Die Verantwortlichen des Projektes openKONSEQUENZ: Dr. Michel Alessandrini (Projektleiter PTA GmbH), Gordon Pickford (Projektleiter openKONSEQUENZ, MVV Netze GmbH) und Dr. Tim Walleyo Geschäftsleitung PTA GmbH)

Die Verantwortlichen des Projektes (v.l.): Dr. Michel Alessandrini (Projektleiter PTA GmbH), Gordon Pickford (Projektleiter openKONSEQUENZ, MVV Netze GmbH) und Dr. Tim Walleyo Geschäftsleitung PTA GmbH)

»Die Gründung einer Genossenschaft, um Netzbetreibern gewünschte Software zur Verfügung zu stellen, ist sicher ein ungewöhnlicher Ansatz, der aber allen Mitgliedern Vorteile bringt«, sagt Gordon Pickford, Gruppenleiter Netzführung Strom bei der MVV Netze GmbH, der Netzgesellschaft der Mannheimer MVV Energie AG. Das Unternehmen hat als »Initiator« das Betriebstagebuch bei der Mannheimer PTA GmbH zur Entwicklung in Auftrag gegeben und nutzt das Modul seit Februar 2018 aktiv.

Genossenschaft statt Vendor-Lock-in

Ein Novum, denn die wenigen Software-Lieferanten entwickelten bislang sämtliche Funktionalitäten für ihre Leitsysteme für Netzbetreiber größtenteils in Eigenregie. Diese proprietären Lösungen führten nicht nur zum Vendor-Lock-in,  sondern auch dazu, dass viele Standardfunktionalitäten laut G. Pickford nicht genutzt wurden.  Die Anwender hatten bislang nur geringen Einfluss auf Produktentwicklungen und Lieferzeiten. Das Leitsystem sei für Nutzer quasi eine monolithische Blackbox.

Ein weiteres Dilemma: Die Systeme der Netzbetreiber sind hochkomplex und kostenintensiv. Kostentreiber sind der ständig wachsende Umfang neuer Funktionalitäten sowie die Anpassung oder Neuentwicklung von Schnittstellen zu anderen Systemen. Und mit jeder neuen Schnittstelle, beispielsweise für geografische Informationssysteme und spartenorientierte Datenbanklösungen, steigen Komplexität, Kosten und redundante Datenhaltung weiter an.

Standards sind Voraussetzung für Digitalisierung

»Das wollten wir mit der openKONSEQUENZ-Plattform ändern. Denn Standards für einen offenen Datenaustausch sind Grundvoraussetzungen für Energiewende und Digitalisierung«, so G. Pickford. Er führt aus: »Unternehmen der Energie- und Wasserwirtschaft können die Netzleitsysteme der Lieferanten jetzt nutzen, um die Kernfunktionalität – die Scada-Funktionen – abzudecken. Weitere benötigte Module stehen dann über die openKONSEQUENZ-Plattform kostenfrei zur Verfügung.« Damit werden laut G. Pickford die Leitsysteme entflechtet – und es entstehen Transparenz, Modularität und Offenheit. Dr. Tim Walleyo, Mitglied der Geschäftsleitung der PTA GmbH, sieht ebenfalls viel Potenzial in der innovativen Zusammenarbeit in openKONSEQUENZ: »Das ist eine echte Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Die Netzbetreiber investieren in qualitativ hochwertige Open-Source-Lösungen, und die involvierten Softwarehäuser können weitere Kunden mit guten Services und Beratungsleistungen an sich binden. Ich halte die Idee der Genossenschaft gerade in Sachen Software-Entwicklung für sehr zukunftsträchtig. Ich würde mich sehr freuen, wenn diese Idee auch in anderen Branchen Schule machen würde.«

Betriebstagebuch schafft Sicherheit

MVV Netze benötigt beispielsweise das Modul Betriebstagebuch, das unter der Eclipse Public License 1.0 lizensiert und somit für jedermann frei nutzbar ist. Die Software fungiert als die zentrale Applikation zur Dokumentation aller wesentlichen Informationen und Vorgänge einer Schicht. Dazu zählen vor allem solche Informationen, die nicht im Leitsystem des Netzbetreibers erfasst werden – beispielsweise das Betreten und Verlassen von Anlagen, der Aufenthalt von Fremdpersonal auf dem Betriebsgelände sowie aktuelle Wartungsmaßnahmen. Zusätzlich profitieren die Netzleitstellen, die das Modul einsetzen, von der strukturierten Informationsweitergabe bei einem Schichtwechsel, da nun immer alle Informationen revisionssicher übergeben werden können. Der Zeitpunkt des Verantwortungsübergangs und der Inhalt der übergebenen Informationen sind bei jedem Schichtwechsel exakt dokumentiert.

PTA entwickelte in agiler Scrum-Manier

Entwickelt wurde die Software vom Genossenschaftsmitglied PTA in einem agilen Scrum-Projekt. Scrum ist ein Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements, insbesondere zur agilen Softwareentwicklung. In dreiwöchigen Sprints wurde das Modul dabei Stück für Stück erweitert. Die fachlichen Anforderungen wurden zu Beginn, aber auch im laufenden Projekt, von den Product Ownern, der MVV Netze und PTA, in Form von User Stories definiert und im Product Backlog abgelegt. Im Rahmen der regelmäßigen Sprint-Planungstermine vereinbarten alle Projektmitglieder die Inhalte des nächsten Sprints. »Der Product Backlog leerte sich nach und nach«, sagt G. Pickford. Verantwortlich für den reibungslosen Ablauf in den Meetings, aber auch während der Entwicklungszeiten, war der Scrum Master bei PTA. Am Ende eines jeden Sprints erfolgte die fachliche Abnahme durch MVV Netze auf Basis der User Stories. »Mit der agilen Herangehensweise sind wir sehr viel näher am Kunden, können seine Wünsche auch während des Projektes noch berücksichtigen und sind trotzdem deutlich schneller als in klassisch organisierten Vorhaben«, erklärt T. Walleyo, der die »genossenschaftliche Zusammenarbeit« zwischen MVV und PTA von Anfang an sehr befürwortet hat.

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