EWI-Energietagung: Paneldiskussion zum Thema „Gasmarkt – Von der Brücke zum Sorgenkind?“ mit (v.l.n.r.) Karsten Bourwieg (Bundesnetzagentur), Catharina Friedrich (rhenag), Marc Oliver Bettzüge (EWI), Moderator Jan Hauser (FAZ) und Klaus Dieter Maubach (Uniper)

Paneldiskussion zum Thema „Gasmarkt – Von der Brücke zum Sorgenkind?“ mit (v.l.n.r.) Karsten Bourwieg (Bundesnetzagentur), Catharina Friedrich (rhenag), Marc Oliver Bettzüge (EWI), Moderator Jan Hauser (FAZ) und Klaus Dieter Maubach (Uniper) (Quelle: EWI)

Prof. Marc Oliver Bettzüge, Direktor des des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI) konstatierte in seinem Eingangsstatement, dass „Energie ein essentielles und wohl dauerhaft knappes Gut“ in der energetischen Transformation“ sei. Eine Aussage, die sich im Laufe der Veranstaltung immer wieder bestätigte.

Unter den mehr als 100 Gästen waren prominente Fachleute aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft, wie Prof. Veronika Grimm (Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg/Sachverständigenrat), Prof. Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft), Karsten Bourwieg (Bundesnetzagentur), Catharina Friedrich (rhenag Rheinische Energie AG), Eva Hennig (Thüga AG), Prof. Dieter Bathen (Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft) und Klaus Schäfer (Covestro).

Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Transformation

Klaus-Dieter Maubach, Vorstandsvorsitzender von Uniper, wies zum Thema „Gasmarkt – Von der Brücke zum Sorgenkind?“ darauf hin, dass Deutschland im LNG-Markt insbesondere mit dem asiatischen Markt im intensiven Wettbewerb stehe. „Wenn Deutschland den Einstieg auf dem LNG-Markt verpasst, wird es Gas immer kurzfristig zu höheren Preisen beschaffen müssen“, sagte Uniper-Chef Maubach.

Zur Versorgungssicherheit im Stromsektor war Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) aus Berlin zugeschaltet. „Alle drei Aspekte des energiewirtschaftlichen Dreiecks aus sauberer, sicherer und bezahlbarer Energie sind unter Druck geraten“, so Andreae. Sie verwies u.a. darauf, dass Bestandsschutz fundamental für zukünftige Investitionen sei und wir deshalb „in einer Krise nicht das System verändern dürfen“.

Wo Deutschland bei der Treibhausgasreduktion seit dem Jahr 2000 steht, findet sich im aktuellen Zweijahresgutachten des Expertenrats für Klimafragen (ERK), das dessen Vorsitzender Prof. Hans-Martin Henning, Direktor des Fraunhofer ISE Freiburg, vorstellte – was für Enüchterung sorgte. Denn es wurde deutlich, dass die bisherigen Emissions-Reduktionsraten bei weitem nicht genügen, um die Klimaschutzziele für 2030 zu erreichen – weder in der Summe noch in den einzelnen Sektoren. Zur Zielerreichung 2030 müsste sich die jährlich erzielte Minderungsmenge im Vergleich zur historischen Entwicklung der letzten zehn Jahre mehr als verdoppeln.

NRW-Wirtschafts- und Energieministerin Mona Neubaur sprach in einer Keynote-Videobotschaft über Nordrhein-Westfalen als Industrieland 2.0. Sie hob hervor, dass „die aktuelle Lage die Transformation noch beschleunigen wird“. Wie in der daran anknüpfenden Diskussion deutlich wurde, müssen im Industrie- und Energieland NRW die Wasserstoffinfrastrukturen rasch entwickelt werden. Es wurde u.a. darauf hingewiesen, dass generell in der deutschen Energietransformation eine Synchronisierung der Systeme fehlt.

Stadtwerke stehen vor neuen Herausforderungen

Dass die Gasbrücke in die klimaneutrale Energiezukunft kürzer geworden ist, das zeigte auch der Strategiediskurs der Stadtwerke an diesem Tag. Die Kunden seien bezüglich des Erdgases stark verunsichert und fragten verstärkt nach PV-Systemen inklusive Speicher nach, zudem sei das Interesse für Wärmepumpen hoch. So Andreas Feicht, Vorstandsvorsitzender RheinEnergie, in seinem Impulsreferat. Die Stadtwerke stehen derzeit mit der aktuellen Energiekrise und der anstehenden Transformation vor gleich zwei Herausforderungen. Vor allem der CAPEX-intensive Bereich wachse aktuell sehr stark, sagte Feicht. Er äußerte aber Zuversicht, dass die Stadtwerke die neuen Aufgaben erfolgreich bewältigen könnten. Allerdings sei hierzu eine deutliche Professionalisierung notwendig, d.h., Fähigkeiten für flexible und schnelle Richtungsänderungen in der praktischen Arbeit müssten schnell gelernt werden.

Neues Marktdesign: Flankierung des Energy-Only-Marktes

Auch die Sicherheit und Finanzierbarkeit der Stromversorgung stehen in besonderem Maße im Fokus der Debatten. Es müssen für die Zukunft Anreize für gesicherte Leistung installiert werden. Hierzu gibt es weder in der EU noch hierzulande eine einheitliche Meinung, sondern ein breites Spektrum. Das wurde beim Thema Strommarktdesign deutlich. Im Panel wurde u.a. vorgeschlagen, mehr über Flexibilität auf der Angebots- und Nachfrageseite zu reden. Diese muss einen Preis bekommen. Hierzu müsste die Verfügbarkeit von Erzeugungsanlagen mit einem ökonomischen Mehrwert ausgestattet werden. Es wurde bekräftigt, dass der Energy-Only-Markt letztendlich das richtige Instrument sei. In einem Stromsystem mit immer weniger konventionellen und immer mehr erneuerbaren Energien müsse er jedoch durch Zusatzinstrumente flankiert werden. Am Ende könnte in Zukunft ein hybrides Marktdesign stehen, kohärent und europäisch.

Aktuelle Forschung aus dem EWI präsentierten Julian Keutz (Szenarien für die Preisentwicklung von Energieträgern unter Unsicherheit), Berit Hanna Czock (Rolle von Batteriespeichern im Übertragungsnetz) und Michael Moritz (Dekarbonisierung des globalen Stahlsektors). Den Abschluss bildete das Thema „Wasserstoff – Strategien, Instrumente, Umsetzung“.

Es bleibt kompliziert

Alles in allem fehlte auf der Tagung wohl kaum ein Thema, das aktuell auf den Nägeln brennt. Es gab neben vielen Eindrücken vom hohen Zeitdruck bei verschiedenen Transformationslementen auch Ermutigendes wie das erste LNG-Terminal Deutschlands in Wilhelmshaven, das vergleichsweise schnell bewerkstelligt werden konnte. Dass Genehmigungsprozesse für neue Energieinfrastruktur dringend vereinfacht werden müssen, war auf der Veranstaltung mehrmals zu vernehmen. Nach einer Entbürokratisierung, das zeigte sich ebenso, sieht es jedoch gegenwärtig nicht aus – es bleibt kompliziert.

Weitere Informationen unter https://www.ewi.uni-koeln.de/

„et“-Redaktion

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