Inputs, Outputs und Rechenschritte bei SimStadt

Bild 1. Input-Output-Schema von SimStadt

Bild 1. Input-Output-Schema von SimStadt (Quelle: HFT Stuttgart)

Die Entwicklung von SimStadt begann 2012 unter Federführung der Hochschule für Technik (HFT) Stuttgart und wird seitdem kontinuierlich fortgeführt. Der jüngste Entwicklungsschritt fand in Kooperation mit der Mainzer Stadtwerke AG, der Stadtwerke Stuttgart GmbH, der GEF Ingenieur AG und der M.O.S.S. Computer Grafik
Systeme GmbH im Rahmen eines vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsprojekts (FKZ 03ET1459) statt. Kernziel des Vorhabens war es, ein integriertes Instrumentarium zu schaffen, bestehend aus einer systematischen Anwendungsmethodik sowie einer Zusammenführung der im Hintergrund agierenden Modell- und Toollandschaft, die eine automatische Dimensionierung von Wärmeversorgungs­konzepten für Neubau- und Bestandsquartiere auf der Grundlage virtueller 3D-Stadtmodelle ermöglicht. Inputs, Outputs und Rechenschritte sind schematisch in Bild 1 dargestellt.

Als Eingangsdaten benötigt SimStadt lediglich ein digitales 3D-Gebäudemodell des Quartiers, Informationen über den Sanierungsstand (im Gebäudebestand) bzw. den avisierten Baustandard (bei Neubauten) sowie die individuelle Festlegung von Nutzerparametern. So kann u. a. der Anteil der Spitzenlast vorgegeben werden, der in einem bivalenten Versorgungsfall durch den Wärmeerzeuger, z. B. ein Blockheizkraftwerk (BHKW), gedeckt werden soll. Damit eignet sich der Ansatz gut für eine Vergleichsanalyse verschiedener Versorgungskonzepte in frühen Phasen des Planungsprozesses.

3D-Gebäudemodelle werden in Deutschland auf Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen flächendeckend und bundesweit auf Basis des Liegenschaftskatasters durch die jeweilige Landesvermessung geführt. Durch die Verschneidung von Gebäudegrundriss und Befliegungsdaten zur Höhenermittlung werden 3D-Gebäudemodelle in zwei Detaillierungsstufen erfasst: ein extrudierter Grundriss mit mittlerer Gebäudehöhe, dem Level of Detail 1 (LoD 1), und das Gebäudemodell mit standardisierten Dachformen im Level of Detail 2 (LoD 2)1). Attribute wie Nutzungsart des Gebäudes werden aus dem Liegenschaftskataster übernommen. Alternativ lassen sich aus dem frei verfügbaren Datenbestand von Open Street Map in Kombination mit Gebäudehöhen ebenso Gebäudemodelle im Detaillierungsgrad LoD 1 ableiten und für weitere Analysen in SimStadt verwenden, insofern Attribute wie Baujahr und Nutzungsart bekannt sind. Viele Kommunen verfügen außerdem über eigene 3D-Stadtmodelle im Detaillierungsgrad LoD 2.

Auf Basis des 3D-Gebäudemodells eines Quartiers wird in Sim­Stadt im ersten Schritt der Heiz- und Kühlenergiebedarf unter Berücksichtigung des jeweiligen Sanierungsstands ermittelt. Für Neubauquartiere können 3D-Gebäudemodelle z. B. aus einem stadtplanerischen Entwurf analog eingebunden werden. Die stündlichen Heizlasten werden gemäß DIN V 18599 bzw. VDI 4710 berechnet. Bei fehlenden Informationen zum energetischen Gebäudezustand wird auf statistische Mittelwerte der IWU-Gebäudetypologie2) für Deutschland zurückgegriffen.

Auf Basis des stündlichen Heizenergiebedarfs kann SimStadt mit der eingebetteten Simulationsumgebung „Insel“ (www.insel.eu) im nächsten Schritt verschiedene Varianten der Quartierswärmeversorgung weitestgehend automatisch dimensionieren. Die derzeit hinterlegten Optionen umfassen sowohl zentrale als auch dezentrale Erzeugervarianten. Zu den zentralen Lösungen zählen Nahwärmenetze mit BHKW, Biomassekessel oder Sole-Wasser- bzw. Wasser-Wasser-Wärmepumpe, jeweils mit Spitzenlastkessel. Daneben können auch dezentrale Lösungen wie Luft-Wasser- und Wasser-Wasser-Wärmepumpen auf Einzelgebäudeebene analysiert werden. Aufgrund des modularen Aufbaus von Insel lassen sich weitere Versorgungsvarianten zudem rasch definieren und integrieren.

Im Fall zentraler Wärmeversorgungsvarianten verortet und dimensioniert SimStadt zudem ein einfaches Wärmenetz mit den Kernparametern Durchflussrate und Leitungslänge. Der hinterlegte Algorithmus orientiert die Trassenführung dabei prioritär entlang des bestehenden oder geplanten Straßen- und Wegenetzes. Eine detailliertere Netzmodellierung mit Expertentools wie Stanet (www.stafu.de) kann bei Bedarf nahtlos über eine integrierte Datenaustauschschnittstelle vorgenommen werden, was u. a. die Bestimmung von Wärmenetzverlusten und der Menge des benötigten Pumpstroms ermöglicht und somit die Vergleichbarkeit zwischen zentralen und dezentralen Lösungen verbessert.

Im letzten Analyseschritt ermöglicht SimStadt einen Vergleich der betrachteten Wärmeversorgungsvarianten anhand festgelegter Kennzahlen und Schlüsselindikatoren wie den Installations- und Betriebskosten sowie jährlichen Treibhausgasemissionen oder Primärenergiebedarf. Die hinterlegten spezifischen Investitionskosten, z. B. für die Herstellung eines Wärmeleitungsnetzes, beruhen dabei auf langjährig ermittelten Erfahrungswerten des Projektpartners GEF.

1) Einige Bundesländer stellen diese Modelle als Open Data unter der Datenlizenz Deutschland 2.0 zur Verfügung (z. B. NRW unter https://www.opengeodata.nrw.de)
2) Deutsche Wohngebäudetypologie, Institut Wohnen und Umwelt, 2015.

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