Nutzung der pebbles Blockchain-Technologie

Sie nutzen bei pebbles die Blockchain-Technologie. Wie setzen Sie diese ein?

Nießen: Die Blockchain-Technologie ist ein zentrales Element der Systemarchitektur. Blockchain schafft Verbindlichkeit der Transaktionen. Wenn jemand ein Angebot einstellt, muss auf jeden Fall sichergestellt sein, dass er auch Strom verkaufen kann, wenn es zum Geschäftsabschluss kommt. Verbindlichkeit ist wichtig für die Bestätigung der Ausführung und für die Übertragung der Netzdaten, die den Nachweis erbringen, dass die Lieferung stattgefunden hat.

Nach anfänglichem Hype ist die Begeisterung für Blockchain etwas abgeflacht. Wie bewerten Sie als Anwender diese Technologie?

Nießen: Blockchain ist dabei, einen realistischen Platz innerhalb der neuen technischen Möglichkeiten einzunehmen. Für den lokalen Marktplatz bringt sie Verbindlichkeit. Aber sie löst nicht alle Fragen der Digitalisierung. Das System besteht insgesamt aus ganz vielen digitalen Komponenten wie dem Gebäudemanagementsystem, dem Marktplatzsystem und den Prognosesystemen.

Ein Kritikpunkt an Blockchain ist der hohe eigene Energieverbrauch des Systems. Ist das in Ihrem System relevant?

Nießen: Nein, die Technik hat sich weiterentwickelt und für unseren lokalen Marktplatz spielt der Energiebedarf eine untergeordnete Rolle. Im Gegensatz zu anderen Anwendungen wie Bitcoin verwenden wir eine Variante der Blockchain-Technologie, die ohne energieintensiven Konsensmechanismus auskommt.

Wie wird aus dem Gebäudeenergiemanagement ein lokaler Handel?

Nießen: Das Gebäudeenergiemanagement ist zunächst die Voraussetzung dafür, dass es für Haushalte überhaupt attraktiv wird, sich an einem lokalen Markt zu beteiligen. Das zweite Element ist die Handelsplattform, über die der Handel automatisch abgewickelt wird. Die Handelsplattform ist darüber hinaus mit der Strombörse verbunden.

Mit dem Handel an der Strombörse kommt eine neue Dimension hinzu. Ist das für einen privaten Haushalt nicht eine Nummer zu groß?

Lucke: Für den Börsenhandel ist natürlich eine professionelle Expertise erforderlich. Das Allgäuer Überlandwerk bündelt daher die kleinteiligen Gebote und tritt gegenüber der Börse als Handelspartner auf. Auf diese Weise findet der Handel gleichzeitig Peer-to-Peer und auch überregional statt.

Welche Erfahrungen machen Sie mit der Akzeptanz der beteiligten Bürger?

Lucke: Die Allgäuer sind sehr aufgeschlossen gegenüber Projekten, mit denen die Energiewende vorangetrieben werden kann. Wildpoldsrieder sind gute Rechner mit ökonomischem und ökologischem Herz. Wir haben ja hier alles: von privat betriebenen Photovoltaikanlagen über Biogasanlagen bis hin zu Windenergieanlagen, die im Rahmen von Bürgerbeteiligungen errichtet wurden. Dazu passt auch die Entwicklung eines lokalen Marktplatzes.

Was motiviert die AÜW, an dem Projekt teilzunehmen?

Lucke: Wir sehen einen First Mover Advantage: Wer als Betreiber einer Plattform als erstes ausreichend Liquidität bündelt, hat eine gute Ausgangssituation. Grundsätzlich könnte den Marktplatz auch ein Internetunternehmen betreiben, das muss kein Stadtwerk sein. Der Betreiber der Plattform sollte neutral und diskriminierungsfrei sein. Auch für Netzbetreiber ist das nicht verboten, aber viele rechtliche Fragen sind noch unklar.

Erwarten Sie aus dem Projekt auch weiterführende Erfahrungen für den Netzbetrieb?

Nießen: Im Bereich der Allgäunetz, also im Untersuchungsgebiet von pebbles, findet bereits an rund 100 Tagen im Jahr eine Rückspeisung aus dem Verteilnetz an das Übertragungsnetz statt. Grund hierfür ist die hohe Stromproduktion aus Photovoltaik. Ziel ist es, in pebbles auch zu prüfen, wie Markteilnehmer über Anreize aus dem Netz dazu motiviert werden können, Strom dann zu verbrauchen oder zu speichern, wenn er lokal in Hülle und Fülle zur Verfügung steht. Dabei geht es auch darum, über den Marktplatz automatisiert dafür zu sorgen, dass die volatile Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien in der Region bleibt. Bei pebbles informiert der Netzbetreiber im Voraus, welche Netzkapazitäten zur Verfügung stehen und der Matching-Algorithmus des Markts lässt nur Gebote zu, die transportiert werden können. Das führt dazu, dass die Marktteilnehmer einen Anreiz haben, sich netzdienlich zu verhalten, ohne dass der Netzbetreiber aktiv eingreifen muss.

Auf welchen Daten basiert die Prognose für die Netzauslastung?

Nießen: Die Prognose der Netzauslastung ist nicht trivial. Wie viel Leistung die Stromkabel transportieren können, ist bekannt und das ändert sich auch innerhalb von 10 Jahren nicht. Die He­rausforderung ist aber die Prognose des Einspeise- und Entnahmeverhaltens der Teilnehmer, die an das Netz angeschlossen sind. Je besser sich das prognostizieren lässt, desto genauer lassen sich die verfügbaren Netzkapazitäten bestimmen.

Lässt sich so etwas im regulatorischen Rahmen überhaupt darstellen?

Lucke: Über die Frage, wie man intelligente Netze honoriert, wird viel diskutiert. Die Bundesnetzagentur sieht Vorteile für die Effizienz des Netzbetriebs, schafft aber mit der aktuellen Anreizregulierung keine Motivation bei Netzbetreibern, in eine intelligente Infrastruktur zu investieren. Aber das ist nur ein Teil der Antwort. Bisher ist offen, wie Innovationen im regulierten Umfeld richtig bewertet werden. Das bremst die Innovationskraft, und Ersparnisse kommen beim Kunden nicht an. Im Rahmen von pebbles veröffentlicht das Konsortium auch Konzepte und Stellungnahmen zu regulatorischen Hürden, die den Betrieb eines lokalen Energiemarkts erschweren oder unmöglich machen. Aktuell kann das volkswirtschaftliche Potenzial, das dem Konzept lokaler Energiemärkte unserer Meinung nach innewohnt, nicht gehoben werden. Wir wollen aber auch Vorschläge unterbreiten, wie ein geeigneter regulatorischer Rahmen aussehen könnte.

Das Kernthema der Energiewende bleibt also, neue Wege zu finden, wie man mit der fluktuierenden Einspeisung möglichst effizient umgehen kann?

Nießen: Richtig. Dabei gibt es zwei Entwicklungen, die das Thema spannend halten. Einerseits wird mit der Elektromobilität und dem Einsatz von Wärmepumpen der Verbrauch zeitlich verschiebbar und kann sich besser an die fluktuierende Einspeisung anpassen. Auf der anderen Seite ermöglicht es erst der vermehrte Einsatz von Sensorik und Kommunikationstechnologie, die komplexen Systeme zu betreiben und im Griff zu behalten. Nehmen wir das Beispiel der smarten Geräte. Im Durchschnitt sind in einem deutschen Haushalt fast zehn Geräte mit dem Internet verbunden. Jedes dieser Geräte hat Sensoren und die Möglichkeit, Daten zu übertragen – Tendenz steigend.

Werden die Verbraucher damit immer mehr kontrolliert?

Nießen: Die Angst vor Kontrolle durch den Netzbetreiber ist unbegründet. Zwar lässt sich immer wieder der deutsche Reflex beobachten, die Privatsphäre zu schützen. Um für den Messbetrieb relevante Aussagen zu treffen, müssen die Daten aber nicht verbraucherscharf vorliegen – und aggregierte Daten fallen auch nicht unter den Datenschutz.

Es kommen auch wirtschaftliche Aspekte ins Spiel. Sollte der Prosumer nicht eine Rendite dafür erhalten, dass er seine Daten dem Markt zur Verfügung stellt?

Nießen: Das wäre durchaus sinnvoll. Dazu könnte das gegenwärtige Urheberrecht auch auf Daten ausgeweitet werden. Über Blockchain wäre es möglich, nachzuhalten, welche Daten, von welchem Urheber kommen. Wenn der Urheber der Daten, von allen, die diese Daten nutzen, etwas Geld bekäme, würde das einen Innovationsschub für alle datenbasierten Geschäftsmodelle geben.

Astrid Sonja Fischer
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