Laut Entso-E war der Auslöser des Frequenzabfalls eine „Kaskade“ von Ausfällen eines/mehrerer Betriebsmittel in Südosteuropa um 14:05 Uhr.

Durch den Frequenzabfall wurde das kontinentale Stromnetz in zwei Teile (Synchroninseln) geteilt. Die Trennlinie führte durch die Länder Kroatien, Serbien und Rumänien (Bild: APG)

Die Kette der Ereignisse im Detail

  • Das auslösende Ereignis: Ausfall einer 400-kV-Sammelschienenkupplung im Umspannwerk Ernestinovo/Kroatien durch Überstromschutzauslösung um 14:04:25.9 Uhr.

  • Dies führte zu einer Entkopplung der beiden Sammelschienen im Umspannwerk Ernestinovo, wodurch die Stromflüsse im Nordwesten und Südosten des Umspannwerks getrennt wurden.

  • Die Trennung der Ströme im Umspannwerk Ernestinovo führte zur Verlagerung der Stromflüsse auf benachbarte Leitungen, die dadurch überlastet wurden.

  • 14:04: 48.9 Uhr Ausfall der Leitung Subotica – Novi Sad/Serbien) wegen Überstromschutzauslösung.

  • Ausfallen von weiteren Leitungen (insgesamt 14) aufgrund des Überstrom- und Distanzschutzauslösung.

  • Trennung des Systems in zwei Teile um 14:05:08.6 Uhr.

  • Die Resynchronisierung der beiden Teile konnte um 15:08 Uhr wiederhergestellt werden.

Das Gebiet südlich der Trennlinie hatte zu diesem Zeitpunkt Erzeugungsüberschüsse, die aufgrund der ausgefallenen Leitungsverbindungen nicht mehr in den Zentralraum Europas transportiert werden konnten. Ein Frequenzanstieg in Südosteuropa auf bis zu 50,6 Hz (Abweichung um 600 mHz) mit anschließender Reduktion der lokalen Erzeugungsleitung war die Folge.

In der westlichen Insel, zu der auch Österreich gehörte, fehlten nach dem Netzsplit die Erzeugungsmengen aus Südosteuropa. Dieses Leistungsdefizit ließ die Frequenz auf 49,74 Hz (Abweichung um 260 mHz) absinken, ehe mit zusätzlicher lokaler Erzeugung bzw. Verbrauchsreduktion sowie Importen aus Großbritannien und Skandinavien die Frequenz wieder stabilisiert werden konnte.

Es wird in den nächsten Wochen bzw. Monaten einen Endbericht (Entso-E, Acer, EU-Kommission) geben, der gemäß europäischen Regeln publiziert wird.

Klarstellung: Die Energiewende bzw. die erneuerbaren Energieträger stehen aus heutiger Sicht in keinem Zusammenhang mit den Geschehnissen vom 8. Januar.

Internationale und nationale Behebung der Störung

Im Fall einer derartigen Störung setzen automatisierte und europaweit abgestimmte Systemschutzmaßnahmen ein. Durch automatische Schutzeinrichtungen und das unverzügliche Eingreifen aller Übertragungsnetzbetreiber durch deren Wartenpersonal konnte die Frequenz zuerst stabilisiert und danach wieder auf das normale Betriebsniveau zurückgeführt werden. Die Instrumente, die dafür eingesetzt wurden, sind:

  • Abschaltung kontrahierter Stromverbraucher (rd. 1.700 MW in Frankreich und Italien). Hier handelt es sich um Verbraucher, die gegen Abgeltung einer systemdienlichen Abschaltung in solchen Fällen zustimmen. Im konkreten Fall handelte es sich demnach nicht um einen klassischen automatischen Lastabwurf von Endkunden, der erst bei größeren Frequenzabweichungen (ab 1.000 mHz) zum Tragen käme.

  • Anfahren kurzfristig verfügbarer Kraftwerksreserven in verschiedenen Ländern. Neben der auf Frequenzabweichungen automatisch reagierenden Primärregelleistung aller Länder wurden in Österreich auch weitere Kraftwerksreserven aktiviert:

    • Regelzone der APG war zum Zeitpunkt des Störungseintritts ausbilanziert;

    • Marktbasierte Regelreserveprodukte griffen stabilisierend ein (Primärregelreserve, Tertiärregelreserve; in der Regelzone APG grundsätzlich genügend Primärregelreserve vorhanden):

      • Primärregelreserve:

        • 85,96 % Wasserkraft – 49 MW

        • 14,04 % Batterien – 8 MW

        • Insgesamt 57 MW

      • Tertiärregelreserve:

        • 85,96 % Wasserkraft – 232 MW

        • 11,24 % unkonventionelle Anlagen – 30 MW

        • 6,38 % thermische Anlagen – 18 MW

      • Sekundärregelreserve:

        • Regelzone war ausbilanziert – kein Abruf

Durch diese Maßnahmen und die damit einhergehende Wiederherstellung des normalen Betriebsniveaus von 50 Hz (Sollfrequenz) konnten die beiden Netzinseln wieder um 15:08 Uhr synchronisiert und anschließend zusammengeschalten werden.

Die europäische Zusammenarbeit zwischen den Übertragungsnetzbetreibern und die Koordinierung hat ausgezeichnet funktioniert. Innerhalb einer Stunde konnte der Normalbetrieb wiederhergestellt werden. Das zeigt lt. Austrian Power Grid (APG), wie wichtig die europäische Zusammenarbeit im Sinne eines europäischen Schutzmechanismus ist. Auch die lessons learned aus dem ähnlich gelagerten Störfall am 4. November 2006 hätten sich bestens bewährt, darunter vor allem ein europäisches "Awareness System" in dem sich durch vordefinierte Meldungen und graphische Darstellung/Warnungen, alle europäischen Übertragungsnetzbetreiber in Echtzeit stets am letzten Informationsstand halten.

Genereller Ausblick in die Stromzukunft

Dekarbonisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung sind die wesentlichen Treiber der Veränderung des Energiesystems. Um diese Herausforderungen zu meistern, und gleichzeitig die sichere Stromversorgung nachhaltig gewährleisten zu können, ist es notwendig, das Stromsystem ganzheitlich zu entwickeln und Kapazitätsreserven in verschiedenen Bereichen des Stromsystems zu halten bzw. neu zu schaffen.

Dafür braucht es lt. APG folgende Maßnahmen:

  • zusätzliche Netzkapazitäten (umgehender Ausbau der Netzinfrastruktur in Österreich und Europa) sowie zusätzliche Speicherkapazitäten,

  • ausreichende Kraftwerksreserven,

  • zusätzliche Flexibilitätsoptionen, um die Volatilitäten der Erneuerbaren auszugleichen (vor allem mit digitalen Technologien).

Mit derartig geschaffenen Kapazitätsreserven könnten Risiken reduziert und Vorfällen wie der am 8. Januar  präventiv begegnet werden. Andererseits kann damit auch die Integration der erneuerbaren Energien nachhaltig gewährleistet werden. Somit ist die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems vor allem der Strominfrastruktur, die Grundlage eines sicheren und nachhaltigen Stromsystems und somit Grundlage für den Wirtschafts- und Lebensstandort Österreich und Europa.

np-Redaktion

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