Interview mit Dr. Barbara Frei von Schneider Electric über die Rolle des Energiemanagements bei der Stabilität der Verteilnetze.

Dr. Barbara Frei, Executive Vice President Europe Opera­tions bei Schneider Electric (Bild: Schneider Electric)

np: Frau Dr. Frei, wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Energienetze in den nächsten Jahren?

Frei: Die größte Herausforderung wird sein, dass wir von einer sehr zentral gesteuerten Energie­er­zeu­gung zu einer dezentralen mit Wind­energieanlagen und »Prosumer«-­­Solaranlagen kommen werden. Daraus ergeben sich dann natürlicherweise auch Herausforderungen für das Lastmanagement. Die Verteilnetze werden zunehmend bidirektional arbeiten und ein immer intelligenter werdendes Lastmanagement erfordern. Sie können dann effizienter genutzt bzw. ausgelastet werden – das ist dann bei der Planung zu berücksichtigen.

Eine weitere Herausforderung ist natürlich die Elektromobilität. Unternehmen wie VW/Audi haben ­begonnen, Elektroautos zu produzieren. Wenn der Anwender heute einen Elektroanschluss für sein Elektroauto wünscht, wird der Besitzer des Grundstücks einen Anschluss für maximal drei Mobile zur Verfügung stellen können – mehr  nicht, weil die Anschlussleistung nicht entsprechend ausgelegt ist. Auch diesbezüglich muss also noch einiges im Bereich Planung und Aufrüstung vor allem in den Verteilnetzen geschehen. Es sei denn, die Energie zum Laden der Autos wird lokal regenerativ erzeugt!

np: Sicher werden Investitionen in diesem Feld nötig werden, woher aber soll das Geld für diese Investitionen kommen?

Frei: Der Strom wird sicher auch besteuert werden müssen – ebenso wie heute der Kraftstoff. Dementsprechend wird es zu einer Umverteilung kommen. Einerseits kann dies über Aufschläge auf den ohnehin schon recht stark belasteten Strompreis geschehen, andererseits wären Fördergelder eine Alternative. Für eine nachhaltige Zukunft werden Fördergelder benötigt – nicht alles kann auf die Utilities umgelegt werden.

np: Millionen von Autos stehen heute auf der Straße – Stichwort: Laternenparkplatz. Wo sollen diese Fahrzeuge alle geladen werden? Sehen Sie die Aufgabe zur Schaffung der entsprechenden Ladeinfrastruktur bei den Kommunen oder eher bei den EVU?

Frei: Hierzu gibt es verschiedene Sichtweisen. Wir bei Schneider wollen unsere hauseigene Flotte in den nächsten drei Jahren auf 30 % Elektromobilität umstellen. Gemeinsam mit den Kommunen planen wir derzeit die dementsprechend notwendige Ausstattung unserer Parkplätze mit Ladeinfrastruktur. Wichtig ist auch die Immobilien­entwicklung: Gemäß der Nachfrage müssten heute 300 000 bis 400 000 neue Wohnungen gebaut werden. Auch hier spielt dann Elektromobilität und die entsprechende Versorgung eine Rolle. Gleiches gilt bei Parkhäusern, die ebenfalls aus­zurüsten sind. Ionity, ein Verbund der Automobilhersteller, investiert ganz gezielt in 400 Ladestationen, um in Europa diese Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und auch die ­Automobilhersteller selbst investieren. Es gibt also verschiedene Stakeholders, die jetzt aktiv werden.

np: Im Parkhaus oder bei einem Dienstfahrzeug mag dies alles noch mehr oder weniger problemlos machbar sein, doch wie sieht es mit privat genutzten Fahrzeugen und privaten Grundstücken  aus? Natürlich kann man mit einer Schnell­ladestation sein Auto schnell laden, dies ist aber angesichts der geringen Dichte relativ unkomfortabel, oder?

Frei: Derzeit ja. Allerdings muss man auch berücksichtigen, dass zzt. nicht ganz Deutschland Elek­troautos fährt. Die derzeitigen Nutzer haben ein gewisses Verhaltensschema und fahren größtenteils maximal 20 bis 50 km am Tag. Mit den neuen Technologien, die aktuelle Batterien jetzt bieten, bedeutet das »Auftanken« bzw. -laden einmal pro Woche. Angesichts des immer enger werdenden Netzwerks von Ladestationen ist dies problemlos möglich. Denkbar ist schließlich auch, den Wocheneinkauf beim Supermarkt oder Discounter der Wahl mit entsprechender Aufladung und zusätzlichem Payback zu verbinden. Es gibt sicher viele verschiedene Möglichkeiten und Ansätze, z. B. im genannten Fall auch das Laden über hauseigene Solarpanels auf dem Dach. Wichtig ist in jedem Fall das Lastmanagement und die Frage, wann wieviel Energie zur Verfügung gestellt werden muss.

np: Besonders Deutschland hat aktuell beschlossen, nicht nur aus der Kernenergie, sondern auch aus der Kohleverstromung auszusteigen. Sind Sie zuversichtlich, dass die Netze bis hin zu den Verteilnetzen angesichts dessen stabil gehalten werden können? Welchen Lösungen kann Schneider Electric hier bieten?

Frei: Ganz wichtig sind dabei Campuslösungen, ähnlich dem Euref-­Campus in Berlin. Ein privater ­Investor hat hier mit einer ganz­heitlichen Prosumer-­Lösung bereits 2014 die politischen Klimaziele von 2050 erreicht – und das auf ­einem 5,5 ha großen innerstädtischen Quartier, in dem mehr als 150 Unternehmen 3 500 Mitarbeiter beschäftigen. Auf jedem Campus befindet sich ein Microgrid, mit dem die Verbräuche gesteuert und entsprechend optimiert werden. Solche Dinge machen wir heute, es gibt viele Beispiele, allerdings noch zu wenige in Deutschland. Hierzulande sind die Investitionen leider immer noch eine Hürde. Dennoch halten wir Campuslösungen, Überbauungen mit gemischter Nutzung – Wohnen, Gewerbe, evtl. noch Altersheime oder ähnliche Einrichtungen – für prädestinierte Anwendungen, um ein eigenes Verteilnetz aufzubauen, das dann die Verteilnetze zum Stadtwerk entlastet.

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