Die geringeren Emissionen durch Corona haben die Lage kurzfristig entspannt – für nachhaltige Klimaeffekte und damit die Energiewende aber sind weitere Anstrengungen nötig (Bildquelle: Adobe Stock)
Die aktuelle Entwicklung zeigt, welchen Beitrag die Sektoren noch leisten müssen, um die Klimaziele 2030 zu erreichen – und wo die Politik weiterhin gefordert ist.
Die COVID-19-Pandemie hat massive Auswirkungen auf Gesundheit, Gesellschaft und Wirtschaft, die bis heute nicht vollständig abzuschätzen sind. Zu den wenigen positiven Effekten zählt allerdings die Auswirkung auf das Klima während der Lockdown-Phase im Frühjahr dieses Jahres: Zwischen Mitte März und Ende April lagen die täglichen Emissionen in Deutschland nach ersten Schätzungen zeitweilig bis zu 26 % unter den Vorjahreswerten; 15 bis 20 Mt CO2 wurden dabei eingespart. Auch der Energieverbrauch sank spürbar: In der zweiten Aprilwoche beispielsweise wurde in Deutschland 14 % weniger Strom verbraucht als im Vergleichszeitraum der vorherigen drei Jahre.
Was zunächst beeindruckend klingt, ist jedoch nur ein Tropfen auf den heißen Stein des Klimawandels. Tatsächlich entspricht das im Lockdown eingesparte Treibhausgas gerade einmal den Emissionen von 7 bis 10 Tagen in Vor-Corona-Zeiten. Die Pandemie hat dem Klima nicht mehr als eine kurze Atempause verschafft – und dies auch noch zum volkswirtschaftlichen Preis einer tiefgreifenden Rezession.
Ob und wie sich die COVID-19-Pandemie strukturell auf die Energiewende auswirkt, lässt sich noch nicht abschließend bewerten. Klar ist aber, dass sich die bisherigen Versäumnisse beim Klimaschutz durch die Krise nicht aufgelöst haben. Vielmehr zeigt der aktuelle Energiewende-Index, dass entlang des energiewirtschaftlichen Dreiecks – Umwelt- und Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit – noch viel Arbeit wartet.
COVID-19 als Bremsverstärker der Energiewende
Schon vor Ausbruch der Pandemie war die Energiewende ins Stocken geraten, etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien (EE). Auch das Investitionsklima für nachhaltige Technologien hatte sich durch die Entwicklung auf den Energiemärkten bereits zu Jahresbeginn eingetrübt. Die Corona-Krise verstärkt diese negativen Trends nun zusätzlich:
- Windkraftausbau weiter gebremst: Im ersten Halbjahr 2020 wurden Windkraftanlagen an Land und auf See (On-/Offshore) mit einer Leistung von 811 MW errichtet. Das sind zwar 50 % mehr als der historisch schwache Zubau im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres, aber nur die Hälfte des Zubaus im ersten Halbjahr 2018. Bis zu 15 % aller EE-Projekte in Europa könnten durch die Corona-Pandemie verzögert oder annulliert werden, schätzt die Energieforschungsgruppe Wood Mackenzie. Auf globaler Ebene rechnen die Experten mit einem Rückgang des Windkraftausbaus um bis zu 5 GW (rund 10 % gegenüber dem Vorjahr). In Deutschland erschwert zusätzlich der (Corona-unabhängige) Streit um die Mindestabstände von Windkraftanlagen zu Wohngebieten den Onshore-Ausbau.
- Ölpreis unter Druck: Turbulenzen an den Ölmärkten gab es schon vor COVID-19, u.a. ausgelöst durch den Preiskampf zwischen Saudi-Arabien und Russland Mitte Februar. Innerhalb eines Monats rutschte der Ölpreis von 58 auf 28 US$/Barrel. Heute ist es die nachlassende Wirtschaftsleistung infolge der Corona-Krise, die den Ölpreis weiter unter Druck setzt: Aktuell liegt der tägliche weltweite Ölverbrauch im Schnitt bei 83,8 Mio. Barrel pro Tag – 2019 waren es noch 100,4 Mio.
- Stromgroßhandelspreise gesunken: Ab Mitte März brachen auch die Börsenstrompreise um bis zu 23 % ein – teilweise als Folge der Stilllegungen von Gewerbe- und Industriebetrieben und des damit einhergehenden geringeren Stromverbrauchs im Zuge der Lockdowns. Zum Preisverfall beigetragen hat allerdings auch die Entwicklung an den internationalen Energiemärkten. Ende März lagen die Gas- und CO2-Preise ein Viertel bzw. ein Drittel unter denen zu Jahresbeginn. Aktuell steht der Stromgroßhandelspreis wieder bei rund 40 €/MWh und damit nur geringfügig unter dem zu Beginn der Pandemie.
Gerade die Entwicklung an den Energiemärkten wirkt sich negativ auf die Energiewende aus, denn niedrige Börsenpreise machen die Nutzung konventioneller Energien attraktiv und bremsen den Ausbau von Erneuerbaren gleich zweifach: Während niedrige Rohstoff- und CO2-Preise die Investitionsanreize für Unternehmen schmälern, mindern niedrige Strompreise die Rentabilität von Wind- und Solarparks – und halten Projektentwickler vom Abschluss neuer Stromabnahmeverträge ab. Der Effekt hat sich bereits eingestellt: Im März lag das Volumen neuer europäischer Stromabnahmeverträge um 85 % niedriger als noch im Januar.