Weil die konventionelle Stromerzeugung zurückgeht – zum Beispiel durch den Kohleausstieg - ist die Stabilität der Stromnetze ohne Gegenmaßnahmen künftig nicht mehr uneingeschränkt gesichert.

Weil die konventionelle Stromerzeugung zurückgeht – zum Beispiel durch den Kohleausstieg - ist die Stabilität der Stromnetze ohne Gegenmaßnahmen künftig nicht mehr uneingeschränkt gesichert. Das und was man dagegen tun könnte, zeigen das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) und das Beratungsunternehmen ef.Ruhr in einer neuen Studie. (Quelle: Leag/Kathrin Rösler)

Der Kohleausstieg hat viele Wirkungen – unter anderem auf die Strompreise, den CO2-Ausstoß und den Strommix in Deutschland. Er beeinflusst aber auch die Stabilität der Stromnetze. Denn die Trägheit der Generatoren in den konventionellen Kraftwerken sorgt mit dafür, dass die Frequenz von 50 Hertz gehalten wird. Wenn ein Kraftwerk ausfällt, dämpft diese Momentanreserve die Frequenzabweichung, die dann aufgrund des Leistungsungleichgewichts zwischen Erzeugung und Last entsteht. Dies verschafft Zeit, um durch Aktivierung der Primärregelleistung das Leistungsungleichgewicht wieder ausgleichen zu können.

Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) hat nun mit dem Beratungsunternehmen ef.Ruhr GmbH untersucht, wie sich der Kohleausstieg in Deutschland auf die Momentanreserve im Energieversorgungssystem auswirkt. Die im Auftrag von Siemens erstellte Studie zeigt: Um die Frequenzstabilität des Stromversorgungssystems auch im Jahr 2040 zu gewährleisten, sind die dann noch aktiven konventionellen Kraftwerke nicht ausreichend, und es müssen Maßnahmen zur Steigerung der Momentanreserve bzw. zur Gewährleistung der Frequenzstabilität getroffen werden.

Zwei Fälle in jeweils zwei Szenarien untersucht

Mit dem vom EWI entwickelten Modell „Dimension“ für den europäischen Strommarkt haben die Studienautoren Dr. Eglantine Künle, Philipp Theile und Dr. Christian Wagner den jeweiligen Kraftwerkspark für das Jahr 2040 in zwei Szenarien optimiert. Beide Szenarien bilden den von der Kohlekommission beschlossenen Kohleausstieg in Deutschland ab. Im zweiten Szenario nutzen außerdem die europäischen Länder mit einem derzeit hohen Anteil konventioneller Stromerzeugung künftig mehr erneuerbare Energien. Die Autoren betrachteten zwei Fälle: einen normativen Ausfall, also einen Ausfall von 3 GW Kraftwerksleistung, und einen System-Split-Fall, also einen Zerfall des Europäischen Verbundsystems in mehrere Netzinseln. Ein solcher System-Split-Fall war im Jahr 2006 schon einmal eingetreten.

Das Ergebnis der Analyse: Mehr Strom aus erneuerbaren Energien und weniger Strom aus konventionellen (Kohle-)Kraftwerken senkt die Momentanreserve. Im Szenariojahr 2040 würde laut Berechnungen von EWI und ef.Ruhr im Fall eines normativen Ausfalls das zulässige Frequenzminimum im Europäischen Verbundbetrieb unterschritten. Im System-Split-Fall würde der Frequenzgradient kritisch steigen. Beides verursacht kritische Systemzustände, die es für eine sichere und unterbrechungsfreie Stromversorgung unbedingt zu vermeiden gilt.

Zur Lösung schlagen die Autoren vor, die Frequenzstabilität durch konkrete Maßnahmen zu sichern: Die Erhöhung der Momentanreserve zum Beispiel durch entsprechende Umrichter von Erneuerbare- Energien-Anlagen wäre eine Möglichkeit. Eine weitere Möglichkeit ist eine schnellere Frequenzregelung. Die Primärregelleistung könnte hierzu beschleunigt werden, oder es könnte eine zusätzliche schnellere Form der Primärregelung, die „Fast Frequency Response“, etabliert werden. Diese könnte sowohl von konventionellen Kraftwerken, aber beispielsweise auch von Windkraftanlagen, Batteriespeichern, Schwungrädern oder auch von leistungselektronischen Bauteilen wie HGÜ-Verbindungen erbracht werden.

Die vollständige Studie steht unter https://www.ewi.uni-koeln.de/de/news/momentanreserve-ffr/ kostenlos zum Download bereit.

ew-Redaktion

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