BNetzA-Chef Jochen Homann auf dem 14. Deutschen Energiekongress zur Thematik Netzausbau

Auf dem 14. Deutschen Energiekongress verbreitete der Präsident der Bundesnetzagentur (BNetzA), Jochen Homann, Optimismus und Kritik zugleich (Bild: SV Veranstaltungen/Alexander Säckler)

Einerseits seien vom ermittelten Bedarf an neuen Stromleitungen im Umfang von 7 700 km aktuell 1 100 km fertig und weitere 4 600 km im Genehmigungsverfahren, was der BNetzA-Chef auf der Veranstaltung in München Mitte September als gutes Zeichen bewertete. Anderseits sei der Netzausbaubedarf unverändert hoch angesichts des Ausbaus der Erzeugungskapazitäten im Norden und der starken Nachfrage im Süden. Eine Alternative zum Netzausbau sieht Homann nach wie vor nicht, weder durch dezentrale Erzeugungskonzepte in Bayern oder Baden-Württemberg noch durch den Ausbau von Speichern. Zu Letzterem machte der BNetzA-Chef folgende Rechnung auf: Dem aktuellen Bedarf zum Auspendeln von Dunkelflauten von 20 TWh stünde eine Speicherkapazität aller Pumpspeicherwerke von 0,04 TWh gegenüber. Und auch bei der E-Mobilität seien die Ausgleichspotenziale gering. Eine Million Stromautos würden es gerade einmal auf 0,06 TWh bringen. Dies zeige, dass hier neue CO2-neutrale Technologien gefragt seien.

Psychologisches Signal – Neujustierung des Netzausbau im Norden

Auch deshalb gibt es in seiner Behörde Überlegungen, wie sich der Netzausbau regional besser steuern lässt. Davon betroffen ist u. a. die Neujustierung der sog. Netzausbaugebiete im Norden. Diese ­seien aktuell lediglich als psychologisches Signal zu sehen, da die damit verbundenen Ausschreibungsgrenzen für Windenergieanlagen auch angesichts des Genehmigungsstaus bislang niemals gegriffen hätten, schränkte der Behördenchef ein. Auch die Anreizregulierung bietet nach seiner Ansicht Optimierungspotenzial. Homann adressiert dort besonders Regelungen, die es attraktiv machen, Netzausbau zu verzögern. Als Beispiel nannte er in München die Anrechenbarkeit von Betriebskosten für Anlagen, die noch gar nicht in Betrieb sind. "Dies muss geändert werden", konstatierte der oberste Behördenvertreter.

In der anschließenden Podiumsrunde kamen auch die Netzbetreiber zu Wort. Beim Thema Energiewende habe man es mit 50 Mio. Experten in Deutschland zu tun, malte Dr. Werner Götz ein plakatives Bild. "Bürger suchen sich das heraus, was nicht in Ihre Lösungswelt passt, wie den Ausbau der Stromnetze", hat der Chef des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW ausgemacht. Hinzu komme die perfekte Organisation von Bürgerinitiativen. Götz gab auch einen Einblick in die Situation vor Ort: "Wir müssen uns mit 30 000 Einsprüchen auseinandersetzen. Das kostet Zeit."

Dr. Urban Keussen sieht den Hauptgrund für die Verschleppungen in der Politik: »Es hakt an einem klaren politischen Bekenntnis«, sagte der EWE-Technikvorstand. Dass dies funktioniere, habe sich in Schleswig-Holstein gezeigt. Dort habe sich der damalige Energieminister Robert Ha­beck direkt bei den Genehmigungsbehörden gemeldet. Zudem konstatierte Keussen, dass es im Netzausbau "kein Korrektiv" mehr gebe. Auch mit Blick auf die Erdkabel sagte er, dass die Kosten offensichtlich keine Rolle mehr spielten. Dies funktioniert aus seiner Sicht aber nicht: "Man kann Akzeptanzprobleme nicht mit mehr Technik oder Geld lösen", stellte Keussen klar.

Ebenfalls in das Horn der politischen Verantwortung stößt der Transnetz-BW-Chef Götz: "Wenn man die Landes- und Lokalpolitik hinter sich hat, ist die Diskussion eine ganz andere." Götz beobachtet zudem eine "Entweder-oder-Diskussion" auch in der Energiebranche selbst. Unsicherheiten durch das Einbringen immer neuer Technologieoptionen würden in diesem Zusammenhang schaden.

Immer wieder neue ­Debatten erschweren den Netzausbau

Die Argumente der Netzbetreiber kann BNetzA-Chef Homann durchaus nachvollziehen. Ein "roter Faden von der Bundes- bis in Lokalpolitik" sei sein Traum. Als problematisch bewertet es Homann, dass immer wieder neue Debatten angezettelt würden. Hier nimmt er auch die Bundespolitik und sein übergeordnetes Ministerium nicht aus. So sei es ein Fehler gewesen, die ­Informationspolitik zu den Nord-Süd-Trassen so zeitig anzusetzen. Man habe die Leitungsverläufe in einem so frühen Stadium nicht ausführlich und konkret genug darstellen können. Dies habe bei den Bürgern zu einem gewissen "Unwohlsein" geführt, da so schnell das Gefühl aufkomme, dass Informationen zurückgehalten würden.

Lars Rößing von Amprion hat eine Ungleichheit zwischen den Argumenten der Trassengegner und den tatsächlich vor Gerichten verhandelten Themen ausgemacht. Diese seien häufig nicht deckungsgleich. So würden sich die Bürgerproteste oft auf Kritikpunkte wie Elektrosmog oder Naturschutz berufen. Dies wiederum biete Einfallstore für Politiker, um auf Verfahren Einfluss zu nehmen. Häufig hat Rößing schon beobachtet, dass Bundestagsabgeordnete in Berlin getroffene Entscheidungen in ihren Wahlkreisen nochmals hinterfragten. Dr. Peter Ahmels vom Bürgerdialog Stromnetz hatte in München aber noch einen positiven Aspekt parat. So habe sich die Kommunikation der Netzbetreiber erheblich verbessert.

Michael Nallinger

np-Redaktion

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