Michael Krüger: Vor allem wenn es um Energiedaten und die hohen Anforderungen hinsichtlich des Datenschutzes geht, können wir mit unserer langjährigen Markterfahrung und einer durchgängigen Zertifizierung punkten.

Michael Krüger: Vor allem wenn es um Energiedaten und die hohen Anforderungen hinsichtlich des Datenschutzes geht, können wir mit unserer langjährigen Markterfahrung und einer durchgängigen Zertifizierung punkten. (Bildquelle: Gisa)

Herr Krüger, Herr Klaus, die Gisa GmbH ist seit gut 25 Jahren als IT-Dienstleister für die Energiewirtschaft tätig. Wie hat sich Ihr Geschäft in dieser Zeit geändert?

 Krüger: Die Gisa GmbH ist vor gut 25 Jahren als Ausgründung des IT-Bereichs von vier Versorgungsunternehmen gestartet. Ganz am Anfang stand der Betrieb der IT-Infrastruktur für diese Unternehmen im Fokus. Es wurde jedoch schnell deutlich, dass wir uns breiter aufstellen müssen, also als IT-Komplettdienstleister mit dazugehöriger Beratungskompetenz – und zwar sowohl für die Versorgungswirtschaft als auch für andere Branchen. Dementsprechend konnten wir immer mehr Geschäft außerhalb unserer Eigentümerstruktur generieren. Dieser Erfolg zeigt sich auch an der Mitarbeiterzahl von Gisa, die von ursprünglich 70 auf heute rund 800 gestiegen ist. Klaus: Auf unserem Weg von der klassischen IT-Abteilung eines Energieversorgers zum branchenweit agierenden IT-Dienstleister haben wir natürlich die Veränderungen in der Energiebranche hautnah miterlebt. So gibt es den klassischen Versorger, der alles macht, heute nicht mehr. Vielmehr haben wir es mittlerweile mit sehr unterschiedlichen Marktrollen zu tun, die wir mit angepassten IT-Dienstleistungen und individuellen Prozessunterstützungen bedienen müssen. Von dem ehemaligen Fokus auf das einfache Menge-mal-Preis-Abrechungsmodell sind wir also längst weit entfernt. Die Prozesse sind deutlich komplexer geworden – und genau hier setzt unser Dienstleistungsangebot an.

Hat sich somit Ihr Tätigkeitsfeld vom klassischen Programmierer zum Prozessdienstleister entwickelt?

Krüger: Eher vom IT-Infrastrukturbetreiber und Anwendungsbetreuer zum kompletten Beratungshaus, das auch weitere Systeme betreut und komplette Outsourcing-Dienstleistungen bieten kann.

Klaus: Wir waren eigentlich nie ein klassischer Software-Hersteller. Vielmehr bauen wir auf bestehende Standardlösungen auf, die wir für unsere Kunden individuell veredeln. Damit bieten wir für die unterschiedlichen Systeme und Prozesse der Unternehmen durchgängige IT-Lösungen an. Unsere Mission lautet dabei: IT-Lösungen aus einer Hand – von der Telefonanlage, über Netzwerke und Endgeräte bis zu komplexen Abrechnungssystemen.

Wenn Sie die vergangenen 25 Jahre Revue passieren lassen: Was waren die größten Herausforderungen für die Unternehmen der Energiebranche bezüglich der IT-Infrastruktur?

Krüger: Das war sicherlich das Thema Unbundling, da sich damit die Strukturen in der Energiebranche komplett verändert haben – von integrierten Versorgungsunternehmen zu unterschiedlichen Marktrollen. Dies hat sich auch auf die IT-Systeme ausgewirkt. Wo früher ein integriertes System mit den entsprechenden Prozessen ausreichte, sind diese heute auf zwei oder drei Systeme aufgeteilt, die aber aufgrund der dahinterstehenden Massenprozesse zwingend eine IT-Unterstützung benötigen. Nur durch eine konsequente Digitalisierung der Prozesse kann heute ein funktionierender Gesamtprozess über alle Marktrollen hinweg gewährleistet werden.

Klaus: Wir haben diesen Prozess der Mandantentrennung bei unseren Kunden sehr intensiv begleitet und entsprechende Lösungen etabliert. Dabei hat sich immer wieder gezeigt: Jede Marktrolle, die der Gesetzgeber neu definiert, erfordert neue automatisierte und IT-gestützte Prozesse und führt bei den Unternehmen zu neuen Herausforderungen – und dass diese Entwicklung bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist, wird zurzeit im intelligenten Messwesen deutlich.

Krüger: Zudem sehen wir, dass der Markt immer kleinteiliger wird, denn es gibt immer wieder neue Akteure im Energiemarkt. Auch dies hat Einfluss auf die IT-Lösungen. Sowohl der Kleinteiligkeit als auch diesen neuen Akteuren tragen wir mit speziell zugeschnittenen Angeboten Rechnung.

Welche Dienstleistungen bieten Sie hier an?

Krüger: Wir sind prädestiniert dafür, Unternehmen ab einer gewissen Größe klassische IT-Dienstleistungen für den Systembetrieb und für das Tagesgeschäft anzubieten. Vor allem wenn es um Energiedaten und die hohen Anforderungen hinsichtlich des Datenschutzes geht, können wir mit unserer langjährigen Markterfahrung und einer durchgängigen Zertifizierung punkten.

Das Motto von Gisa auf der diesjährigen E-world lautete »IT-Lösungen für das Stadtwerk der Zukunft«. Wie sieht aus Ihrer Sicht das Stadtwerk der Zukunft aus?

Krüger: Stadtwerke werden ganz neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen. Der bloße Vertrieb von Strom und Gas wird immer schwieriger und auch künftig nicht mehr ausreichen, schon aufgrund der Vielfalt der Anbieter. Auch Netzbetreiber agieren zunehmend mit neuen Dienstleistungen im Stadtwerkeumfeld. Ein zwar nicht wirklich neues, aber durchaus sehr interessantes Thema ist zum Beispiel die Integration oder Bündelung von Dienstleitungen. Das können Nahverkehr, Wasser, Gas und Strom als klassisches Geschäft, aber auch andere Dienstleistungen wie die Verwaltung kommunaler Infrastrukturen oder von Gebäuden sein. Das zeigt: Die Erfolg versprechenden Dienstleistungen und Geschäftsmodelle werden künftig deutlich komplexer sein als bisher. Hier können wir die Stadtwerke sowohl mit angepassten IT-Systemen als auch durch Beratung zur Entwicklung neuer Geschäftsfelder und der damit zusammenhängenden Prozesse unterstützen.

Klaus: Genau dafür haben wir Anfang 2018 die Mehrheit an der Quantic Digital GmbH erworben, einem Beratungsunternehmen für digitale Geschäftsmodelle. Hier stehen zum Beispiel die folgenden Fragen im Fokus: Was bedeutet Digitalisierung für ein Stadtwerk? Wie komme ich zu neuen Ideen für Geschäftsmodelle? Mit dieser neuen Herangehensweise können wir einen echten Mehrwert für unsere Kunden schaffen.

Krüger: Hinzu kommen die klassischen neuen Themen wie die Elektromobilität. Auch dafür entwickeln wir zusammen mit Stadtwerken und mit Partnern seit Längerem Lösungen, zum Beispiel im Bereich Fuhrpark und Carsharing. Für all diese Themen werden Automatisierungs- und IT-Lösungen gebraucht, um die komplexen Prozesse abbilden zu können. Eine manuelle Verarbeitung der Daten wird perspektivisch nicht mehr möglich sein.

Wo sehen Sie aktuell die größten Einsatzfelder für die Digitalisierung in der Energiewirtschaft?

Krüger: Hier wird an vielen Stellen sehr intensiv in den Unternehmen gearbeitet. Die klassischen Stadtwerke sind gezwungen, zusätzliche Effizienzen zu heben, indem sie ihre Systeme auf durchgängig digitalisierte Prozesse umstellen. Bei der Kundenschnittstelle im Privatkundengeschäft geht der Weg hin zur Vollautomatisierung. Dabei werden die Kundenportale vielfach so erweitert, dass die Kunden unterschiedliche Prozesse eigenständig erledigen oder anstoßen können. All dies muss in die klassischen Abrechnungssysteme integriert werden. Viele Stadtwerke überlegen zudem, welche IT- oder Abrechnungslösung für welches Kundensegment die jeweils richtige ist. Denkbar ist zum Beispiel auch, für verschiedene Kundensegmente unterschiedliche IT-Lösungen einzusetzen – was durchaus effizient sein kann. Es gibt also viele Ansatzpunkte, die in den Unternehmen diskutiert werden und die wir mit entsprechender Beratungsleistung begleiten.

SAP-Dienstleister ist die bevorstehende Umstellung auf SAP S/4 Hana. Welche Vorteile ergeben sich für Stadtwerke mit dem neuen System?

Krüger: Wir haben uns vom klassischen SAP-Dienstleister zu einem produktneutralen IT-Dienstleister entwickelt, der auch auf alternative Standardlösungen zurückgreift. Das SAP-Umfeld ist jedoch weiterhin ein wichtiges Geschäftsfeld für Gisa. Durch die jetzt vollzogene Umstellung auf SAP S/4 Hana ergeben sich zum einen technologische Vorteile zum Beispiel bezüglich Speichereffizienz und -geschwindigkeit. Viel wichtiger sind nach meiner Meinung jedoch die neuen Geschäftsmodelle, die sich damit umsetzen lassen, die Möglichkeiten zur Optimierung der Prozesse und auch die zeitgemäßere Logik weg von Kreditor und Debitor hin zu Kundenbeziehungen. Das neue Hauptbuch verändert die Rechnungswesenprozesse und macht diese besser auswertbar, vor allem in Auswirkungen und Abhängigkeiten einzelner Faktoren.

Dem großen Aufwand für die Umstellung stehen also auch neue Chancen gegenüber?

Krüger: Durchaus. Dies zeigen auch die Ergebnisse bei denjenigen Kunden, die schon auf S/4 Hana umgestellt haben. Zum einen besteht die Möglichkeit, Auswertungen und Prozesse zu unterstützen, die vorher nur bedingt möglich waren. Zum anderen bietet die Umstellung auch die Chance, aufzuräumen. Denn im Rahmen des Systemwechsels ist es durchaus sinnvoll, den alten Datenbestand zu bereinigen und sich von Eigenentwicklungen und Spezialanwendungen zu trennen, um diese wieder auf Standardprozesse zurückzuführen. Perspektivisch spart das Kosten und schafft eine hohe Transparenz, die für Managemententscheidungen sehr wichtig ist. S/4 Hana bietet also die Chance, seine IT-Systeme fit für die Anforderungen der Digitalisierung zu machen.

Zu welcher Transformationsstrategie raten Sie den betroffenen Unternehmen?

Krüger: Aus unserer Sicht ist zunächst ein Beratungsprozess einschließlich Readiness Check ratsam. Hierfür haben wir Tools geschaffen, mit denen sich überprüfen lässt, was von den bisherigen Anwendungen überhaupt noch genutzt wird und wieweit ausgedünnt werden kann. Je mehr man sich von altem Ballast trennt, umso kostengünstiger wird die neue Lösung. Es gibt verschiedene Ansätze – unter anderem Greenfield und Brownfield. Jeder hat seine Berechtigung, entscheidend sind die Rahmenbedingungen und die Ziele des Unternehmens. Greenfield bietet die Möglichkeit, Standards umzusetzen und damit auch alten Ballast und verbaute Systeme zu entsorgen. Aber viele Unternehmen möchten doch gern Eigenentwicklungen mitnehmen in die neue Welt. Das ist nicht nur Sentimentalität, sondern kann ganz nachvollziehbare Gründe haben. In diesem Fall ist es sicher sinnvoll, den Brownfield-Ansatz, der aufwendiger ist, zu wählen.

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