Symbolbild zum Thema Energiewende 2030 (Bild: Adobe Stock)

Der Netzausbau zählt zu den Mammutherausforderungen der Energiewende, die keinen Aufschub dulden und auf welche die Politik eine Antwort finden muss (Bild: Adobe Stock)

Um die nächsten Meilensteine bis 2030 zu erreichen, müssen der Ausbau der erneuerbaren Energien wieder forciert, die Kostenspirale gebremst und drohende Probleme bei der Versorgungssicherheit abgewendet werden.

Der Rückblick auf die deutsche Energiepolitik des letzten Jahrzehnts ist wenig zufriedenstellend. Viele Ziele, die von der Politik gesteckt wurden, sind verfehlt worden. Von Deutschland als Vorreiter der Energiewende ist in diesen Tagen – auch international – kaum mehr die Rede.

Die Probleme ziehen sich durch alle drei Dimensionen des energiewirtschaftlichen Dreiecks: Im Bereich Umwelt- und Klimapolitik ist es Deutschland immer noch nicht gelungen, die CO2-Emissionen hinreichend zu senken – trotz der jüngsten Reduktionserfolge. Zudem sind wichtige Treiber der CO2-Bilanz wie der Ausbau der Windenergie komplett ins Stocken geraten. Im Bereich Versorgungssicherheit bewegt sich Deutschland zwar noch immer auf hohem Niveau, allerdings mehren sich die Anzeichen für Risiken künftiger Engpässe, wie die Verzögerungen beim Ausbau der Transportnetze zeigen. Im Bereich Wirtschaftlichkeit erreicht Deutschland seine Ziele nach wie vor nicht: Deutsche Verbraucher zahlen weiterhin erheblich mehr für ihren Strom als ihre europäischen Nachbarn.

Neue Weichenstellungen in der Klimapolitik

Mit dem im Dezember 2019 verabschiedeten Klimapaket wurden nun die klima- und energiepolitischen Weichen für das kommende Jahrzehnt gestellt. Als oberstes Ziel gibt die Bundesregierung aus, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu reduzieren.

Für den Verkehrssektor werden endlich klare Ziele für die Elektrifizierung genannt, nachdem das vormals kommunizierte Ziel von einer Million Elektrofahrzeuge bis 2020 schon lange seine Gültigkeit verloren hatte. Nun sollen bis 2030 mindestens sieben, im Idealfall zehn Millionen Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein. Vergleichbar konkrete Ziele – abgesehen vom Anteil der Erneuerbaren – gibt es für den Wärmesektor allerdings nicht. Im Bereich Wirtschaftlichkeit will die Politik vor allem die Verbraucher entlasten: durch Steuervergünstigungen bei der Nutzung von Schienenfernverkehr, durch Reduzierung der EEG-Umlage und (ab 2021) durch eine Erhöhung der Pendlerpauschale.

Insgesamt enthält das Klimapaket mehr als 50 Einzelmaßnahmen. Herzstück ist die Einführung einer CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Wärmesektor. Ab 2021 werden CO2-Zertifikate zu einem Festpreis ausgegeben, der jährlich angehoben wird. Ab 2026 erfolgt die Auktionierung der Zertifikate basierend auf einer festgelegten maximalen Emissionsmenge.

Die Herausforderungen durch das Klimapaket

Aus den Weichenstellungen der Bundesregierung ergeben sich neue Herausforderungen in allen drei Dimensionen des energiewirtschaftlichen Dreiecks:

  • Umwelt- und Klimaschutz: Ein hoher CO2-Preis im Energiesektor und gute Witterungsbedingungen für Erneuerbare haben die Treibhausgasemissionen 2019 um mehr als 50 Mio. t sinken lassen. Dennoch ist zweifelhaft, dass die verbleibende Lücke von ca. 61 Mio. t zum Zielwert 2020 noch in diesem Jahr geschlossen werden kann. Agora Energiewende warnt, dass die Emissionen bis 2022 durch erhöhtes Verkehrsaufkommen sogar wieder steigen könnten. Um das CO2-Reduktionsziel von -55 % bis 2030 dennoch zu erreichen, müssen die bisherigen Erfolge aus dem Stromsektor auf Verkehr und Wärme übertragen werden.

Vor allem bei der Elektromobilität und Modernisierung der Wärmeversorgung braucht es sichtbare Fortschritte. Gelingen soll dies durch die bereits erwähnte CO2-Bepreisung ab 2021. Der Einstiegspreis liegt mit 25 € pro t CO2 deutlich über dem ursprünglich im Klimapaket der Bundesregierung vorgeschlagenen Preis von 10 €. Bis zum Jahr 2025 wird er schrittweise auf bis zu 55 € ansteigen. Nach dieser Einführungsphase soll eine definierte Menge an Zertifikaten auktioniert werden. Es steht zu erwarten, dass diese Preisgestaltung bis 2025 alleine nicht ausreichen wird, um die CO2-Reduktionsziele zu erreichen.

Hinzu kommt, dass sich der neue CO2-Preis auf verschiedene Industriezweige unterschiedlich auswirken wird: Während einerseits die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie leiden könnte, dürfte der Preis andererseits nicht hoch genug sein, um ausreichend Anreize für umfassende Investitionen in neue, umweltfreundliche Energieinfrastruktur zu setzen (z.B. in erneuerbare Wasserstofferzeugung).

Zudem hängt das Erreichen der Klimaziele in hohem Maße weiter vom Ausbau der erneuerbaren Energien ab. Jedoch ging vor allem der Windenergieausbau zuletzt massiv zurück, anstatt sich zu beschleunigen: Laut IWR sind 2019 nur 286 Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 958 MW zugebaut worden – damit liegt der Zubau 82 % unter dem Niveau des Rekordjahrs 2017.

  • Versorgungssicherheit: Die angekündigte Abschaltung von Kohle- und Kernkraftwerken stellt das Energiesystem vor große Herausforderungen. Insbesondere die Verfügbarkeit gesicherter Kapazität im In- und Ausland gewinnt dadurch an Bedeutung. Bis 2030, so hat McKinsey in Simulationen des Strommarkts errechnet, wird bis zu 17 GW zusätzliche Kraftwerkskapazität benötigt, um Nachfragespitzen mit gesicherter Erzeugung hierzulande abdecken zu können.

Ohne Neubauten wird Deutschland darauf angewiesen sein, seine Energieversorgung durch ausländische Erzeugungskapazität zu sichern. Inwiefern dies möglich ist, hängt davon ab, ob in den Nachbarländern zusätzliche Kapazität vorhanden ist und ausreichend Interkonnektorkapazität zur Verfügung steht. Da einige Nachbarländer ebenfalls Kraftwerkskapazitäten stilllegen, wie z.B. Belgien infolge des Ausstiegs aus der Kernenergie oder Italien im Rahmen des Kohleausstiegs, ist dies zweifelhaft.

  • Wirtschaftlichkeit: Der Haushaltsstrompreis wird absehbar auch im neuen Jahrzehnt weiter steigen. Bereits für 2020 haben laut Vergleichs- und Vermittlungsportal Verivox 506 der 820 örtlichen Stromversorger Preiserhöhungen von durchschnittlich 6 % angekündigt. Mit der Einführung der CO2-Bepreisung im Wärme- und Verkehrssektor dürften ab 2021 auch die Kosten für andere Energieträger wie Heizöl, Erdgas und Benzin steigen.
1 / 5

Ähnliche Beiträge