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Der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet innerhalb Deutschlands mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran. Das gilt insbesondere für die Windenergie an Land (aber auch für die Photovoltaik, siehe Abb. 1). Von Anfang an wurden Windkraftanlagen schwerpunktmäßig im Norden Deutschlands aufgestellt. Seit die Höhe der Förderung der Windenergie im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) nicht mehr staatlich festgelegt, sondern im Rahmen von Ausschreibungen wettbewerblich ermittelt wird, droht sich dieser Trend weiter zu verstärken. In den ersten Ausschreibungsrunden haben Anlagen im Süden Deutschlands kaum Zuschläge erhalten (siehe Abb. 1).
Politik und Wirtschaft sehen diese Entwicklung zum Teil kritisch. Michael Class, Vorstandsvorsitzender des Windkraft-Projektierers juwi AG, betonte das kürzlich in einem Standpunkt für den Tagesspiegel Background [1] und verwies auf einen entsprechenden Appell der deutschen Windindustrie [2]. Seine Hauptsorge: Der auf den Norden konzentrierte Ausbau der Windenergie verschärfe bestehende Netzengpässe zwischen Nord- und Süddeutschland. Zudem trüge die regionale Ungleichverteilung des Ausbaus zu Akzeptanzproblemen bei. Gleichzeitig würden bestehende Flächenpotenziale in Süddeutschland nicht genutzt, obwohl diese für die Erreichung der Energiewendeziele zwingend notwendig seien. Landespolitiker, vor allem aus Süddeutschland, schlagen in die gleiche Kerbe. Ihre Befürchtung: Unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen könnten sie möglicherweise ihre regionalen Energiewendeziele nicht mehr erreichen.
In Baden-Württemberg musste jüngst mit Blick auf die Ausschreibungsergebnisse für Windkraft sogar das Ziel, bis 2020 10 % des landesweit produzierten Stroms aus Windkraft zu erzeugen, gekippt werden [3]. So beklagt der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Bündnis 90/Die Grünen): „Wenn die Kriterien so bleiben, dann wird die Windkraft in Baden-Württemberg schlicht und ergreifend ausgebremst“ [4]. Und die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (ebenfalls Bündnis 90/Die Grünen) fordert: „[S]üdliche Bundesländer [dürfen] im Ausschreibungsverfahren nicht das Schlusslicht bilden“ [5].
Forderung nach regionalisierten Ausschreibungen für die Windenergie
Vor diesem Hintergrund wird zunehmend eine Regionalisierung der EEG-Ausschreibungen gefordert. Damit soll erreicht werden, dass mehr Windkraftanlagen südlich von häufig auftretenden Netzengpässen gebaut werden. Im Appell der deutschen Windindustrie werden diese entlang der „Mainlinie“ verortet. Gelingen könnte das beispielsweise, indem separate Ausbaumengen für Nord- und Süddeutschland festgelegt und ausgeschrieben werden. Alternativ könnte man an einer gemeinsamen Ausschreibung festhalten, Gebote aus dem Süden aber durch Boni bevorteilen.
Eine entsprechende Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Thüringen gab es bereits 2015 [6]. Auch im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung wurde relativ allgemein festgehalten, dass für die Ausschreibungen ein Mindestanteil „südlich des Netzengpasses“ festgelegt werden soll [7]. Im Zuge der Verhandlungen über ein Energiesammelgesetz haben die Regierungsfraktionen Ende Oktober nun die Einrichtung einer entsprechenden Arbeitsgruppe beschlossen. Konkret soll diese den Vorschlag prüfen, „bei Wind an Land in den Ausschreibungen einen Süd-Bonus von 0,3 Cent/kWh zu vergeben“ [8]. Im aktuellen Appell der Windindustrie heißt es zu einer regionalisierten Ausschreibung: „Sie lässt sich einfach und effektiv ausgestalten und hat vernachlässigbare Effekte auf die EEG-Umlage“ [9]. Doch ist es tatsächlich so einfach?
Kosteneffizienz als Kernargument für regional neutrale Ausschreibungen
Zunächst ist zu bedenken, welche Ziele grundsätzlich mit der Einführung der Ausschreibungen verfolgt wurden. Neben einer besseren Steuerung der Ausbaumengen ging es vornehmlich auch darum, den Ausbau kostengünstiger zu gestalten. Durch den expliziten Wettbewerb von Bietern bzw. Standorten sollten insbesondere die Stromgestehungskosten reduziert werden. Diese sind maßgeblich von der Windhöffigkeit des jeweiligen Standorts abhängig. Da der Wind im Norden durchschnittlich stärker weht als im Süden, ist eine räumliche Ungleichverteilung beim Ausbau der Windenergie die logische Folge und genau im Sinne einer Minimierung der Stromgestehungskosten.
Ob die Umstellung von einer Festvergütung auf Ausschreibungen in der Realität tatsächlich zu einer nennenswerten Senkung der Stromgestehungskosten geführt hat, ist freilich umstritten [10]. Klar ist aber: Eine Regionalisierung der Ausschreibungen würde gerade diesem Ziel zuwiderlaufen. Kleinere Gebotszonen erhöhen zudem die Gefahr, dass strategisch geboten und Marktmacht ausgeübt wird.
Mehr Netzintegration durch regionalisierte Ausschreibungen?
Zweifellos ist eine regionale Verteilung der Windenergie, die allein unter dem Aspekt der Stromgestehungskosten optimiert wird, volkswirtschaftlich nicht effizient. Neben den Stromgestehungskosten müssen zusätzlich auch weitere volkswirtschaftliche Kosten des Windenergieausbaus berücksichtigt werden. Dazu gehören nicht zuletzt die langfristigen Kosten der Netzintegration von neuen Windenergieanlagen. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, dass Windenergie auch in bedeutsamem Umfang in Süddeutschland ausgebaut wird. Aber ist eine weitergehende Regionalisierung der Ausschreibungen dafür tatsächlich das richtige Instrument?
Zunächst sei daran erinnert, dass es im EEG schon jetzt Instrumente gibt, die zur Behebung der Netzengpassproblematik beitragen sollen. Dieses Ziel wurde insbesondere mit der Einführung des sog. Netzausbaugebiets verfolgt. Dieses legt eine Obergrenze für den Zubau der Windenergie in Norddeutschland fest. Damit erfolgt schon heute eine mengenmäßige regionale Differenzierung des Ausschreibungssystems [11]. Zum Netzausbaugebiet gehören bislang der nördliche Teil Niedersachsens, Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Zudem sind die Ausschreibungen durch das Referenzertragsmodell auch preislich bereits indirekt regional differenziert. Das Referenzertragsmodell gleicht bei Geboten Windertragsunterschiede teilweise aus – zumindest soweit Standorte mindestens 70 % des Referenzwindertrags aufweisen. Hauptanliegen des Referenzertragsmodells ist es, Überrenditen auf guten Standorten zu vermeiden. Gleichzeitig verbessert es aber auch die Wettbewerbschancen von relativ windschwachen Standorten im Süden Deutschlands.
Wenn nun erkannt werden würde, dass die bisherigen Ansätze zur regionalen Steuerung im Sinne der Netzintegration nicht zielführend sind, könnte auch deren Anpassung erwogen werden. Sollte sich also beispielsweise herausgestellt haben, dass die Grenze des Netzausbaugebiets zu weit nördlich liegt und besser an der Main-Linie verlaufen sollte, dann könnte man dies auch schlicht durch eine Neueinteilung des Netzausbaugebietes lösen. Mithin ist nicht ersichtlich, dass es für die Lösung von Netzengpassproblemen unbedingt einer weiteren Regionalkomponente in den EEG-Ausschreibungen bedarf.
Grundsätzlich ist allerdings zweifelhaft, ob überhaupt mit einer simplen Aufteilung Deutschlands in zwei Ausschreibungszonen für die Windkraft konkrete Netzengpässe in Zukunft effektiv vermieden werden können. Dazu bedürfte es vermutlich einer viel kleinräumigeren Steuerung. Auch gibt es Alternativen zu regionalisierten Ausschreibungen: Beispielsweise könnte der räumliche Ausbau der Windenergie auch durch eine stärkere Beteiligung der Anlagenbetreiber an den jeweiligen Netzausbaukosten oder eine allgemeine Beteiligung von Stromerzeugern an regional zu differenzierenden Netzentgelten (G-Komponente) netzdienlicher gesteuert werden [12]. Generell sollte bei einem solchen Ansatz aber ein technologieübergreifendes und diskriminierungsfreies Instrumentarium für eine Netzengpass-orientierte Standortsteuerung angestrebt werden. Netzengpässe sind nicht allein der Stromeinspeisung einer einzelnen Technologie geschuldet. Ein auf eine einzelne Technologie(gruppe) beschränktes Steuerungsinstrument wäre mithin ineffizient [13].
Darüber hinaus verbirgt sich hinter der Diskussion um eine Regionalisierung der EEG-Ausschreibungen der Gedanke, dass sich primär die Erneuerbaren an das bestehende Stromsystem anpassen müssen. Mittelfristig muss sich jedoch das Stromsystem auch an die Erfordernisse einer erneuerbaren Stromerzeugung anpassen – durch den intelligenten räumlichen Ausbau von Netzen, Speichern, flexiblen Reservekraftwerken und Nachfragemanagement.