
Ein differenzierter Blick auf die Ausrichtungsfrage von Solarparks ist zukünftig unerlässlich. (Quelle: freepik)
Ertragsprofile im Vergleich: Weniger kann manchmal mehr sein
Die klassische Südausrichtung von Solarmodulen maximiert den Gesamtertrag – daran besteht kein Zweifel. Für Anleger, die in Photovoltaik investieren und auf maximale kWh-Erzeugung setzen, scheint diese Variante zunächst am attraktivsten. Sie liefert den höchsten spezifischen Ertrag pro installiertem Kilowatt peak (kWp) und erzielt ihre Spitzenleistung in den Mittagsstunden bei maximaler Sonneneinstrahlung. Bei dieser Konfiguration stehen die Module in einem Winkel von etwa 30 Grad nach Süden ausgerichtet.
Im Gegensatz dazu produziert die Ost-West-Ausrichtung über den Tag verteilt gleichmäßiger Strom. Hier werden die Module häufig in einem flacheren Winkel aufgestellt, wobei eine Hälfte nach Osten und die andere nach Westen zeigt. Das Ertragsmaximum wird aufgespalten: Ein erster Peak wird am Vormittag erreicht, wenn die östlich ausgerichteten Module den Löwenanteil liefern, ein zweiter am Nachmittag durch die westlich orientierten Module.
Der Gesamtertrag einer Ost-West-Anlage liegt typischerweise etwa 5-10% unter dem einer vergleichbaren Südausrichtung. Bei identischer Modulleistung würde ein südausgerichteter Solarpark in Süddeutschland etwa 1100-1120 kWh pro kWp und Jahr erzeugen, während eine Ost-West-Konfiguration am gleichen Standort auf 990-1060 kWh/kWp käme.
Marktwert vor Stromertrag: Die ökonomische Gleichung
Die spannende Frage für Investoren lautet jedoch: Führt ein höherer absoluter Ertrag automatisch zu einer besseren finanziellen Performance? Die Antwort: Es kommt darauf an, wann und wie der Strom vermarktet wird.
In der Ära garantierter Einspeisevergütungen war die Antwort einfach. Da jede Kilowattstunde zum gleichen Preis vergütet wurde, maximierte die Südausrichtung den wirtschaftlichen Ertrag. Mit dem Auslaufen des EEG für Neuanlagen und dem zunehmenden Anteil direkt vermarkteten Stroms hat sich die Situation grundlegend geändert.
Heute werden Strompreise am Markt dynamisch gebildet – mit erheblichen Schwankungen im Tagesverlauf. Die zunehmende PV-Erzeugung führt gerade in den Mittagsstunden zu einem deutlichen Preisverfall, teilweise sogar zu negativen Preisen. Südausgerichtete Anlagen produzieren ihre Maximalleistung genau zu diesen preisgünstigen Zeiten, während Ost-West-Anlagen mehr Strom in den wertvolleren Morgen- und Abendstunden erzeugen.
Die Differenz ist beträchtlich: Während in den Mittagsstunden im Sommer Strompreise häufig unter 5 Cent/kWh fallen können, liegen sie morgens und abends oft bei 7-10 Cent/kWh oder höher. Eine Ost-West-Anlage kann somit trotz geringerem Gesamtertrag einen höheren Marktwert erzielen – ein klassisches Beispiel dafür, dass weniger manchmal mehr sein kann.
Flächeneffizienz und technische Vorteile
Neben dem günstigeren Erzeugungsprofil bringt die Ost-West-Ausrichtung weitere Vorteile mit sich. Da die Module flacher aufgestellt werden, können mehr Reihen auf gleicher Fläche platziert werden. Die Flächenleistung (kWp pro Hektar) kann je nach genauer Konfiguration um 30-60% höher ausfallen als bei Südausrichtung.
Dieser Flächenvorteil ist besonders relevant angesichts der begrenzten Verfügbarkeit geeigneter Standorte und der steigenden Pachtpreise. Bei typischen Pachtkosten von 3.000-4.000 Euro pro Hektar und Jahr kann die höhere Flächeneffizienz die Rentabilität erheblich steigern.
Ein weiterer technischer Vorteil: Die gleichmäßigere Stromerzeugung über den Tag reduziert die Belastung der Wechselrichter und Netzanschlüsse. Statt hoher Mittagsspitzen, die eine entsprechend dimensionierte Infrastruktur erfordern, liefert eine Ost-West-Anlage ein gleichmäßigeres Profil, was Einsparungen bei den Netzanschlusskosten ermöglichen kann.
Wetterabhängigkeit und regionale Faktoren
Die Entscheidung zwischen den Ausrichtungsvarianten sollte auch regionale Wetterbedingungen berücksichtigen. Die Globalstrahlung – die Sonnenenergie, die auf eine horizontale Fläche trifft – unterscheidet sich innerhalb Deutschlands erheblich. In Süddeutschland werden bis zu 1150 kWh/m² jährlich erreicht, während Norddeutschland unter 1000 kWh/m² bleibt.
Interessanterweise kann die Ost-West-Ausrichtung in Regionen mit häufigeren Morgennebeln oder regionaler Bewölkungsdynamik Vorteile bieten. In Flusstälern oder Küstenregionen, wo morgens häufiger Nebel auftritt, kann die Westkomponente die Ertragsausfälle am Vormittag teilweise kompensieren.
Auch die saisonalen Schwankungen sprechen für die Ost-West-Variante: Im Winter, wenn die Sonne tiefer steht, fällt der Ertragsnachteil gegenüber der Südausrichtung geringer aus. Dies führt zu einer gleichmäßigeren Jahresproduktion und reduziert die Saisonalität der Cashflows – ein nicht zu unterschätzender Vorteil für das Liquiditätsmanagement von Investoren.
Wirtschaftlichkeitsberechnung: Ein Praxisbeispiel
Ein konkretes Rechenbeispiel verdeutlicht die wirtschaftlichen Überlegungen. Betrachten wir einen typischen 30-MW-Solarpark an einem Standort in Mitteldeutschland:
Südausrichtung:
- Spezifischer Ertrag: 1050 kWh/kWp
- Flächenbedarf: ca. 30 Hektar
- Gesamtertrag: 31,5 Mio. kWh/Jahr
- Durchschnittlicher Vermarktungspreis: 5,8 ct/kWh (niedrigerer Durchschnittspreis aufgrund der Mittagsproduktion)
- Jährliche Einnahmen: ca. 1,83 Mio. Euro
Ost-West-Ausrichtung:
- Spezifischer Ertrag: 980 kWh/kWp
- Flächenbedarf: ca. 20 Hektar (höhere Flächeneffizienz)
- Gesamtertrag: 29,4 Mio. kWh/Jahr
- Durchschnittlicher Vermarktungspreis: 6,7 ct/kWh (höherer Durchschnittspreis durch bessere zeitliche Verteilung)
- Jährliche Einnahmen: ca. 1,97 Mio. Euro
Trotz eines um etwa 7% geringeren Gesamtertrags erzielt die Ost-West-Variante in diesem Beispiel rund 7,7% höhere Jahreseinnahmen. Hinzu kommen Einsparungen bei Pachtkosten durch den geringeren Flächenbedarf und potenzielle Vorteile bei den Netzanschlusskosten.
Zukünftige Marktentwicklungen im Blick
Die Vorteilhaftigkeit der Ost-West-Ausrichtung dürfte mit zunehmender PV-Durchdringung des Strommarktes weiter steigen. Je mehr südausgerichtete Solaranlagen ans Netz gehen, desto stärker wird der Preisverfall in den Mittagsstunden ausfallen. Der "Kannibalisierungseffekt" der Solarenergie – das Phänomen, dass der Strompreis gerade dann fällt, wenn PV-Anlagen am meisten produzieren – verstärkt den wirtschaftlichen Vorteil der zeitlich besser verteilten Ost-West-Produktion.
Andererseits könnten künftige Entwicklungen wie der massive Ausbau von Batteriespeichern die Preisdynamik wieder verändern. Großbatterien könnten überschüssigen Mittagsstrom aufnehmen und zu Spitzenpreiszeiten wieder abgeben, was die Preisunterschiede im Tagesverlauf abmildern würde.
Für langfristig orientierte Investoren ist daher ein differenzierter Blick auf die Ausrichtungsfrage unerlässlich. Die pauschale Empfehlung "Süd ist besser" hat ausgedient. Je nach individueller Situation – Standort, Vermarktungsstrategie, Flächenkosten und Netzanschlussbedingungen – kann eine Ost-West-Ausrichtung die wirtschaftlich überlegene Option sein.
Hybride Lösungen als optimaler Kompromiss
Ein interessanter Ansatz sind hybride Konfigurationen, die beide Ausrichtungskonzepte kombinieren. Durch eine Teilung des Solarparks in süd- und ost-west-ausgerichtete Bereiche lässt sich ein optimiertes Erzeugungsprofil erzielen, das die Vorteile beider Varianten vereint. Solche maßgeschneiderten Lösungen erfordern eine komplexere Planung, können aber die Gesamtwirtschaftlichkeit weiter verbessern.
Die Entscheidung sollte immer auf Basis einer detaillierten Standortanalyse getroffen werden, die neben den Einstrahlungsbedingungen auch lokale Wettermuster, Netzkapazitäten und erwartete Marktpreisentwicklungen berücksichtigt. Moderne Simulationstools ermöglichen heute präzise Ertragsberechnungen für verschiedene Ausrichtungsvarianten unter Berücksichtigung historischer Wetterdaten und prognostizierter Strompreisprofile.
Fazit: Differenzierte Betrachtung statt Patentrezepte
Die Frage nach der optimalen Ausrichtung von Solarparks kann nicht pauschal beantwortet werden. In einer Zeit, in der garantierte Einspeisevergütungen zunehmend durch marktorientierte Modelle abgelöst werden, gewinnt die Ost-West-Ausrichtung an wirtschaftlicher Attraktivität.
Für Investoren, die einen Solarpark als langfristiges Investment betrachten, lohnt sich eine differenzierte Analyse der Ausrichtungsoptionen. Der etwas geringere Gesamtertrag der Ost-West-Variante kann durch höhere durchschnittliche Vermarktungspreise, bessere Flächeneffizienz und günstigere Netzintegration mehr als kompensiert werden.
Die optimale Entscheidung hängt letztlich von den individuellen Projektparametern ab – vom Einstrahlungsprofil des Standorts über die Flächenkosten bis hin zur gewählten Vermarktungsstrategie. Mit zunehmender Volatilität der Strompreise und wachsender PV-Durchdringung dürfte die Ost-West-Ausrichtung für viele Projekte zur wirtschaftlich überlegenen Option werden.