Leitsätze

1. Der Vorsteuerabzug aus einer geleisteten Vorauszahlung ist dem Erwerber eines Blockheizkraftwerks nicht zu versagen, wenn zum Zeitpunkt seiner Zahlung die Lieferung sicher erschien, weil alle maßgeblichen Elemente der zukünftigen Lieferung als ihm bekannt angesehen werden konnten, und anhand objektiver Umstände nicht erwiesen ist, dass er zu diesem Zeitpunkt wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass die Bewirkung dieser Lieferung unsicher war.

2. Die Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG setzt die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlung voraus; sie ist offenkundig unangemessen und daher ausgeschlossen, wenn der Erwerber anschließend von der Steuerbehörde die Erstattung der auf die Vorauszahlung entrichteten Steuer beanspruchen kann.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 19. September 2014  9 K 2914/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Sachverhalt

I.

1

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bestellte am 3. August 2010 bei der A ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 40 kW zum Preis von 30.000 EUR zzgl. 5.700 EUR Umsatzsteuer, dessen Lieferung voraussichtlich 14 Wochen nach Geldeingang vorgesehen war. Nachdem der Kläger die mit Vorkasse vom 6. August 2010 angeforderte Zahlung in Höhe von 35.700 EUR durch Überweisung am 27. August 2010 geleistet hatte, erhielt er von A unter dem Datum vom 28. August 2010 eine Rechnung über die Lieferung eines Blockheizkraftwerks.

2

Der Kläger beabsichtigte zunächst den Betrieb der in einem Container montierten Anlage (sog. Verwaltungsvertragsmodell). Der mit einer Gesellschaft aus dem geschäftlichen Umfeld der A hierzu geschlossene Verwaltungs-, Service- sowie Mietvertrag über eine Stellfläche wurde jedoch am 24. September 2010 storniert.

3

Am 6. Oktober 2010 kam durch Gegenzeichnung ein »Pachtvertrag« über das Blockheizkraftwerk mit dem Kläger, der bereits am 30. August 2010 unterzeichnet hatte, zustande (sog. Verpachtungsmodell). A war danach berechtigt, das Blockheizkraftwerk zur Erzeugung von Strom und anderen Energien gegen eine jährliche Pacht in Höhe von 14.400 EUR (netto), zahlbar in zwölf monatlichen Raten zu jeweils 1.200 EUR zzgl. Umsatzsteuer, zu nutzen. Der »Pachtvertrag« hatte eine Laufzeit von zehn Jahren. Dem Kläger wurde die Option zur »einseitigen Verlängerung« des »Pachtvertrags« um zweimal fünf Jahre eingeräumt. Die vereinbarte »Pacht« war »ab Beginn des zweiten Monats nach Abschluss« zu zahlen, ohne dass es auf eine Übergabe des Blockheizkraftwerks angekommen wäre.

4

Am 25. Oktober 2010 gab der Kläger die Umsatzsteuervoranmeldung für August 2010 ab und machte den Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Blockheizkraftwerks in Höhe von 5.700 EUR geltend. Gleichzeitig zeigte er gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) an, dass er beabsichtige, das angeschaffte Blockheizkraftwerk an A zu verpachten.

5

Der Kläger erhielt von A am 6. Oktober 2010, 5. November 2010 und 25. November 2010 Zahlungen in Höhe von jeweils 1.428 EUR (1.200 EUR zzgl. 228 EUR Umsatzsteuer), die er in den Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Oktober bis Dezember 2010 erklärte. Die entsprechende Umsatzsteuer meldete er beim FA an und führte sie an das FA ab.

6

Zur Lieferung, Verpachtung und zum Betrieb des Blockheizkraft-werks kam es nicht. Am 30. November 2010 wurden von der Staatsanwaltschaft u.a. die Geschäftsräume der A durchsucht und Personen festgenommen (s. dazu auch Beschluss des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 21. September 2016 XI R 44/14, BFHE 255, 328, Umsatzsteuer-Rundschau –UR– 2017, 72, Rz 7). Am 1. Dezember 2010 teilte A auf ihrer Internetseite mit, dass die Produktion trotz der Durchsuchung weiterlaufe. In einer weiteren Nachricht am 3. Dezember 2010 wurde mitgeteilt, dass sämtliche Vertriebsaktivitäten eingestellt worden seien, insbesondere vorerst keine Bestellungen mehr angenommen und keine Container mehr ausgeliefert würden. Am 7. Dezember 2010 wurde im Fernsehen über »das Betrugsmodell der A« berichtet.

7

Auf einen Antrag vom 30. Dezember 2010 wurde am 1. März 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A eröffnet (vgl. Finanzgericht –FG– Baden-Württemberg, Urteil vom 19. September 2014  9 K 2914/12, juris, Rz 13; BFH-Beschluss in BFHE 255, 328, UR 2017, 72, Rz 8).

8

Das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth sprach elf Angeklagte, die im Bereich der A-Firmengruppe tätig waren, in 88 Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs für schuldig (Urteil vom 27. Februar 2014  12 KLs 507 Js 1612/10); dort ist ausgeführt: »Die Angeklagten verkauften ab Anfang 2010 mit Rapsöl betriebene Blockheizkraftwerke, die auf Grund eines angeblich äußerst niedrigen Verbrauchs auf Dauer extrem rentabel sein sollten. Die Angeklagten, die zuvor überwiegend im Strukturvertrieb tätig waren und keine Erfahrungen mit der Herstellung und dem Betrieb von Blockheizkraftwerken hatten, nahmen billigend in Kauf, dass es nicht möglich sein würde, Blockheizkraftwerke mit den zugesagten Eigenschaften, insbesondere dem wissenschaftlich nicht erklärbaren Verbrauch, herzustellen. Sie nahmen daher billigend in Kauf, dass die Käufer der Blockheizkraftwerke, die jeweils Vorkasse leisten mussten, keine adäquate Gegenleistung erhalten.« Das Urteil des LG ist rechtskräftig (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 11. Juni 2015  1 StR 590/14, Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtsprechungs-Report 2015, 379).

9

Das FA stimmte der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2010 (Streitjahr) vom 29. Juli 2011, in der der Kläger steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 3.600 EUR angab und Vorsteuern in Höhe von 5.700 EUR aus der Vorauszahlung für das Blockheizkraftwerk sowie weitere Vorsteuerbeträge von ... EUR geltend machte, nicht zu. Es setzte wegen in Rechnungen unrichtig oder unberechtigt ausgewiesener Steuerbeträge (3 x 228 EUR) die Umsatzsteuer mit Umsatzsteuerbescheid vom 21. September 2011 auf 684 EUR fest und ließ den Vorsteuerabzug aus der an A geleisteten Vorauszahlung nicht zu.

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