Bild 1. Schematische Darstellung des Horizontalspülbohrverfahrens (HDD), das sich besonders für den Fernwärmenetzausbau entlang flexibel planbarer Trassen eignet

Bild 1. Schematische Darstellung des Horizontalspülbohrverfahrens (HDD), das sich besonders für den Ausbau des Fernwärmenetzes entlang flexibel planbarer Trassen eignet (Bildquelle: Tracto-Technik)

Die verschiedenen grabenlosen Verfahren werden unter dem Fachbegriff »Nodig-Techniken« zusammengefasst. Diese eignen sich optimal, um alle Arten von Rohrleitungsnetzen ohne Gräben zügig, schonend und kosteneffizient bis zum Anschluss beim Endkunden auszubauen. Die allgemeinen ökologischen und ökonomischen Vorteile der unterirdischen Verlegung gegenüber der offenen Bauweise sind folgende:

  • wertvolle Oberflächen und Ressourcen werden geschont, weil aufwendige Aushub- und Wiederherstellungsarbeiten entfallen;
  • kaum Störungen der Anwohner und der Geschäftswelt, keine Beeinträchtigung der urbanen Qualität;
  • der Verkehr wird kaum behindert, Folgeschäden am Straßenbelag werden vermieden;
  • stark reduzierte Umweltbelastungen, d. h. deutlich weniger Emissionen und Verbrauch von Naturkapital;
  • kurze Bau- und Rüstzeiten, schnelle Bauausführung, hohe Termintreue;
  • zielgenaue und verlässliche Technik, verfahrenssichere und bewährte Anwendung;
  • maximale planerische und technische Sicherheit durch Berücksichtigung neuester Regelwerke;
  • deutlich niedrigere direkte und indirekte Kosten gegenüber der offenen Bauweise.

Die Nodig-Technik deckt mittlerweile das komplette Anwendungsspektrum des Rohrleitungsbaus für die Ver- und Entsorgung ab. Dabei können verschiedene grabenlose Verfahrensarten je nach Rahmenbedingungen flexibel für die Rohrneuverlegung und die Herstellung der Hausanschlüsse eingesetzt werden.

Bei bauausführenden Unternehmen in der Tiefbaubranche ist das hinlänglich erprobt und die Anzahl der Maßnahmen in geschlossener Bauweise für die Rohrneuverlegung und die Herstellung der Hausanschlüsse nimmt stetig zu. Auch der Branchenverband AGFW hat das Potenzial der grabenlosen Verfahren erkannt und trägt durch entsprechende Forschungsprojekte des Projektkreises »Grabenloser Fernwärmeleitungsbau« dazu bei, eine abgesicherte Wissensbasis im Hinblick auf die spezifische Besonderheit von Fernwärmerohren zu schaffen (z.B. AFGW-Förderprojekt Fernwärme-Testgelände Wunstorf bei Hannover).

Flexible grabenlose Verfahren für die Fernwärmeversorgung

Im Bereich der Fernwärme kann die Nodig-Technik eingesetzt werden, um die Medienrohre für Fernwärme vom Erzeuger zur Übergabestation und von dort bis in der Versorgungsraum des Endkunden kraftschlüssig und ohne Wärmeverlust zu verlegen. Die Verlegung in beliebiger Tiefenlage ist dabei ein großes wirtschaftliches Plus für die grabenlosen Techniken gegenüber einer offenen Verlegung. Die Lösungen für den schnellen, schonenden und kostengünstigen Fernwärmenetzausbau sind:

  • die effiziente unterirdische Verlegung von flexiblen und starren Medienrohren aus den gebräuchlichen Materialien entlang von Straßen, unter Verkehrs- und Wasserwegen, entlang linearer und flexibel wählbarer Trassen;
  • die komfortable parallele Verlegung der Zu- und Rückführleitungen;
  • die grabenlose Verlegung der Hausanschlussleitungen von der Übergabestation zum Gebäude.

Für die unterirdische Verlegung isolierter Kunststoffleitungen oder von Wellrohren aus Stahl kommen verschiedene Nodig-Verfahren zum Einsatz. Dabei wird zwischen ungesteuerten und gesteuerten Vortriebssystemen unterschieden:

  • Gesteuerte Horizontalspülbohranlagen kommen für die Querung von verkehrlicher Infrastruktur, Gewässern und topographisch schwierigem Gelände sowie großen Längen zum Einsatz. Neben dem Einzel- kommt dabei auch der Mehrfacheinzug von Schutz- aber auch von wärmeisolierten Produktrohren zur Anwendung.
  • Kurze Strecken unter Straßen und Schienenwegen werden in Schutzrohren mit ungesteuertem Rohrrammen unterquert.
  • Im Hausanschlussbereich ist die ungesteuerte Erdrakete für die Bohrung für Anschlussleitungen mit Vor- und Rücklaufführung einsetzbar.  

Horizontalspülbohrverfahren

Beim Horizontalspülbohrverfahren (HDD) wird mit einem steuerbaren Bohrgerät mittels eines steuerbaren Bohrkopfs zuerst eine Pilotbohrung entlang der flexibel planbaren1 Bohrtrasse erstellt (Bild 1). Beim Zurückziehen des Bohrgestängestrangs wird das Bohrloch durch einen Aufweitkopf (Backreamer) vergrößert und das anhängende Rohr in die Trasse eingezogen. So können Rohrleitungen entlang kurviger Trassen unter Straßen, Gleisanlagen und Gebäuden oder entlang gradliniger Trassen parallel zu Straßen, Gewässern und Gebäuden verlegt werden. Da sich auf diese Weise große Rohrdurchmesser entlang flexibler planbarer langer Trassen verlegen lassen, eignet sich das Horizontalspülbohrverfahren besonders für den Ausbau des Leitungsnetzes sowohl innerhalb komplexer städt­ischer Infrastrukturen als auch im ländlichen Raum.
 

1flexibel planbar« bedeutet, dass die Bohrtrasse nicht linear vom Start zum Ziel verläuft, sondern variabel festgelegt werden kann, z. B. um Hindernisse wie bestehende Leitungen zu umfahren. Das ist die Besonderheit der steuerbaren Verfahren, bei denen die Position des
Bohrkopfs mit einem Ortungsgerät verfolgt wird und die Richtung/Neigung ggf. während des Bohrens angepasst werden kann.

Stahlrohr-Rammverfahren

Beim Stahlrohr-Rammverfahren werden offenen Stahlrohre ohne Widerlager mit dynamischer Ramm­energie zielgenau durchs Erdreich vorgetrieben. Auf diese Weise lassen sich Stahlrohre bis 4 000 mm Durchmesser als Medien- oder Schutzrohre unter Straßen, Gleisanlagen, Parkanlagen, Bäumen und Gebäuden ohne die Gefahr von Bodensetzungen verlegen. Das ins Rohr eindringende Erdreich wird nach dem Vortrieb mit Luft und/oder Wasser herausgedrückt oder ausgebohrt.

Bodenverdrängungsverfahren

Beim Bodenverdrängungsverfahren wird mit dem pneumatisch betriebenen Verdrängungshammer ein unterirdischer Hohlraum aufgefahren, in den Rohre bis DN 150 und Kabel jeglicher Art sofort oder nachträglich eingezogen werden. So können Kurzrohre mit glatten Muffen und Langrohre oder Kabel über kurze Distanzen sofort oder nachträglich eingezogen werden. Weil kein Kopfloch vor dem Gebäude notwendig ist und die Erdraketen auch direkt aus dem Gebäude starten können, eignet sich das Bodenverdrängungsverfahren besonders für kurze Trassen und die Herstellung von Hausanschlüssen.

Mit den von Umweltverbänden als nachhaltig anerkannten Nodig-Verfahren lassen sich sogar Projekte realisieren, die ansonsten aus Gründen des Naturschutzes oder wegen besorgter Anrainer nicht durchführbar wären. Auch der Branchenverband AGFW erkennt an, dass die unterirdische Verlegung manchmal die einzige Möglichkeit ist, einen bestimmten Trassenverlauf zu verwirklichen. Die Nodig-Technik bietet zudem maximale planerische und technische Sicherheit durch Berücksichtigung neuester Regelwerke und die präzise Nachweisbarkeit von Position, Funktion und Dichtheit der neuen Rohrleitungen.

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