In einem aktuellen Positionspapier zeigt Tennet Möglichkeiten auf, wie eine intelligente Neuausrichtung des bayerischen Energieinfrastruktur gelingen kann.

Laut VBW-Positionspapier muss in Bayern vor allem der Ausbau von Photovoltaik mit Hochdruck vorangetrieben werden (Bild: Pixabay)

Am 12. Oktober stellten Tim Meyerjürgens, COO von Tennet, und Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der VBW – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft , auf einem Onlinekongress Lösungswege sowie Forderungen an die künftige deutsche Bundesregierung, aber auch an die Bayerische Staatsregierung vor und diskutierten mit Vertretern aus Wissenschaft und der bayerischen Industrie.

Um die Klimaziele Bayerns bis 2040 zu erreichen, spielen neben dem Zubau von erneuerbaren Energien (EE) vor Ort, der Umstellung von Heizungsanlagen auf regenerative Energieträger, der energetischen Gebäudesanierung oder der Umstellung auf Elektromobilität vor allem die gemeinsame Planung der Infrastrukturen für Strom, Erdgas, und Wasserstoff eine bedeutende Rolle. Daher spricht sich Tennet für ein zukunftsweisendes effizientes Gesamtkonzept für Bayern aus. Ein solches Konzept muss die Energiebedarfe bis 2045 definieren, sämtliche künftige Energieträger und Infrastrukturmöglichkeiten integriert betrachten und mit kommenden Netzentwicklungsplänen im Bund synchronisiert werden. Darüber hinaus gelte es, den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv voranzutreiben, Genehmigungsverfahren für den Bau von Infrastrukturen zu beschleunigen, Anreize für den Bau von Wasserstoff- (H2-)fähigen Gaskraftwerken zu setzen und die richtigen Weichen für den Aufbau einer effizienten Wasserstoffwirtschaft zu stellen.

Meyerjürgens betont: "Die ambitionierten klimapolitischen Ziele erhöhen den Druck auf die Energiewende. Zur Erreichung der neuen 2030 Ziele müssen wir in der Hälfte der Zeit doppelt so viel schaffen. Das gelingt uns, wenn wir die Energiewende als Systemwende begreifen und sämtliche künftige Energieträger und Infrastrukturmöglichkeiten integriert betrachten. Als Übertragungsnetzbetreiber im Norden und Süden Deutschlands ist Tennet das Bindeglied zwischen Angebot und Nachfrage und wir tun alles dafür, dass unser System den künftigen Anforderungen gewachsen ist. Als verlässlicher Versorgungspartner mit Unternehmenssitz in Bayreuth sorgen wir auch künftig dafür, dass Bayern ein starker Industriestandort bleibt."

Brossardt ergänzt: "Beim Umbau der Energieinfrastruktur brauchen wir einen großen Sprung nach vorn. Bayern, das sich besonders hohe Klimaziele gesteckt hat, muss schnell in eine zukunftsfähige und effiziente Umsetzungsphase übergehen. Für nachhaltigen Erfolg braucht es den breiten Rückhalt der Gesellschaft. Akzeptanz kann der Energiewende einen massiven Schub geben. Hier sehen wir die Politik gefordert. Dazu gehört auch, dass der Wandel wirtschafts- und sozialverträglich erreicht werden muss. Hierfür sind bezahlbare Strompreise von entscheidender Bedeutung. Deswegen fordert die VBW vor allem die Abschaffung der EEG-Umlage und die Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Minimum. Zusätzlich sind der ambitionierte Ausbau der Netze und der erneuerbaren Energien von höchster Relevanz, weil sie den Strompreis dämpfen. Um beim Ausbau endlich auf die Erfolgsspur zu kommen, benötigt es dringend schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren."

Versorgungssicherheit in Bayern

In Bayern wird Ende 2022 das Kernkraftwerke Isar 2 abgeschaltet, das mit rd. 14,5 Mrd. kWh jährlich rund 12 % zur Stromversorgung in Bayern beiträgt. Nicht erst mit der Abschaltung von Isar 2 gebe es in Bayern eine Stromlücke, die mit  Stromimporten und Zubau von erneuerbaren Energien aufgefangen werden kann. Im Süden Deutschlands muss daher lt. VBW-Positionspapier vor allem der Ausbau von Photovoltaik mit Hochdruck vorangetrieben werden. Ergänzend zum Ausbau der erneuerbaren Energien sei es wichtig, dass die Politik dafür sorgt, dass Übertragungsnetzbetreiber wie Tennet auf hinreichend gesicherte Kraftwerksleistung zurückgreifen können, um in den bevorstehenden Jahren die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Dafür eigneten sich moderne Gaskraftwerke, die auf Wasserstoff umgestellt werden können und damit ins künftige Energiesystem passen. Denn auch in einem klimaneutralen Energiesystem würden weiterhin steuerbare und flexible Kapazitäten gebraucht, um Dunkelflauten zu überbrücken. Das werde über Gaskraftwerke erfolgen, diese H2-Ready sein müssen.

Besteht Klarheit über den bayerischen EE-Ausbau, können die notwendigen Infrastrukturerweiterungen bei den Energienetzen abgeleitet werden. Dabei werde der Import von Wasserstoff bzw. klimaneutralen Gasen über die bestehende Erdgasinfrastruktur für Bayern künftig einen Teil der Energieversorgung sicherstellen. Gleichzeitig müsse die neue Bundesregierung den Ausbau des Stromnetzes auf die Überholspur bringen. Genehmigungsverfahren müssten entschlackt, beschleunigt und modernisiert werden. Tennet kommt nach eigenen Angaben beim Netzausbau zwar gut voran und liegt bei den allermeisten Netzausbauprojekten im Plan oder ist sogar schneller, dennoch dauerten Genehmigungsverfahren von bis zu zehn Jahren für die Erreichung der Klimaziele bis 2040 zu lang. Beschleunigungsmöglichkeiten sieht Tennet bei der Zusammenlegung von Planungsstufen, Personalaufstockung in den Genehmigungsbehörden und beständigen Rahmenbedingungen für bereits laufende Verfahren. Die frühzeitige Beteiligung der Bürgern bleibt nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil und ist wichtig für die Akzeptanz vor Ort ebenso wie die politische Unterstützung auf allen Ebenen.

Künftige Wasserstoffwirtschaft in Bayern

Erneuerbarer Strom kann auch in Bayern unter Beachtung von Netzrestriktionen in industriell benötigten Wasserstoff per Elektrolyse umgewandelt werden. Kurzfristig in den 2020er Jahren würden großvolumige Elektrolyseure in Bayern jedoch zu einer Verschärfung von Netzengpässen im Stromübertragungsnetz führen und ineffizienten zusätzlichen Stromnetzausbau nach sich ziehen. Langfristig hänge das Potenzial bayrischer Standorte insbesondere vom Ausbau der erneuerbaren Energien in Bayern ab, die noch weit über das im aktuellen Netzentwicklungsplan Strom (NEP) angenommene Niveau hinausgehen müssten. Die aktuellen bayerischen Ausbauabsichten sehen dies im Photovoltaikbereich bereits vor.

Mehr Vorteile für Süddeutschland sehen Stromübertragungs- und Gasnetzbetreiber daher in Elektrolysestandorten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen und im Transport von Wasserstoff oder dekarbonisiertem Gas nach Bayern. Zunehmend würden auch Wasserstoffimporte aus dem Ausland an Bedeutung gewinnen. Wasserstoff und das dazugehörige Netz könnten eine wichtige Rolle als saisonaler Speicher für das bayrische und deutsche Stromnetz spielen. Wenn die Politik also die Anreize für Wasserstoff richtig setze, könne sie von Beginn an dafür sorgen, dass Wasserstoff und das Stromsystem sich gegenseitig ergänzen, die Emissionen sinken und die Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Industriestandorte erhalten bleibt.

np-Redaktion

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