»Ohne Corona hätten wir die heute vorhandenen Fähigkeiten zur abteilungsweiten Arbeit im Mobiloffice und der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit über virtuelle Plattformen im Kerngeschäft der Energieversorger vermutlich auf Jahre nicht erlebt«, ist sich Klaus Nitschke, Geschäftsführer der Cortility GmbH, sicher (Seite 6). Der edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e. V. spricht gar von einem Digitalisierungs-Turbo, der laut Umfrage unter den Mitgliedern durch die Corona-Krise gezündet wurde. Drei Viertel der befragten Unternehmen erwarten zudem einen Schub bei neuen Technologien und Geschäftsmodellen.

Kritischer sieht es Guido Moritz, Vorstandsvorsitzender der SIV AG, im Interview mit der ew-Redaktion. Denn die aktuelle Situation zeige klar und deutlich, wo einzelne Unternehmen mit ihrer Digitalisierungsstrategie stehen und wo noch Handlungsbedarf bestehe. »Das beginnt mit der zur Verfügung stehenden Ausstattung an Infrastrukturkomponenten wie VPN-Zugänge, Laptops oder Tablets und setzt sich fort zu spezifischen Softwarethemen. Bereits hier zeigen sich bei einigen Unternehmen deutliche Lücken«, hat Moritz ausgemacht. Dabei beschreiben diese Aspekte lediglich die erste Stufe der Digitalisierung. Die weiteren Schritte werden deutlich komplexer, denn Digitalisierung ist für Moritz zu großen Teilen auch Automatisierung. »Die unternehmenskritischen Prozesse, also die Endkunden- und Back-End- Prozesse, Software- und IT-Systemen sowie neuen Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data oder Cloud-Services anzuvertrauen, erfordert Vertrauen in die Systeme und Technologien, das erst im Laufe der Zeit wachsen wird«, schätzt der SIV-Chef. Und erst dann sind wir in einer digitalen Welt, wie sie sich Moritz vorstellt: mit neugedachten, volldigitalen und vollautomatisierten Ende-zu-Ende-Prozessen (Seite 46). Wie die Energiewelt der Zukunft aussehen könnte, wollten über 1 600 Führungskräfte aus der Energiewirtschaft Mitte Juni 2020 auf dem BDEW-Kongress diskutieren. Wie viele andere Großveranstaltungen ist jedoch auch dieses Event Opfer der Corona-Pandemie geworden. Als langjähriger Medienpartner des Kongresses greifen wir in dieser Ausgabe des ew-Magazins jedoch ausgewählte Kongressthemen auf. So berichten Bjarne Lauritz Bull-Berg, Deutschland-Chef von Equinor, und Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea, wie eine künftige Wasserstoffwirtschaft aussehen könnte. Dabei ist es für Mehren entscheidend, dass grüner, blauer und türkiser Wasserstoff als gleichberechtigte Lösungsoptionen anerkannt werden. Denn blauer Wasserstoff ist laut Bull-Berg ein wesentlicher Faktor für den schnellen Hochlauf eines deutschen Wasserstoffmarkts (Seite 56 und 57). Wie der Aufbau des Geschäftsfelds Breitband gelingen kann, beschreibt Dirk Fieml, Geschäftsführer von tktVivax. Notwendig sei dafür die Entwicklung einer passenden Strategie, der Aufbau des Know-hows im eigenen Unternehmen und ein geeigneter Partner (Seite 59). Zur Stabilisierung der Stromnetze muss künftig auch flexible Kapazität von kleinsten dezentralen Erzeugern, Speichern und Verbrauchern genutzt werden. Davon ist Manon van Beek, CEO von Tennet, überzeugt. Um dies zu ermöglichen, hat Tennet jetzt mit anderen europäischen Stromnetzbetreibern die Blockchain- basierte Datenplattform Equigy entwickelt (Seite 52).

Dies ist nur eine kleine Auswahl an Themen, die wir in der aktuellen Ausgabe des ew-Magazins aufgreifen. Ich wünsche Ihnen viele neue Erkenntnisse beim Lesen – und vor allem: Bleiben Sie gesund!

E-Magazin lesen Newsletter abonnieren

Martin Heinrichs, Chefredakteur ew-Magazin