So gelingt der Diskurs: „Unser größtes Kapital ist Vertrauen, was aus einer langfristigen, breiten Zusammenarbeit entsteht, die auf Augenhöhe gestaltet wird“, sagt Anja Surmann, Geschäftsführerin des Klima-Diskurs NRW

„Unser größtes Kapital ist Vertrauen, was aus einer langfristigen, breiten Zusammenarbeit entsteht, die auf Augenhöhe gestaltet wird“, sagt Anja Surmann, Geschäftsführerin des Klima-Diskurs NRW (Bildquelle: Laufkötter)

EHP: Klima-Diskurs NRW ist ein gemeinnütziger und unabhängiger Verein. Was ist sein Ziel?

Surmann: Lassen Sie mich mit einem Beispiel anfangen. In Davos sitzen gerade Vertreter aus Wirtschaft und Politik zusammen – dieses Mal zum Thema Klimaschutz. Sie versuchen, Lösungen zu finden, wie Wohlstand und Wachstum zusammengebracht werden können mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Der Klima-Diskurs NRW macht das im Grunde schon seit 2012. Er ist nämlich aus der Erkenntnis heraus entstanden, dass uns Alleingänge und auch ideologische Gräben beim Thema Klimaschutz überhaupt nicht helfen, sondern dass wir gemeinsame Lösungen brauchen und die vor uns liegenden Aufgaben auch nur gemeinsam gelöst werden können. Die Gründungsväter von Klima-Diskurs NRW haben sich damals die nicht ganz kleine Aufgabe gesetzt, das Klima zu schützen und gleichzeitig den Wirtschafts- und Industriestandort zu erhalten.

EHP: Sie haben gut 130 Mitglieder. Wer sind die Akteure?

Surmann: Wir bringen Stakeholder aus den verschiedensten Bereichen von Zivilgesellschaft, Natur- und Umweltschutzverbänden, Wirtschaftsverbänden und der energieintensiven Industrie zusammen. Übrigens zählen auch der AGFW und etliche Stadtwerke zu unseren Mitgliedern. Bei uns mit an Bord sind auch Kirchen, Gewerkschaften, Verbraucherzentrale und Kommunen, um an konfliktbehafteten Themen rund um das Thema Klimaschutz gemeinsam zu arbeiten.

EHP: Das sind sehr unterschiedliche Akteure. Dadurch werden größtmögliche Belange abgedeckt. Aber birgt das nicht hinsichtlich der unterschiedlichen Interessen hohes Konfliktpotenzial?

Surmann: Es macht uns als Klima- Diskurs aus, dass wir diese gesamte Bandbreite der Akteure haben. Wir sparen Konflikte nicht aus, sondern greifen sie auf, machen sie zum Gegenstand unserer Diskurse und versuchen, darüber ein gemeinsames Verständnis zu entwickeln. Es macht einen Unterschied, ob man sich immer nur in akuten, konfliktbehafteten Auseinandersetzungen gegenübersitzt oder ob man auch den Menschen hinter den Argumenten kennengelernt hat und Argumente hört, die ansonsten in der Öffentlichkeit keine Rolle spielen. Das ist das Merkmal des Klima-Diskurses NRW. Unser größtes Kapital ist Vertrauen, was aus einer langfristigen, breiten Zusammenarbeit entsteht, die auf Augenhöhe gestaltet wird.

EHP: Was macht Klima-Diskurs NRW?

Surmann: Wir laden zu öffentlichen Veranstaltungen wie das Klima-Forum und die Klima-Werkstatt ein. Wir bieten unseren Mitgliedern die Klimalounge an und wir organisieren exklusiv für unsere Mitglieder interne Diskurse. Diese Diskurse finden im geschützten Raum statt zu sektorübergreifenden Themen wie Verkehr, Gebäude, Energiewirtschaft, Industrie. Aber auch die großen transformatorischen Prozesse spielen dort eine Rolle. Im vergangenen Jahr haben wir im Rahmen unserer internen Diskurse beispielsweise die Themen CO2-Bepreisung, die Energieversorgungsstrategie des Landes NRW, aber auch das Thema Sozialverträglichkeit von Klimawandel und Klimaschutzpolitik aufgegriffen.

EHP: Diese Themen werden von vielen und häufig diskutiert. Was ist das Besondere am Klima-Diskurs?

Surmann: Diese internen Diskurse stehen nur unseren Mitgliedern offen. Sie sind eine Art Reallabor der Klimapolitik, weil hier alle Interessen zueinander kommen, d. h., hier bewegt sich jeder Teilnehmer nicht mehr in der eigenen Lobbygruppe oder in der eigenen Interessenvertretung, sondern hier wird sektorübergreifend und interessenübergreifend diskutiert. Das ist die Grundlage dafür, gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

EHP: Gibt Klima-Diskurs NRW die Themen vor oder kommen diese von den Mitgliedern?

Surmann: Beides. Wir sind ein sehr partizipativ angelegter Verein, d. h., wir leben auch davon, dass Mitglieder uns Vorschläge machen und sagen: Ich möchte gerne mal ein bestimmtes Thema in einem internen Diskurs mit der Breite der Mitgliedschaft diskutieren, weil ich wissen möchte, wie denken die anderen darüber, wo liegen Chancen, wo liegen vielleicht auch Hindernisse und gibt es gemeinsame Lösungen, die wir anstrengen können, die jeder für sich in die jeweiligen Unternehmen oder den Verband oder Verein mitnimmt.

EHP: Sie erwähnten als Format die Klimalounge. Was ist darunter zu verstehen?

Surmann: Wir bieten dieses Format bei sehr verfestigten Konflikten einzelner Mitglieder an. Die Klimalounge ist ein absolut vertrauliches Format, in dem Mitglieder auf eigenen Wunsch hin die Möglichkeit bekommen, bei uns in einem geschützten Raum nach Chatham House Rules zu sprechen. Es wird nicht bekannt, dass es das Gespräch gibt, nicht zu welchem Thema und letztendlich auch nicht, wer am Tisch sitzt. Das ist eine Möglichkeit, die bei uns zunehmend genutzt wird. Es gibt wirklich einen großen Bedarf, vertrauensvoll miteinander zu reden, und den Wunsch, die Dinge gemeinsam zu lösen.

EHP: Agieren Sie dabei als Mediator?

Surmann: Wir haben nur die Aufgabe, diesen geschützten Raum zu bieten – in der Regel hier in der Geschäftsstelle. Wir bieten damit einen neutralen Grund. Das macht atmosphärisch eine Menge aus. Die Vorschläge, wer daran teilnimmt, kommen von den Mitgliedern selbst. Gerade das Thema Klima bzw. Klimaschutz war lange Zeit sehr konfliktbehaftet. Die Interessenparteien haben sich überhaupt nicht aufeinander zubewegt und alles abgelehnt, was in irgendeiner Art und Weise darauf hindeuten könnte, dass man sich annähert. Das brechen wir mit dieser Klimalounge auf. Das ist in der Tat überhaupt nicht zu unterschätzen.

1 / 2

Ähnliche Beiträge