ew-Magazin Ausgabe 10/2019 – Titelthema Messwesen

ew-Magazin Ausgabe 10/2019

Chance des Rollouts aktiv nutzen

Mittlerweile ist es zehn Jahre her, dass die Europäische Union mit der EU-Richtlinie 2009/72/EG die Grundlage für die europaweite Einführung intelligenter Messsysteme und Zähler gelegt hat. Ziel der Richtlinie war es, mindestens 80 % der Verbraucher bis zum Jahr 2020 mit intelligenten Messsystemen beziehungsweise Zählern auszustatten.

Deutschland hat die in der Richtlinie genannte alternative Vorgehensweise aufgegriffen, um die Einführung von einer gesamtwirtschaftlichen Bewertung abhängig zu machen. Ergebnis dieser Kosten-Nutzen- Analyse von Ernst&Young: Die von der EU angestrebte Rolloutquote über eine allgemeine Einbauverpflichtung sei für den Großteil der Kundengruppen wirtschaftlich nicht zumutbar, denn die Kosten würden sich nicht durch Stromeinsparungen oder Lastverschiebungen kompensieren lassen.

Stattdessen schlägt Ernst&Young in einem Rolloutszenario Plus vor, den Fokus beim Rollout intelligenter Messsysteme auf netzdienliche und Energieeffizienz-relevante Pflichteinbaufälle zu legen. Gleichzeitig wurde das technische Konzept des intelligenten Messsystems bestehend aus Smart-Meter-Gateway, moderner Messeinrichtung, Kommunikationsschnittstellen und Sicherheitsanforderungen skizziert. Das intelligente Messsystem wird damit zur zentralen Daten- und Kommunikationsplattform im Gebäude. Es sorgt nicht nur für Verbrauchstransparenz und für die sichere Übermittlung von Messdaten. Mit der zusätzlichen Fähigkeit, eine Plattform für die Steuerung elektronischer Verbrauchsgeräte und Erzeugungsanlagen zu bieten, verbessern intelligente Messsysteme zudem das Last- und Erzeugungsmanagement im Verteilnetz und bilden die Grundlage für eine Fülle zusätzlicher Mehrwertdienste für den Kunden.

Damit – und zwar noch bevor mit der noch ausstehenden Markterklärung der Rollout intelligenter Messsystem in Deutschland überhaupt begonnen hat – entwickeln sich mittlerweile immer mehr Treiber für den Einsatz einer digitalen Messinfrastruktur. So ist PPC-Vorstandsvorsitzender Ingo Schönberg davon überzeugt, dass nach der Markterklärung der Rollout intelligenter Messsysteme deutlich an Fahrt aufnehmen und sich nicht nur an den viel diskutierten Pflichteinbaufällen orientieren wird. Als zusätzliche Treiber sieht er die rasante Entwicklung der Elektromobilität, das Submetering mit den neuen Anforderungen bei der Heizkostenabrechnung sowie die 14a-EnWG-Novelle. »Ich gehe davon aus, dass wir in zehn Jahren einen Vollrollout hinter uns haben werden – dazu muss man kein großer Prophet sein«, so sein Fazit im Gespräch mit der ew-Redaktion (Seite 20).

Auch Meterpan-Geschäftsführer Steffen Heudtlaß erwartet eine große Nachfrage nach Mehrwertlösungen rund um digitale Zähler. Dabei konzentriert sich Meterpan jedoch auch auf Konzepte, die ohne Gateway-Infrastruktur auskommen. »Wir sehen eine starke Nachfrage nach einer lokalen Kommunikationsinfrastruktur und Vernetzung, um zum Beispiel die PV-Anlage, den Speicher, die Wallbox und auch normale Haushaltsgeräte so zusammenzubringen, dass sie sich möglichst energieeffizient und insgesamt auch energieautark betreiben lassen. Solche Lösungen sind nur mit der Einbindung eines digitalen Zählers möglich, benötigen jedoch nicht unbedingt ein Gateway«, beschreibt Heudtlaß das Konzept (Seite 26).

Allein diese Beispiele zeigen, wie vielfältig die unterschiedlichen Anwendungsfälle sind. Darüber hinaus wird deutlich, welche Bedeutung das intelligente Messwesen künftig haben wird. Stadtwerke sind also gut beraten, diese Marktrolle künftig aktiv zu besetzen und als Grundlage für digitale Mehrwertdienste zu nutzen. Ansonsten werden andere, branchenfremde Unternehmen diese Chance ergreifen.

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Martin Heinrichs, Chefredakteur ew – Magazin für die Energiewirtschaft