Fernwärme des Bundeskartellamts aus den Jahren 2009 und 2012 verwechselten.


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Dr. Norman Fricke, AGFW

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