Die aktuellen politischen und geopolitischen Verhältnisse führen zu heftigen Turbulenzen

Die aktuellen politischen und geopolitischen Verhältnisse führen zu heftigen Turbulenzen (Quelle: Adobe Stock)

Ausgangslage

Die Energiewende prägt auch nach dem Regierungswechsel Teile der innenpolitischen Debatte, d.h. der Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie sowie die Dekarbonisierung stehen weit oben auf der Agenda der neuen Bundesregierung. Kontinuität in der Energie- und Klimapolitik kann weiterhin als gegeben angesehen werden. Zur Kontinuität gehört allerdings auch, dass wesentliche Eckpfeiler der Energiewende umstritten bleiben.

Außenpolitische Einflüsse gewinnen an Bedeutung. Die mit ihnen verbundenen Herausforderungen sind deutlich schwerer zu bewältigen und stellen somit Risiken von besonderer Qualität dar. Eine hohe Importabhängigkeit und steigende Energiepreise geben Anlass zu Sorge und Verunsicherung. Darüber hinaus erschüttert die zum Jahresbegeginn in Kraft getretene Taxonomieverordnung der EU die vermeintlich festzementierte Vorrangstellung der erneuerbaren Energien. Der Krieg in der Ukraine mit der Folge, dass Deutschland und Europa ihre hohe Energieabhängigkeit vom Agressor Russland so schnell wie möglich beenden wollen, wirft grundsätzliche Fragen nach der Energiesicherheit auf. Das zeigt erneut, dass Energiesysteme aus heutiger Sicht nicht isoliert von anderen Beziehungen betrachtet werden können.

Transformation unter Druck

Energiewende

Die zu Grunde liegende Datenbasis zeigt, dass der Energieverbrauch in Deutschland 2021 eine Höhe von 12.193 Petajoule (PJ) erreicht; das entspricht einem Anstieg um 2,6 % gegenüber dem Vorjahr. Im Detail hat sich der Verbrauch von Braunkohle um 18 % auf 1.130 PJ erhöht. Braunkohle hatte damit 2021 einen Anteil von 9,3 % (Vorjahr: 8,1 %) am gesamten PEV. Der Verbrauch an Steinkohle stieg 2021 um 17,9 % und erreichte eine Höhe von 1.052 PJ; der Anteil der Steinkohle am gesamten PEV erhöhte sich von 7,5 auf 8,6 %. Der Verbrauch von Mineralöl verminderte sich 2021 insgesamt um 5,1 % auf 3.877 PJ; der Anteil des Mineralöls am gesamten PEV sank auf 31,8 % (Vorjahr 34,4 %). Der Erdgasverbrauch erhöhte sich 2021 um 3,9 % auf 3.258 PJ; der Anteil des Erdgases am gesamten PEV stieg leicht von 26,4 auf 26,7 %. Die erneuerbaren Energien verminderten ihren Beitrag zum PEV 2021 leicht um 0,2 % auf 1.962 PJ; der Anteil der Erneuerbaren am gesamten PEV erreichte 2021 einen Anteil von 16,1 % (Vorjahr: 16,5) %. Der Beitrag der Kernenergie zum PEV stieg auf 753 PJ; 2021 hatte die Kernenergie einen Anteil von 6,2 % (Vorjahr: 5,9 %) am gesamten Energieverbrauch. 2021 floss erneut mehr Strom ins Ausland als umgekehrt nach Deutschland hinein. In Summe ging der Stromaustauschsaldo auf 20.440 GWh (73,6 PJ) zurück [1].

Viele Fachleute sehen – allerdings vorrangig mit Blick auf das Ziel Klimaschutz – die technisch-ökonomischen Voraussetzungen für eine Energiewende als gegeben an. Zahlreiche Institutionen haben dazu entsprechende Berichte publiziert [2]. Während der Ausstieg weitgehend nach Plan verläuft, verzögert sich der Umbau [3]. Es entsteht eine Diskrepanz, die mit Wasserstoff und Batterien geschlossen werden soll. Maßnahmen zur Beschleunigung werden implementiert, um das nationale Energiesystem in der dafür vorgesehenen Spur zu halten und um Zweifel an der Realisierbarkeit der Energiewende bereits im Keim zu ersticken [4]. Es bleibt festzuhalten, dass der Energiemix in Deutschland diversifiziert ist, aber gegenwärtig durch energiepolitische Zielvorgaben eingeengt wird. Global betrachtet hat die Energiewende viel Beachtung, aber nicht nur „follower“ gefunden.

Beziehungen und Abhängigkeiten

Zwischen Deutschland und anderen Ländern bestehen umfangreiche Beziehungen. Sie reichen von politisch-kulturellen Gemeinsamkeiten, erstrecken sich über gegenseitige wirtschaftliche Interessen bis hin zu sicherheitspolitischen Bündnissen. Geraten Beziehungen durch Veränderungen unter Druck, können sie aus der Balance geraten und als Abhängigkeiten wahrgenommen werden. Qualitativ höherwertige Beziehungen bedürfen einer kontinuierlichen Pflege und des gegenseitigen Respekts.

Aktuell bewegt sich Deutschland in einem von den USA, Russland und China aufgespannten machtpolitischen Dreieck. Die Bundesrepublik muss sich ihrer Interessenlage unter Berücksichtigung weiterer Partnerschaften entsprechend positionieren. So erwarten die USA eine umfassende Unterstützung ihrer hegemonialen Vorstellungen bis hin zur Beteiligung an Sanktionen. Russland sieht seine Souveränität durch Sanktionen beeinträchtigt, versteht sich selbst als verlässlicher Vertragspartner bei internationalen Vereinbarungen, ohne darauf zu verzichten, Schwächen bei anderen zum eigenen Vorteil zu nutzen, und versucht, als Rohstoffexporteur seine Einflussphäre zu stabilisieren oder gar auszubauen. China nutzt einerseits die Größe seiner Märkte und andererseits Konzepte wie die Neue Seidenstraße (Belt & Road Initiative), um seine Position umfassend zu stärken. Deutschland kann gegenwärtig höchstens indirekt, beispielsweise über die Europäische Union, Zugang zu dieser Ebene finden.

Für eine angemessene Bewertung bestehender Handelsbeziehungen sind multi-kriterielle Ansätze geeignet. Mit ihrer Hilfe lässt sich untersuchen, ob die Beziehungen in einen Kontext von gemeinsamen Wertvorstellungen wie beispielsweise Freiheit, Demokratie und Souveränität eingebettet sind, wie es um den Stand der jeweiligen allgemeinen politischen Beziehungen und sicherheitspolitischen Interessen sowie um die wirtschaftliche Bedeutung der gehandelten Güter und konkreter Alternativen steht. Eine derartige Bewertung kann zeigen, wo aus Beziehungen und gemeinsamen Interessen Abhängigkeiten entstanden sind, wo neue Abhängigkeiten entstehen könnten und wer davon betroffen ist. Wenn Beziehungen nicht mehr als stabil und unveränderlich erscheinen, sondern eher zum Gegenstand einer politischen Instrumentalisierung werden, dann ist es für jeden beteiligten Akteur unmittelbar geboten, alternative Optionen zu explorieren und ggf. selbst zu entwickeln. Innovation wird somit zu einem grundlegenden und unverzichtbaren Baustein gesellschaftlicher Entwicklung.

Tab. 1 Handelsvolumina im Jahr 2020
  USA Russland China Deutschland
USA [5] --- 20,28 Mrd € 521,69 Mrd € 103,48 Mrd €
Russland [6] 5,86 Mrd € --- n.a. 23,09 Mrd €
China [7] 149,38 Mrd € n.a. --- 117,37 Mrd €
Deutschland 67,69 Mrd € 21,47 Mrd € 95,6 Mrd € ---

Tab. 1 zeigt das Volumen der Handelsbeziehungen. Deutschland exportiert Waren im Wert von 103,5, 23,1 und 117,4 Mrd. € in die USA, nach Russland und nach China. Die Importe belaufen sich auf 67,7, 21,5 und 95,8 Mrd. €. Die USA und China zählen zu den wichtigsten Handelspartnern Deutschlands, mit einigem Abstand folgt Russland. Der Handel mit Energieträgern ist Bestandteil dieses Mengengerüsts.

Die Energieversorgung spielt in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle. Deutschland deckt etwa 70 % seines PEV aus Importen. Zwei Gründe sind dafür wesentlich: Zum einen gilt die Förderung nationaler Energieträger als nicht wettbewerbsfähig, zum anderen ist sie mit massiven Eingriffen in die Umwelt verbunden und stößt bei lokal und regional Betroffenen auf Widerstand. Die Lieferbeziehungen zwischen Lieferanten und Verbrauchern von Energieträgern unterliegen einem ständigen Monitoring. Auf Grund der strategischen Bedeutung des Energiesektors sollen Veränderungen möglichst frühzeitig erkannt werden. Dies gilt insbesondere in Zeiten von politischen Umbrüchen und Konflikten.

Bei den jährlichen Anteilen der deutschen Importmengen an Steinkohle liegt Russland mit 46 % an erster Stelle. Die Vereinigten Staaten erreichen einen Marktanteil von etwa 18 %. Die Lieferungen von Australien liegen bei 12 %. Kolumbien konnte erstmals nach Jahren wieder leichte Zugewinne beim Import nach Deutschland verzeichnen (2020: +6 %). Die Einfuhren aus Polen gehen zurück; dasselbe gilt für Importe aus der Republik Südafrika. Den größten Anteil seiner Rohölimporte bezieht die Bundesrepublik aus Russland (36 %), gefolgt von Norwegen (12 %) und Libyen (9 %) sowie aus Kasachstan und UK (jeweils 8 %) [8]. Deutschland bezieht den Großteil der Erdgasimporte aktuell hauptsächlich aus drei Ländern. Die russischen Erdgaslieferungen machten mehr als die Hälfte der deutschen Erdgasimporte (55 %) über Pipelines aus. Die zweitwichtigste Erdgasbezugsquelle für Deutschland ist Norwegen (31 %), gefolgt von den Niederlanden (13 %) [9].

Die statistische Datengrundlage zeigt, dass die breite energiespezifische Diversifizierung Deutschlands durch einen hohen Importanteil relativiert wird. Der hohe Anteil an importierten fossilen Energieträgern aus Russland ist dabei besonders bemerkenswert. Aus diesen Handelsbeziehungen können ernstzunehmende Abhängigkeiten entstehen, wenn sie als Mittel in einer politischen Auseinandersetzung wie z. B. einem Embargo werden [10]. Allianzen und Partnerschaften könnten hier deeskalierend wirken. In Anbetracht der strategischen Bedeutung des Energiesektors für die Entwicklung sind einzelne Akteure immer wieder erneut versucht, über Handelsbeziehungen Abhängigkeiten aufzubauen. Besonders markante Beispiele stellen die beiden Ölpreis-Krisen der 1970er Jahre und aktuell der Ukraine-Konflikt dar.

Tab. 2 Produktion und Verbrauch beim Erdgas (Mrd. m3)
  2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Glob. Produktion [11] 3.150,8 3.258,0 3.326,8 3.366,1 3.437,9 3.511,7 3.552,1 3.676,2 3.852,9 3.976,2 3.853,7
davon EU 125,6         84,3         47,8
davon China 96,5         135,7         194,0
davon Russland 598,4         584,4         638,5
davon USA 575,2         740,3         914,6
davon Deutschland 11,1         7,5         4,5
Glob. Verbrauch [12] 3.160,5 3.235,7 3.320,5 3.374,6 3.400,1 3.478,2 3.558,6 3.653,7 3.837,9 3.903,9 3.822,8
davon EU 422,8         346,7         379,9
davon China 108,9         194,7         330,6
davon Russland 423,9         408,7         411,4
davon USA 648,2         743,6         832,0
davon Deutschland 88,1         77,0         86,5

Handel und Abhängigkeiten bei der Versorgung mit Erdgas

Weltweit betrachtet hat die Bedeutung von Erdgas in der Energieversorgung zugenommen (Tab. 2). Die Versorgung beruht auf einer umfangreichen Infrastruktur. Der Transport erfolgt leitungsgebunden, zunehmend aber auch in flüssiger Form (LNG) mit Hilfe von Tankschiffen. In beiden Fällen gehören Speicher dazu. Auf Russland und die USA entfallen etwa 40 % der weltweiten Produktion. Der Eigenverbrauch beider Länder liegt darunter. Für sie ist also der Export von Bedeutung. Jedes Land für sich könnte den Importbedarf Deutschlands (ohne weiteres) decken. Deutschlands Anteil am globalen Verbrauch beträgt etwas mehr als 2 %.

Tab. 2 zeigt darüber hinaus, dass Russland zu den großen Akteuren auf dem globalen Gasmarkt gehört. Seine Interessen reichen weit über einzelne bilaterale Beziehungen hinaus. So reagierte Russland auf das Risiko stärker schwankender und vor allem fallender Preise bereits 2008 mit Plänen für eine Gas-OPEC. Das im selben Jahr in Russland gegründete Forum Gas exportierender Länder (Gas Exporting Countries Forum – GECF), wurde zwar von Russland als Gas-OPEC bezeichnet, konnte sich aber nicht auf eine Einflussnahme auf Fördermengen oder Preisgestaltung einigen. Es ist offensichtlich, dass das russische Interesse in einer Maximierung der eigenen Einnahmen aus dem Erdgasexport besteht und nicht in einer möglichst günstigen und sicheren Versorgung der Abnehmerländer. Dementsprechend sah Russland auch keinen Grund, im Herbst 2021 mehr als die vereinbarten Mengen an Erdgas nach Europa zu liefern, um zu fallenden Preisen beizutragen.

Tendenziell ist festzustellen, dass die Globalisierung zu etablierten Märkten für Erdöl und Erdgas geführt hat. Geopolitische Machtverschiebungen können diese Entwicklung stören, aber nicht gänzlich eliminieren. Diese Einschätzung basiert allerdings stark auf der Annahme, dass die Transformationsprozesse weitgehend kooperativ und partnerschaftlich erfolgen. Versuche, Rohstoffmärkte und Energiemärkte im Besonderen zu kontrollieren, sind nicht neu. Bisher waren alle zum Scheitern verurteilt. Es bleibt abzuwarten, wie der globale Markt für Erdgas nach Corona-Pandemie und Ukraine-Krise aussehen wird. Längerfristige Prognosen für die Entwicklung des Erdgasmarktes haben sich in der Vergangenheit regelmäßig als falsch erwiesen. Das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ist zu komplex. Die Zahl der Produzenten ist groß, und die Frage, wie schnell und in welchem Umfang die Umstellung auf Flüssiggas gelingt, steht im Raum.

Seit 1970 bestehen Verträge zur Lieferung von russischem Erdgas nach Deutschland [13]. Bisher erfolgte die Gaslieferung leitungsgebunden. Bau, Inbetriebnahme und Betrieb der Ostsee-Pipeline 2 waren Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzungen. Nicht zuletzt angesichts des Ukraine-Konflikts bestanden erhebliche Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Projekts. Bald nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wurde das Projekt von Deutschland gestoppt.

Derzeit sind in Deutschland 51 unterirdische Erdgasspeicher für insgesamt 24,6 Mrd. m3 in Betrieb, was etwa 28 % des deutschen Jahresverbrauchs entspricht. Der größte Erdgasspeicher Westeuropas mit einer Arbeitsgas-Kapazität von 4 Mrd. m3 ist seit 1993 in Betrieb und liegt in der Nähe von Rehden in Niedersachsen [14]. Die Eigentumsverhältnisse – Gazprom ist Eigentümer – wurden problematisiert. Angesichts eines von russischer Seite geplanten dubiosen Eigentümerwechsels hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Gazprom Germania Anfang April unter die Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur gestellt.

In Anbetracht der Tatsache, dass der deutsche Gesamtverbrauch an Erdgas tendenziell zurückgeht, hatte der Erdgashandel mit Russland ohnehin ein begrenztes Wachstumspotential und wird nun so schnell wie möglich enden. Aus strategischen Gesichtspunkten und um weiteren Anbietern den Zugang zum deutschen Markt zu ermöglichen, wird der Bau von LNG-Übergabestationen erwogen.

Fazit und Ausblick

Die aktuellen politischen und geopolitischen Verhältnisse führen zu heftigen Turbulenzen, bieten aber auch hinreichend Gelegenheit, Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen der Vergangenheit zu korrigieren:

  • Deutschlands Energieversorgung basiert auf einem breiten Energiemix. Einschränkungen ergeben sich durch politische und technologische Präferenzen, wie sie im Konzept der Energiewende dargelegt sind.
  • Die einseitige Fixierung in Teilen der deutschen Gesellschaft auf Klimaschutz und erneuerbare Energien basiert auf einem intellektuell-akademisch geprägten Führungsanspruch, dem seine „Follower“ nur noch bedingt folgen. Politische Narrative wie „Nachhaltige Entwicklung“ bedürfen dringend einer Anpassung an originäre Bedürfnisse wie Wohlstand und Gesundheit sowie eng damit verbundene Vorstellungen zur Gewährleistung von Sicherheit, Gerechtigkeit etc.
  • In einer global vernetzten Welt hängen einzelne Länder stark von ihren Beziehungen zu anderen Partnern ab. Veränderungen bei einem Akteur wirken sich in der Regel in vielfacher Hinsicht und in verschiedene Richtungen aus. Wenn ein Akteur wie Deutschland im Rahmen seiner politischen Willensbildung seine Position im Netz verändert wie z.B. hin zu Dekarbonisierung und Kernenergieausstieg, dann werden andere darauf reagieren, sei es zunächst durch eine Analyse der sich abzeichnenden Folgen sowie ggf. durch Allianzen, um Risiken wie z. B. eine Abwertung von Know-how und einen Verlust von Marktanteilen abzuwehren. In diesem Sinne können Krisen und Konflikte als Beschleuniger für Veränderungen wirken. Diese Dynamik erzwingt Innovation. Neue Beziehungen wie beim Bezug von Seltenen Erden zur Herstellung von Batterien und Elektroantrieben gewinnen an Bedeutung, die Gefahr zusätzlicher Abhängigkeiten ist zu prüfen. Auch bei übergeordneten Narrativen könnte ein Paradigmenwechsel vom einfachen schwarz/weiß zu Farbschattierungen erforderlich werden. Hieraus ergeben sich weitere Anforderungen, auch für die Energiesektoren einzelner Länder. Die Höhe der Importanteile mag zwar als Hinweis auf die Qualität von Handelsbeziehungen gewertet werden, vergleichsweise hohe Importanteile werden aber erst zu einer Abhängigkeit und Gefährdung der Souveränität, wenn sie von einzelnen Akteuren in einem übergeordneten Kontext instrumentalisiert werden. In Anbetracht des hohen russischen Anteils bei fossilen Energieträgern scheint die deutsche Energieversorgung nicht ausreichend diversifiziert zu sein.
  • Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine tritt der hohe Anteil an importiertem Gas aus Russland in den Vordergrund. Die Umstellung auf Flüssiggas aus anderen Ländern kann kurzfristig nicht erfolgen, da die entsprechende Infrastruktur fehlt. Dieses Manko basiert auf einer geopolitischen Fehleinschätzung, die nun Deutschlands Rolle als kraftvollen Akteur in der Konfliktbewältigung unterminiert. Mit „Energieplänen“ auf die aktuelle Krise zu reagieren, erweckt eher den Anschein von Orientierungslosigkeit. Ähnliches gilt für die immer wieder aufflammende Debatte darüber, Dekarbonisierung und Kernenergieausstieg noch einmal zu verschieben. Bei Investoren und Bündnispartnern entsteht der Eindruck von Wankelmütigkeit, aber nicht das Bild, dem Deutschland so gerne entsprechen möchte. Ebenso erscheint es fragwürdig, seine Handelspartner einseitig einem moralisch motivierten Regime zu unterwerfen. Sanktionen wie ein Embargo sind per se autoritär und kaschieren Versäumnisse in längst vergangenen Zeiten.
  • In Anbetracht der gegenwärtig laufenden Veränderungen geht es um Zukunftsfähigkeit in einem erweiterten Sinn, der Stärke und Überzeugungskraft aus Glaubwürdigkeit gewinnt. Es bleibt offen, inwieweit die deutsche Gesellschaft und insbesondere deren politische Entscheidungsträger schon bereit sind, dem Rechnung zu tragen und innovativ zu antworten.

Quellen

[1] AGEB https://ag-energiebilanzen.de/energieverbrauch-zieht-wieder-an/
[2] Boston Consulting Group – Prognos (2018): Klimapfade für Deutschland.
[3] Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt (2021): Monitoringbericht 2021. Berlin https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Monitoringberichte/start.html
[4] BMWi (2021): Die Energie der Zukunft. 8. Monitoring-Bericht. Berlin https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Sachgebiete/ElektrizitaetundGas/Unternehmen_Institutionen/Monitoringberichte/MonitoringEnergiederZukunft/start.html;jsessionid=4CB88ECD241AA4A529609A29CB3808B2
[5] https://www.census.gov/foreign-trade/balance/c4621.html Werte für 2020 in Millionen US.-$ Ende 2020: 1,20 €/US-$.
[6] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/260062/umfrage/deutsche-importe-aus-russland/
[7] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152360/umfrage/deutsche-exporte-nach-china/
[8] https://ag-energiebilanzen.de/ag-energiebilanzen-legt-bericht-fuer-2021-vor/
[9] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/151871/umfrage/erdgasbezug-deutschlands-aus-verschiedenen-laendern/
[10] M. Asada (2021): Economic Sanctions in International Law and Practice. London. N. Mulder (Ed.) (2022): The Economic Weapon: The Rise of Sanctions as a Tool of Modern War. New Haven.
[11] bp Statistical Review of World Energy 2021, S. 36.
[12] bp Statistical Review of World Energy 2021, S. 38.
[13] https://de.wikipedia.org/wiki/E.ON_Ruhrgas
[14] https://de.wikipedia.org/wiki/Erdgasspeicher
[15] J. Löhr (2022): Der neue Energieplan. Frankfurter Allgemeine Zeitung 7. März 2022, p. 17.
EU-Kommission (2022): REPowerEU: gemeinsames europäisches Vorgehen für erschwinglichere, sichere und nachhaltige Energie. Straßburg, 8. März 2022. International Energy Agency (2022): A 10-Point Plan to Reduce the European Union’s Reliance on Russian Natural Gas. Paris, 3. März 2022.

Prof. J.-F. Hake, Sustainable Energy Solutions, Jülich, Jfh-ses@gmx.net
 

Ähnliche Beiträge