Mit den neuen Verfahren lässt sich die Strombelastbarkeit von Freileitungen bei bis zu 75 % aller Wetterbedingungen um rund 20 % erhöhen. Zu vielen Zeiten ist sogar eine Erhöhung von 50 % möglich.

Mit den neuen Verfahren lässt sich die Strombelastbarkeit von Freileitungen bei bis zu 75 % aller Wetterbedingungen um rund 20 % erhöhen. Zu vielen Zeiten ist sogar eine Erhöhung von 50 % möglich. (Quelle: Fraunhofer IEE/Klaus Otto)

Um Netzengpässe mit Redispatch- und Einspeisemaßnahmen zu vermeiden, setzen Netzbetreiber vermehrt auf Netzoptimierung und -verstärkung. Eine höhere Auslastung der Freileitungen ist durch die Einbeziehung der Abhängigkeit der Dauerstrombelastbarkeit bzw. Leiterseiltemperatur von den äußeren meteorologischen Bedingungen möglich. Die Windgeschwindigkeit und die Lufttemperatur sind entscheidende Größen für den Betrieb von Freileitungen, da deren Kühlung stark von ihnen abhängt. Eine vollständige Messung der relevanten meteorologischen Bedingungen entlang von Stromtrassen oder gar ganzer Stromnetze ist jedoch aufwendig.

Mehrere Netzbetreiber verfolgen daher den Ansatz, die meteorologischen Umgebungsvariablen mit Wetterstationen zu erfassen. Dafür hat das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) zwei neue Verfahren entwickelt. Damit ist es möglich, mit möglichst wenigen Wettermessstationen eine hohe Genauigkeit hinsichtlich der Abschätzung der herrschenden relevanten meteorologischen Parameter entlang von Stromkreisen zu erreichen. »Ein Ansatz nimmt dabei den einzelnen Stromkreis in den Fokus und bestimmt meteorologisch bedingte Engpässe, sogenannte Hot-Spots, entlang des betrachteten Stromtrasse, an welchen im Nachgang Wettermessstationen implementiert werden sollten“, beschreibt Jan Dobschinski, Gruppenleiter Prognosen für Energiesysteme beim IEE. Bei der anderen Methode wird ein gesamtes Netzgebiet betrachtet und repräsentative Messstandorte gesucht, die sich für möglichst viele Stromkreise im Netzgebiet eignen. Ziel ist es, mit wenig Aufwand eine möglichst genaue Abschätzung des vorherrschenden Wetters durchführen zu können.

Für die Entwicklung und Validierung der Verfahren haben die Wissenschaftler am IEE verschiedene erdgebundene, aber auch satellitenbasierte meteorologische Mess- und Modelldaten innerhalb eines neu entwickelten Optimierungsalgorithmus verwendet. »Für die beiden neuen Verfahren haben wir untersucht, wie hoch der Nutzen eines Freileitungsbetriebs unter Kenntnis der Temperatur, der Windgeschwindigkeit und der Solarstrahlung in Abhängigkeit von der Länge der Trasse und der Topographie einer Region sein kann. Die Ergebnisse zeigen, dass mit den neuen Verfahren in bis zu 75 % der Zeiten die Stromkreise zu rund 20 % höher ausgelastet werden können. Bei einzelnen Stromkreisen sind sogar Erhöhungen von über 50% in vielen Zeiten möglich“, beschreibt Dobschinski die Ergebnisse der Verfahren. „Eine solche Erhöhung muss jedoch auch mit allen anderen Betriebsmitteln konform sein. Der witterungsabhängige bzw. adaptive Betrieb von Freileitungen ist eine der effizientesten und wirtschaftlichsten Maßnahmen zur Optimierung der Übertragungskapazitäten in elektrischen Netzen.«, so das Fazit von Dobschinski. Teile der neuen Verfahren werden bereits im Netzbetrieb eingesetzt und haben ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt.

ew-Redaktion

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