Schlanke Prozesse

Die Transformation in eine schlanke Organisationsstruktur, die in vernetzten Teams agiert, stellt eine tiefgreifende Veränderung dar, die vor etablierten Prozessen nicht Halt macht. Es ist jedoch wichtig für die Aufrechterhaltung des laufenden Geschäftsbetriebes, dass der Kern der Prozesse geschützt und an den Rändern großzügig vereinfacht wird. Konkret werden Prozesse optimiert, um übermäßige Komplexität zu reduzieren, Wartezeiten zu verringern, unnötige Berichte abzulösen und dennoch gleichzeitig Prozessqualität sicherzustellen.

Auf Basis unserer Projekterfahrung empfehlen wir Unternehmen, sich insbesondere auf die folgenden Kernprozesse zu konzentrieren:

  • Verkaufsprozesse: Verkaufsprozesse, einschließlich der Prozesse für den Kundenservice, sowohl im Front- als auch im Back-Office, können durch den Einsatz eines Leadmanagements (wie oben beschrieben) oft effizienter sowie proaktiver ausgestaltet und damit optimiert werden. Ein von uns betreuter Regionalversorger hat durch Nutzung von Lean-Methoden und -Prinzipien den Angebotsprozess automatisiert und beschleunigt. Das Ergebnis: Das Unternehmen hat die Verarbeitungszeit um rund 85 % verkürzt und gleichzeitig Schnittstellen und die damit verbundene Fehleranfälligkeit signifikant reduziert.
  • Kundenkontaktprozesse: Die Transformation von einem Einkanal- hin zu einem Omni-Kanal-Vertrieb erfordert ein hohes Maß an organisatorischem Geschick, um an jedem Berührungspunkt die vom Kunden erwartete Qualität und Professionalität sicherzustellen. Dazu ist es sinnvoll, ein Portfolio aus externen Dienstleistern (z. B. Callcenter, D2D-Partner, Online-Plattformen) aufzubauen und an die eigenen Systeme und Prozesse anzubinden. Dies gilt insbesondere für Callcenter (oft First-Level-Support) sowie für Mid- und Backoffice (oft Second-Level-Support), die nach wie vor die mit Abstand am weitesten verbreiteten Anlaufstellen für Kunden von Energieversorgern sind. Bei derartigen Projekten ist es wichtig sicherzustellen, dass Kundeninformationen und -betreuer vor dem Go-live der neuen Organisationsstruktur eindeutig zugeordnet werden und dadurch die entsprechende Prozesssicherheit gewährleistet ist. Ziel ist, dass Kunden beim ersten Kontakt konsequent die nachgefragten Informationen erhalten. So vermeidet der Vertrieb Beschwerden und Folgeanrufe. Eine derart fallabschließende Abwicklung hilft somit, deutlich, Kosten zu senken. Das gleiche gilt für Online-Kanäle, wo z. B. über einen intelligenten Satz an FAQs, Self-Support oder im Sinne der Omni-Kanal-Strategie ein einfacher Kanalwechsel zu einem persönlichen Betreuer sichergestellt wird, dass das Kundenerlebnis verbessert und Kosten reduziert werden.
  • Zahlungsprozesse: Für die überwiegende Mehrheit der Kunden zählt die Abrechnung zu den wichtigsten Dimensionen ihrer Erfahrung mit ihrem Energieunternehmen. Tatsächlich sind Abrechnungsfehler der häufigste Grund für Kundenbeschwerden und sorgen für hohe „Cost-to-Serve“. Immer wieder haben wir in B2B-Projekten einen Zusammenhang zwischen ausufernder Produktvielfalt und steigenden Problemen in der Abrechnung festgestellt. Rechnungserstellung und -versand erfolgt in vielen Fällen außerhalb der Regelprozesse: Handarbeit ersetzt dann System, rechnungsbezogene Anfragen nehmen zu. Oft liegt die Ursache auch schon in der Produktentwicklung, welche die systemseitige Prozess- und Abrechnungsfähigkeit nicht ausreichend sicherstellt. In der Optimierung von Zahlungsprozessen ist es deshalb wichtig, eine gesamtheitliche Lösung anzustreben.

Kooperationen mit externen, spezialisierten Unternehmen können an vielen Stellen sinnvoll sein. Zahlreiche mittelgroße Energieversorger leisten sich heute noch eine eigene Handelsabteilung, die von der Asset-Bewirtschaftung über das Portfoliomanagement und die Preisabsicherung bis hin zum Reporting alles abdeckt. Auch für diese Aufgaben gibt es Spezialisten, die eine viel bessere Kostenposition und Skalierbarkeit haben als das typische Stadtwerk oder der Regionalversorger.

Auf Kurs bleiben

Geschäftsmodell, Organisation und Prozesse angemessen zu vereinfachen, kann die Vertriebs- und Servicekosten deutlich senken. Dies setzt jedoch voraus, dass die umgesetzten Vereinfachungsmaßnahmen tatsächlich bestehen bleiben und nach erfolgreichem Projekt nicht wieder durch liebgewonnene Traditionen abgelöst werden.

Um einen nachhaltigen Wandel zu gewährleisten, sind drei Voraussetzungen notwendig: Die erste und wichtigste ist eine starke Führung. Der Weg zur Vereinfachung ist oft beschwerlich und erfordert ein effektives Change-Management und eine auf kontinuierliche Verbesserung ausgerichtete Denkweise des Unternehmens. Das Führungsteam muss sein Engagement für Einfachheit unter Beweis stellen und die notwendigen Schritte unternehmen, um eine unterstützende Kultur zu schaffen, in der die Mitarbeiter ständig danach streben, mit weniger effizienter und effektiver zu arbeiten.

Die zweite Voraussetzung ist das Training. Es muss ein Training durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter die Bemühungen des Unternehmens um Einfachheit in Bezug auf Systeme, Produkte und Funktionen verstehen. Das Training sollte sich nicht nur auf die Durchführung von Prozessen, sondern auch auf Messungen und Berichte konzentrieren und fortlaufend durchgeführt werden – im Idealfall von den eigenen Managern und Teamleitern.

Der letzte notwendige Bestandteil ist die Einführung von Analysen und Kennzahlen, um die Wirksamkeit der Vereinfachungsmaßnahmen des Unternehmens zu messen. Die Führungskräfte sollten die Bedeutung einer genauen Messung hervorheben und sowohl analytische Entscheidungsfindung einsetzen als auch fordern. Schulungen können Messrichtlinien liefern und verstärken und die entscheidende Rolle der Messung bekräftigen.

Um im Umfeld von steigenden Kosten und zunehmender Preissensibilität sowie neuen Marktteilnehmern erfolgreich zu sein, müssen die etablierten Energieunternehmen sicherstellen, dass ihr Geschäft an allen Fronten optimiert wird – insbesondere im Bereich B2B-Vertrieb, wie wir anhand der vorgestellten Praxisbeispiele zeigen konnten. Wenn dem Unternehmen hier etwas fehlt, müssen prioritär die oben beschriebenen Korrekturmaßnahmen ergriffen werden. Die Alternative – das Problem zu ignorieren oder seine Bedeutung herunterzuspielen – birgt die Gefahr, dass das Unternehmen in einen immer entscheidenderen Nachteil gerät, der seinen Kunden die Tür zu einem effizienteren Wettbewerber öffnet.

Thomas Haller (thomas.haller@simon-kucher.com), Manuel Steege (manuel.steege@simon-kucher.com) und Christian Zapletal (christian.zapletal.external@simon-kucher.com)
3 / 3

Ähnliche Beiträge