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ECLI:DE:BFH:2020:U.151220.VIIR11.19.0
BFH VII. Senat
EnergieStG § 60 Abs 1 Nr 3, BGB § 449, BGB § 323 vorgehend Finanzgericht Baden-
Württemberg, 12. November 2018, Az: 11 K 371/17
Leitsätze
- Die Vereinbarung und Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts i.S. des § 60 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG richtet sich nach den zivilrechtlichen Vorschriften.
- Der Antragsteller hat nachzuweisen, dass der Zahlungsausfall trotz des vereinbarten Eigentumsvorbehalts und der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen der Entlastungsnorm nicht zu vermeiden war.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 12.11.2018 - 11 K 371/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist als Großhändlerin im Mineralölhandel tätig und stellt ihren Kunden Tankkarten des ... zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss mehrerer Mineralölgroßhändler, die selbständig Tankstellen betreiben. Die Kunden können durch Nutzung der Tankkarten an allen beteiligten und vernetzten Tankstellen tanken. Die auf Tankkarten der Klägerin vorgenommenen Tankvorgänge werden über die Tankkartennummer zuerst von den jeweiligen Tankstellenbetreibern mit der Klägerin abgerechnet, die ihrerseits anschließend mit den Tankkarteninhabern abrechnet.
Am 31.01.2012 schloss die Klägerin einen solchen Kundentankkartenvertrag mit X, der wirtschaftlich nicht mit ihr verbunden war. Darin war ein Abrechnungszeitraum von einem halben Kalendermonat (1. bis 15. des Monats und 16. bis Monatsende) sowie eine Bezahlung durch Abbuchung im Lastschriftverfahren vorgesehen. Nach Ziffer 7 Buchst. c der Vertragsbedingungen für Kundenkartenverträge (Stand August 2010) waren »die Preise für die in Anspruch genommenen Leistungen … sofort fällig«; nach Ziffer 7 Buchst. d der Vertragsbedingungen erfolgte »die Abrechnung … im Regelfall jeweils für den Abrechnungszeitraum nach dessen Ablauf«. Der Tankkartenvertrag verwies unter Ziffer 6 auf die Vertragsbedingungen für Kundenkartenverträge (Stand August 2010). Zudem enthielt diese Ziffer den Hinweis: »Vertragsbestandteile sind auch die auf der Rückseite unter Ziff. 13 genannten ergänzenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferers …«. Die Rechnungen enthielten folgenden Hinweis: »Die Ware bleibt bis zur endgültigen Bezahlung Eigentum der Verkäuferin! Beachten Sie unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite.« Der jeweilige Rechnungsbetrag wurde von Beginn der Vertragsbeziehungen an ein bis zwei Werktage nach dem Rechnungsdatum im Wege des Lastschriftverfahrens abgebucht.
Im Jahr 2013 wurde erstmals der Einzug der Forderung aus der Rechnung vom 15.05.2013 in Höhe von 2.559,52 € (eingezogen am 16.05.2013) am 21.05.2013 rückbelastet, jedoch drei Tage später, am 24.05.2013, per Überweisung ausgeglichen. Auch der Betrag aus der folgenden Rechnung vom 31.05.2013 über 1.541,38 €, der am 03.06.2013 abgebucht worden war, wurde am 05.06.2013 rückbelastet und am 10.06.2013 überwiesen. Die folgenden Lastschriftverfahren waren erfolgreich.
Mit Wirkung vom 12.11.2013 hob die Y Versicherung das Kreditlimit der Warenkreditversicherung der Klägerin hinsichtlich X auf. Als Begründung gab sie an, sie habe »Informationen erhalten, dass es zu Zahlungsverspätungen gekommen sein soll«.
Am 22.11.2013 folgte die nächste Rücklastschrift in Höhe von 12.636,85 € aus der Rechnung vom 15.11.2013, die am 19.11.2013 eingezogen worden war. Daraufhin sperrte die Klägerin die Tankkarten und mahnte diese Forderung am 29.11.2013 unter Androhung der gerichtlichen Geltendmachung unter Fristsetzung bis zum 09.12.2013 an (sogenannte letzte Mahnung). Gleichzeitig teilte sie mit weiterem Schreiben vom selben Tag ihrem Kunden mit, sie mache »hiermit den Eigentumsvorhalt an dem gelieferten Kraftstoff geltend«.
Der Betrag in der Rechnung vom 30.11.2013 über die Betankungen ab dem 16.11.2013 in Höhe von insgesamt 5.702,81 € sollte in Absprache mit der Klägerin von X überwiesen werden, um eine weitere Rücklastschrift zu vermeiden. Eine Bezahlung der beiden ausstehenden Beträge erfolgte jedoch nicht, weshalb die Klägerin am 11.12.2013 einen Mahnbescheid beantragte, der am 12.12.2013 erlassen und zwei Tage später zugestellt wurde. Hinsichtlich der Hauptforderungen (Rechnungsbeträge) wurde am 14.01.2014 ein Vollstreckungsbescheid erlassen; den geltend gemachten Forderungen bezüglich der Zinsen und Verfahrenskosten hatte der Schuldner widersprochen. Am 05.02.2014 erteilte die Klägerin einen Zwangsvollstreckungsauftrag; die unternommenen Vollstreckungsversuche blieben allerdings erfolglos. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11.08.2014 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des X eröffnet. Am 22.09.2014 meldete die Klägerin ihre Forderungen zur Tabelle an.
Mit Schreiben vom 18.12.2015 stellte die Klägerin einen Antrag auf Entlastung von der Energiesteuer nach § 60 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) in Höhe von 6.304,47 € abzüglich des Selbstbehalts in Höhe von 5.000 €. Dem lagen die Lieferungen von Dieselkraftstoff aus den Rechnungen vom 15.11.2013 (Steuerbetrag 4.355,30 €, Zahlungsziel 15.11.2013, letzte Mahnung am 29.11.2013, Mahnbescheid vom 12.12.2013) und vom 30.11.2013 (Steuerbetrag 1.949,17 €, Zahlungsziel 01.12.2013, Mahnbescheid am 11.12.2013) zugrunde. Die ursprünglich zu Unrecht auch für die Harnstofflösung AdBlue geltend gemachte Steuerentlastung ist nicht mehr streitgegenständlich.
Daraufhin führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA–) bei der Klägerin eine Steueraufsichtsmaßnahme zur Prüfung der Voraussetzungen für die Steuerentlastung nach § 60 EnergieStG durch. Da der Prüfer zu dem Ergebnis kam, dass der Zahlungsausfall zumindest hinsichtlich der zweiten Rechnung vermeidbar gewesen sei, lehnte das HZA den Entlastungsantrag mit Bescheid vom 06.06.2016 ab. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Entlastung sei zwar nicht bereits deshalb abzulehnen, weil die Klägerin nicht gleich nach den ersten beiden Lastschriften und der Aufhebung des Kreditlimits Maßnahmen zur Sicherung der zukünftig entstehenden Forderungen ergriffen habe. Denn es seien lediglich Beträge aus zwei Rechnungen rückbelastet worden, die jeweils kurz darauf in voller Höhe überwiesen worden seien, während die Lastschriften über den folgenden Zeitraum von mehr als fünf Monaten erfolgreich gewesen seien. Auch die Mitteilung der Y Versicherung habe keinen Anlass gegeben, zusätzliche Sicherheiten zu verlangen, weil diese Mitteilung keinen über das der Klägerin ohnehin Bekannte hinausgehenden Informationsgehalt gehabt habe. Die Klägerin habe nach der dritten Rücklastschrift am 22.11.2013 die Tankkarten noch am selben Tag sperren lassen und das Mahnverfahren, die Vollstreckung und die Anmeldung zur Insolvenztabelle konsequent durchgeführt. Sie habe jedoch nicht nachgewiesen, dass sie alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen habe, um durch Geltendmachung des unstreitig vereinbarten Eigentumsvorbehalts den Zahlungsausfall wenigstens teilweise zu verhindern. Es sei dem Mineralölhändler zuzumuten, mit der Sperrung der Tankkarten zugleich den Eigentumsvorbehalt geltend zu machen. Dies sei im Streitfall allerdings erst eine Woche nach der Sperrung der Tankkarten erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Chance, dass sich von dem getankten Kraftstoff noch etwas im Tank der Fahrzeuge befunden habe, bereits äußerst gering gewesen. Im Übrigen reiche das Schreiben vom 29.11.2013 auch als Nachweis des zumutbaren Bemühens um eine Durchsetzung des Eigentumsvorbehalts nicht aus. Denn es fehle eine Dokumentation, ob und in welcher Weise die Frage nach dem Verbleib des Kraftstoffs beantwortet worden sei.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Revision. Zur Begründung führt sie aus, im Zusammenhang mit Tankkarten müsse unterschieden werden, ob es sich um einen Fall handele, in dem eigene Tankkarten verteilt würden, mit denen sich der Kunde ausschließlich an den dem Mineralölhändler gehörenden Tankstellen bedienen könne, oder ob es sich um Tankkartenakzeptanzsysteme handele. Weiterhin könnten keine aussichtslosen Maßnahmen gefordert werden. Im Übrigen habe sie den Eigentumsvorbehalt in ausreichender Weise geltend gemacht. Zudem habe sie überhaupt nicht das Recht gehabt, die Vorbehaltsware in dem vom FG geforderten Moment an sich zu nehmen, weil die Vorbehaltsware aus zivilrechtlichen Gründen nur bei Auflösung des schuldrechtlichen Vertrags herausverlangt werden könne und ein Recht zum Rücktritt vom Vertrag erst nach Ablauf einer angemessenen Frist bestehe. Für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung sei im Falle des einfachen Zahlungsverzugs kein Raum. Das FG fordere daher Maßnahmen, die aus rechtlichen Gründen nicht durchsetzbar seien. Außerdem sei jede Lieferung für sich zu betrachten, weshalb für jede Lieferung (Tankung) einzeln zu prüfen sei, welche Maßnahmen zu ergreifen und ob und welche Maßnahmen zumutbar seien. Jeweils vorangegangene Tankungen seien darüber hinaus bei einer erneuten Betankung bereits verbraucht gewesen. Das FG habe entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) einen hypothetischen Kausalverlauf berücksichtigt, indem es angenommen habe, es sei kaum vorstellbar, dass zum Zeitpunkt der Kartensperrung sämtliche Fahrzeuge einen leeren Tank aufgewiesen hätten. Ferner sei nach der Rechtsprechung des BFH die Belieferungssperre spätestens sieben Wochen nach der letzten offenen Lieferung vorzunehmen. Das HZA verkenne auch, dass ein Auskunftsrecht zum Verbleib der Ware erst dann bestehe, wenn die Voraussetzungen zur Durchsetzung des Eigentumsvorbehalts vorlägen. Sie habe den Eigentumsvorbehalt zusätzlich auch telefonisch geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und das HZA unter Aufhebung des Bescheids vom 06.06.2016 und der Einspruchsentscheidung vom 02.01.2017 zu verpflichten, ihr eine Entlastung von der Energiesteuer in Höhe von 1.304,47 € zu gewähren.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die zivilrechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt seien abdingbar, insbesondere könne auf die Fristsetzung verzichtet werden. Der Kundenkartenvertrag enthalte eine derartige Abbedingung jedoch nicht. Da im vorliegenden Fall spätestens am 22.11.2013 die Voraussetzungen für eine Kartensperre ohne weitere Mitteilung vorgelegen hätten, sei eine Situation eingetreten, die bereits nach dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben einen besonderen Umstand darstelle, der unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt ohne Fristsetzung rechtfertige. Der Klägerin sei es auch nicht tatsächlich unmöglich gewesen, den Eigentumsvorbehalt geltend zu machen. Ferner hätte sie feststellen müssen, in welchem Kfz mit welcher Tankgröße an welchem Standort noch welcher Kraftstoff vorhanden gewesen sei, um dann zu entscheiden, ob und wie ggf. eine Inbesitznahme zur Sicherung der Forderungen hätte erfolgen können. Eine pauschale und nicht dokumentierte Aussage, der gesamte Kraftstoff sei verfahren, genüge nicht. Es sei auch unverständlich, warum die Rechnung für den Abrechnungszeitraum bis 15.11.2013 nicht bereits am folgenden Werktag gestellt und der darin ausgewiesene Betrag eingezogen worden sei und wieso keine weiteren Sicherungsmaßnahmen ergriffen worden seien. Im Streitfall seien mindestens neun, eher sogar elf Tage vergangen, bis der Kunde vom Versuch der Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts erfahren habe. Der Mineralölhändler müsse von seinem Kunden zudem eine schriftliche Empfangsbestätigung anfordern. Den Eigentumsvorbehalt für die Lieferungen aus der Sammelrechnung vom 30.11.2013 habe die Klägerin gar nicht geltend gemacht. Außerdem hätten mit der Verhängung der Kartensperrung zeitgleich eine sofortige Aufforderung zur Barzahlung und die unmittelbar anschließende Mahnung und substantielle Geltendmachung des Eigentumsvorbehalts erfolgen müssen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
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