BmWi-Barometer: Ergebnisse des 1. Barometers zur Digitalisierung der Energiewende

Bild 1. Ergebnisse des 1. Barometers zur Digitalisierung der Energiewende (Quelle: EY)

Die Umsetzung des Gesetzes schreitet seitdem voran, hakt aber noch an vielen Stellen, sodass gesetzlicher Zeitplan und tatsächlicher Fortschritt bei der Digitalisierung der Energiewende auseinander laufen; es wird mehr Zeit benötigt als ursprünglich eingeplant. Woran hakt es? Wo liegen die Gründe? Wo steht Deutschland in der Umsetzung? Wie kann das Tempo gesteigert werden? Diesen und weiteren Fragen wird sich das »Barometer Digitalisierung Energiewende«, das von EY im Auftrag des BMWI in den kommenden Jahren erstellt wird und erstmals im Januar 2019 veröffentlicht wurde. 

Kernziel des GDEW ist die Schaffung einer Plattform in Gebäuden, auf der sicherheitsrelevante Anwendungen in den Bereichen des Smart Metering und des Sub-Metering, des Smart Grid, der Smart Mobility, des Smart Home/Building und der Smart Services erbracht werden können. Damit soll eine Infrastruktur für die Energiewende geschaffen werden. Über das Aufbrechen des spartenbezogenen Denkens soll ein wichtiger Beitrag zur Sektorkopplung geleistet werden: Strom, Gas, Wärme stehen nicht mehr unabhängig nebeneinander, sondern sind im Sinne einer Systemstrategie miteinander zu betrachten.

Wo steht Deutschland in der Umsetzung des GDEW?

Der Stand und der Fortschritt bei der Digitalisierung der Energiewende lassen sich anhand weniger Schlüsselfaktoren festmachen (Bid 1). Diese bilden die Grundvoraussetzungen für die Digitalisierung der Energiewende und bestimmen deren Tempo. Die Bewertung der Schlüsselfaktoren geschieht jeweils mit einer Vielzahl an Indikatoren.

In der Summe ergibt sich bei Gleichgewichtung aller Schlüsselfaktoren eine Gesamtbewertung von 22 bei 100 möglichen Punkten für den aktuellen Stand der Digitalisierung der Energiewende. Dieser Wert zeigt an, dass durch die vielfältigen Arbeiten an der Umsetzung des GDEW durch Behörden und Verwaltung und die Vorarbeiten in den Unternehmen der Energiebranche und anderer Industrie-zweigen ein Fortschritt in der Digitalisierung der Energiewende erzielt werden konnte. Der Wert verdeutlicht aber auch, dass noch viel zu tun bleibt – für Gesetzgeber, Behörden, Verwaltung, Energie­branche und Industrie. Auf ausgewählte Aspekte soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

Stand der Zertifizierung

Mit der Zertifizierung von 31 SMGW-­Administratoren und der Zertifizierung eines Smart-Meter-Gateways (SMGW) sind erste wichtige Grundlagen für den Rollout geschaffen worden. Der gesetzlich vorgeschriebene Rollout von intelligenten Messsystemen kann jedoch noch nicht beginnen, da hierfür die Zertifizierung von drei Geräten notwendig ist. Die Bedingungen für den formalen Startschuss des gesetzlichen Rollouts nach § 30 MsbG sind somit noch nicht erfüllt.

Marktkommunikation: ­Umsetzung der sternförmigen Kommunikation

Bundesnetzagentur (BNetzA) zusammen mit den Verbänden beschäftigt sich intensiv mit der Anpassung der Marktkommunikation an die neuen Erfordernisse. Mit mehreren Zwischenschritten bis zur Realisierung des gesetzlich vorgeschriebenen »Zielmodells« (»Interimsmodell«, Zielmodell mit Verteilung der Daten durch den MSB aus seinen Backend-Systemen heraus) wird zwar sichergestellt, dass eine Prozesslandschaft entsteht, die sowohl für die alte, analoge Welt als auch für verschiedene Stufen der Digitalisierung passt Es wird aber auch erheblicher Zusatzaufwand für alle Marktteilnehmer produziert und der Prozess der Digitalisierung verlangsamt.

Stand der Standardisierung für eine sektorübergreifende ­Digitalisierung der Energiewende

Über Standardisierung soll eine sektorübergreifende Kommunika­tions- und Diensteplattform für die Digitalisierung der Energiewende geschaffen werden. Zudem soll sie für mehr Wettbewerb, Verlässlichkeit der Technik und Interoperabilität sorgen. Dieses übergeordnete Ziel des GDEW – eines seiner Kerngedanken – ist bislang nur in wenigen Aspekten erreicht worden.

Lediglich im Bereich des Smart Metering – und hier ohne den Wärmebereich – sind die notwendigen Festlegungen durch das BSI und darauf aufbauend vom FNN bisher erfolgt. Mit der Veröffentlichung der BMWi-/BSI-Roadmap im Januar 2019 ist aus Marktsicht der weitere Standardisierungsprozess erst relativ spät transparent geworden.

Technologie-Angebot

Insgesamt rd. 20 Hersteller sind mit mMEs auf dem Markt vertreten, neun Hersteller von SMGWs haben sich in den Zertifizierungsprozess beim BSI begeben und etwa ein Dutzend IT-Hersteller bieten ein SMGW-Administrations-System (GWA-System) an.

Die Interoperabilität zwischen den verschiedenen Komponenten eines iMSys ist bereits auf Anwen-dungsfallebene gegeben und wird fortwährend weiterentwickelt, um die technische Interoperabilität weiter zu verbessern. Einzelkomponenten des iMSys bzw. der mME sind heute als wenig praktikabel einzustufen (»Taschenlampenlösung«, »Bundesdisplay«).

In den Einsatzbereichen des GDEW entwickeln sich momentan verschiedene proprietäre Technologien. Die Mehrheit der heute angebotenen Technologien erfüllen jedoch nicht die strengen Daten-schutz- und Datensicherheitsanforderungen des BSI. Daher sind diese überwiegend als Übergangslösungen einzustufen – vor allem wenn hierüber ein Eingriff in das Energieversorgungsystem geschieht bzw. geschehen kann.

Verfügbarkeit und Eignung der Telekommunikation

Deutschland verfügt heute über kein TK-Netz, das allein die zur Digitalisierung der Energiewende notwendige örtliche und systemische Verfügbarkeit bereitstellt. Zwar gibt es eine Vielzahl von TK-Netzen und Angeboten, jedoch erfüllen diese entweder aus technischer, aus regulatorischer oder aus kostenseitiger Sicht – oder einer Kombination davon – die zukünftigen TK-Anforderungen zur Digitalisierung der Energiewende nicht vollumfänglich.

Einem neuen Mobilfunknetz bei 450 MHz kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Nutzung dieser Frequenzen bietet besonders für die Erreichbarkeit der SMGWs in Kellerumgebungen (deep indoor) oder der bidirektionalen Anbindung regional verteilter Betriebsmittel Vorteile. Die Zuweisung der 450-MHz-Frequenz (CDMA 450, LTE 450) wäre für die kritische Infrastruktur der Energieversor-gung eine zielführende Lösung. Hiermit könnten sämtliche TK-Anforderungen der Energiewirtschaft, über die Anbindung der SMGWs hin­aus, gedeckt werden. Vor allem im Bereich des Betriebsfunks besteht eine Herausforderung in der Schwarzfallfestigkeit, die mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand über CDMA bzw. LTE realisiert werden könnte.

Warum hakt es? Wo liegen die Gründe?

Vordergründig werden von vielen Marktakteuren die Verzögerungen bei der Zertifizierung der SMGWs, die fehlende Verfügbarkeit der Geräte, Unklarheiten bzgl. deren Funktionalitäten und die fehlende Umsetzung des Zielmodells in der Marktkommunikation als Hauptgründe für den heutigen Stand der Umsetzung genannt. Dies sind jedoch aus unserer Sicht nur die Symptome. Die Ursachen für die Verzögerungen liegen tiefer und sind auf zwei Aspekte zurückzuführen:

Mit der Digitalisierung verändern sich bestehende Strukturen, Prozesse und Lösungsansätze fundamental. Dies erfordert grundsätzlich ein neues Denken und Handeln von allen Beteiligten – was sich bis heute noch nicht breit durchgesetzt hat.

Es handelt sich bei der Digitalisierung der Energiewende um ein großes und komplexes Infra-strukturprojekt in einem sich dynamisch verändernden Umfeld mit Berührungspunkten mit einer Vielzahl an Technologien, Markt­akteuren, Behörden und Interessengruppen. Dies erfordert eine neue Art der Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten.

Beim Einbau eines intelligenten Messsystems (iMSys) zur Ablesung des Stromverbrauchs wäre es verschenktes Potenzial, den digitalen Prozess und die Infrastruktur nicht weiter zu nutzen, sei es für die Auslesung der Messdaten anderer Sparten, sei es für die Bereitstellung weiterer zusätzlicher Dienste.

Auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Markt­akteuren und Behörden ist zu optimieren. Die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für den Rollout findet bislang überwiegend in den verschiedenen Fachverbänden, Normungsgremien oder Behörden relativ isoliert statt. Gleichgesinnte Fachleute setzen sich in einem ­»closed shop« über einen längeren Zeitraum aus einer spezifischen Perspektive mit einem Detailthema des Rollouts auseinander. So entstehen »Silos«, die suboptimale Lösungen entwickeln. Anstatt sich auf eigene Kompetenzbereiche zurückzuziehen, sollte die Erarbeitung einer gemeinsamen Lösung im Hinblick auf das übergeordnete Ziel »Digitalisierung der Energiewende« stärker in den Fokus aller Beteiligten gestellt werden.

An diesen beiden Stellen – »neues Denken und Handeln« und »ganzheitliche Zusammenarbeit« – gilt es zu allererst anzusetzen, um die Digitalisierung der Energiewende in Deutschland zu beschleunigen und entscheidend voranzubringen. 

www.ey.com

Dr. Helmut Edelmann, Director im Bereich Power & Utilities, und Dr. Frank Fleischle, Partner, Ernst & Young WPG GmbH

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