ew-Magazin Ausgabe 1/2020 - Stadtwerke im Wandel

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Klimapaket: Es bleibt noch viel zu tun!  

Wir werden das Klimapaket noch zu schätzen wissen, prophezeite Finanzminister Olaf Scholz in der Haushaltsdebatte Mitte November 2019 – es werde eine »Liebe auf den zweiten Blick«. Dabei kann man mit viel Wohlwollen allenfalls feststellen, dass das Klimapaket ein Anfang für ambitionierten Klimaschutz ist – mehr aber auch nicht. Es sieht leider nicht vor, was klimapolitisch notwendig wäre, sondern lediglich, was politisch durchsetzbar erscheint.

Die Emissionsminderungsziele bis 2030 werden mit den beschlossenen Maßnahmen ohne Nachjustierung nicht zu erreichen sein. Vor allem im Verkehrssektor werden die Klimaziele deutlich verfehlt. Der gewählte CO2-Preis ist viel zu niedrig, um eine Lenkungswirkung zu entfalten: Drei Cent je Liter Preiserhöhung in zwei Jahren (!) entsprechen den täglichen Schwankungen der Benzinpreise an der Zapfsäule. Dafür wird keiner sein Auto stehen lassen oder auf umwelt- und klimaschonende Varianten umsteigen. Wenn gleichzeitig auch die Pendlerpauschale erhöht wird, konterkariert dies die Klimaziele, da auch die autofahrenden, einkommensstärkeren Pendler Extra-Geld ohne Gegenleistung erhalten. Statt einer Pendlerpauschale wäre ein Mobilitätsgeld für echte nachhaltige Mobilität sinnvoller gewesen.

Der Einstiegspreis je Tonne CO2 müsste bei 35 statt 10 € liegen und bis 2025 auf 80 € steigen, um die Emissionen in ausreichendem Maß zu senken. Die Vermeidungskosten im Verkehrssektor – und auch im Gebäudesektor – sind sehr hoch: 180 bis 240 €/t CO2. Der vereinbarte CO2-Preis ist somit ein Witz. Zudem ist es höchst unsicher, ob der gewählte Weg eines Pseudo-Emissionsrechtehandels umgesetzt werden kann, da es große juristische Bedenken gibt. Mit einer CO2-Steuer wäre diese Problematik umgangen worden. Gekoppelt an eine Klimaprämie, die je Kopf gezahlt wird, hätte man eine schnelle, einfache, juristisch unumstrittene, transparente und planbare Möglichkeit gehabt, CO2 einen Preis zu geben. Die Klimaprämie je Kopf wäre auch geeignet gewesen, gerade die Einkommensschwächeren zu entlasten. In der Schweiz funktioniert dies sehr gut.

Es ist bedauerlich: Statt umweltschädliche Subventionen abzubauen, werden diese erhöht. Versäumt wurde, das Dieselprivileg abzubauen oder zumindest eine Klimamaut einzuführen, also auch die Kerosinsteuer zu erhöhen. Die Zielverfehlung ist somit vorprogrammiert: Wir werden in Europa CO2-Zertifikate zukaufen müssen, was Milliarden kosten wird. Wenig Klimaschutz für viel Geld – das erhöht nicht gerade die Akzeptanz.

Wichtig sind konkrete Emissionsminderungsziele für einzelne Sektoren, die Zielerreichung sollte jährlich überprüft und an europäischen Zielen ausgerichtet werden. Wichtig ist zudem, den Ausbau der Erneuerbaren intensiver voranzutreiben – Abstandsregeln für Windenergie sind dabei wenig förderlich. Der Ausbaudeckel für Solarenergie wird dagegen richtigerweise abgeschafft. Außerdem sind ab 2026 keine neuen Ölheizungen erlaubt und die energetische Gebäudesanierung wird finanziell stärker unterstützt, genauso wie der Schienenverkehr. Ladeinfrastruktur für Elektroautos und der ÖPNV sollen zudem ausgebaut werden. Noch besser wäre gewesen, die Stromsteuer zu senken, damit sowohl im Verkehrs- als auch im Gebäudesektor mehr Strom aus Erneuerbaren genutzt wird.

Insgesamt ist das Klimapaket kein großer Wurf, sondern ein kleiner Anfang. Viele weitere Schritte sind nötig, damit es mit der Liebe auf den zweiten Blick wirklich klappt. Mehr Klimaschutzinvestitionen wären eine Garantie für eine dauerhaft nachhaltige, innovative und wettbewerbsfähige Wirtschaft – und in Zeiten wirtschaftlicher Abkühlung und niedriger Zinsen eine besonders lohnende Sache.

Prof. Dr. Claudia Kemfert, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

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ew-Redaktion